Bildmanipulation für alle

Seite 2: Wie man Gesichter fälscht

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Grundsätzlich ist das Verfahren nicht auf lächelnde Gesichter beschränkt. "Gesichter sind gut strukturiert", sagt Brock. "Das gilt aber auch für Landschaften oder Fotos von Innenräumen." Bei beliebigen Fotos funktioniere das Verfahren allerdings noch nicht sehr zuverlässig. Im Moment sei zudem die Auflösung der Software noch beschränkt, räumt Brock ein, und die neuronalen Netze produzieren typische Artefakte, die man sehen kann, wenn das Bild hinreichend vergrößert wird. "Bei höherer Auflösung wird es zudem schwieriger. Kleine Ungenauigkeiten könnten sich addieren", ergänzt er. "Da ist noch viel Arbeit zu erledigen." Wenn man das neuronale Netz aber darauf trainiere, nicht nur Bilder zu liefern, die den Vorstellungen des Users entsprechen, sondern auch möglichst wenig als Fälschung erkannt zu werden, könnte es in Zukunft "sehr herausfordernd" werden, Manipulationen zu entdecken.

Vishal Patel von der Rutgers University New Jersey hat solch ein Konzept getestet. Mit seinem Doktoranden He Zhang hat Patel eine Software entwickelt, die Regenschleier aus Fotos entfernen kann. Die Software funktioniert im Prinzip genau so, wie Brock sich das vorstellt: Sie besteht im Wesentlichen aus zwei neuronalen Netzwerken, die lernen, sich gegenseitig möglichst gut zu täuschen. Der Generator lernt, wie man ein Bild, das starken Regen oder Schnee enthält, ändern muss, damit der Diskriminator es durchlässt. Bisher verwendete Bildfilter haben den Nachteil, dass sie feine Details in den Fotos verschmieren. Die neuronalen Netze tun das nicht.

Im Moment liegt die maximale Auflösung bei 600 x 600, ließe sich aber leicht hochskalieren. Patel und sein Team wollen die Software nutzen, um Bilder von Überwachungskameras zu verbessern. Grundsätzlich ließe sich die Technik aber auch für andere Bildmanipulation verwenden, fügt er hinzu.

Was in den wissenschaftlichen Veröffentlichungen mehr oder weniger wie technische Spielerei aussieht, gewinnt in sozialen Netzwerken große politische Brisanz. "Falschinformationen in sozialen Medien sind natürlich kein neues Phänomen", sagt Krishna Gummadi vom Max-Planck-Institut für Softwaresysteme. "Im politischen Kontext hat das Problem aber eine völlig neue Qualität bekommen." Nach aktuellen Umfragen spielen soziale Medien als direkte Nachrichtenquelle zwar noch keine dominante Rolle.

Stimmungen und Trends – vor allem emotionale – können sich über soziale Netze jedoch hervorragend verbreiten, besonders über Bilder. "Fotos liefern Beweismaterial", schrieb die Schriftstellerin Susan Sontag bereits 1977 in ihrem Essay "On Photography". "Etwas, wovon wir gehört haben, woran wir aber zweifeln, scheint ,bestätigt', wenn man uns eine Fotografie davon zeigt." In Zeiten von Twitter, Instagram und Facebook gewinnt diese Erkenntnis eine völlig neue Brisanz. Die Verbreitung des Gerüchts vom massenhaften Wahlbetrug bei der US-Präsidentschaftswahl etwa wurde wesentlich durch ein manipuliertes Foto gefördert, das Kisten mit angeblich gefälschten Wahlurnen zeigt.

Relativ beliebt, weil technisch schnell und einfach zu bewerkstelligen, sind Fotos von Politikern in Nachrichtensendungen – inklusive dem Logo des betreffenden Senders – mit erfundenen Zitaten. Gleich danach folgen Bilder, die auf einfarbige T-Shirts montiert werden. So kursierte jahrelang ein Foto auf Facebook, das den Ex-US-Präsidenten Barack Obama mit einem T-Shirt zeigt, auf dem ein Porträt des Satanisten Aleister Crowley zu sehen ist – eine Fälschung.

Es gibt zwar bereits Online-Dienste wie Fotoforensics.com und auch spezialisierte Software, mit der man untersuchen kann, ob ein Foto manipuliert wurde oder nicht. "Aber nicht jede Veränderung an einem Foto bedeutet, dass es manipuliert wurde, um zu täuschen", sagt Sarah Elkasrawi vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). Im Rahmen ihrer Doktorarbeit hat sie daher ein System zur automatischen Analyse von News in sozialen Medien entwickelt, das einen anderen Weg geht. Die Software, die sich als Plug-in in den Webbrowser Chrome einklinkt, sucht in der Google-Bildersuche nach einem ähnlichen Foto – aber mit einem früheren Entstehungsdatum.