Familienkutschen

Die Wunschliste an den Weihnachts-PC ist lang, wenn er alle in der Familie beglücken soll. Da ist auch bei einem Last-Minute-Kauf gute Beratung ebenso wichtig wie solide Technik. Acht PCs zwischen 600 und 800 Euro geben einen guten Überblick über das Angebot.

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Von
  • Benjamin Benz
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Deutschland, Ende November, mitten in der Nacht: Stunden vor Ladenöffnung strömen sie, bewaffnet mit Thermoskannen, Klappstühlen und ausreichend Lektüre auf den Parkplatz des Lebensmittel-Discounters und trotzen dem miesen Wetter: alles nur, um auch ganz sicher einen der begehrten PCs zu erobern.

Diese Szenen sind schon seit einigen Jahren passé. Dennoch steht die Bezeichnung „Aldi-PC“ fast so selbstverständlich für einen üppig ausgestatteten Mittelklasserechner wie „Tempo-Taschentücher“ für quadratische Zellstoffblättchen. Die Aldi-PC-Klasse umfasst zurzeit den Preisbereich zwischen 600 und 800 Euro. Hier tummeln sich PCs zahlreicher Anbieter, die sich teils ähneln wie ein Taschentuch dem anderen.

Beim Gegenwert einer mittleren Monatsmiete sind Anforderungen und Erwartungen an einen solchen PC groß: E-Mailen, Surfen und Briefeschreiben gehören ins Pflichtenheft, aber auch das ein oder andere 3D-Spiel, die Lern-Software für die Kinder oder die Aufbereitung des Urlaubsvideos sollen den Familien-PC nicht ins Schwitzen bringen. Steht er zudem noch im Wohnzimmer, so bedrohen nervige Lüfter oder ratternde Festplatten gar den Haussegen.

Wir haben anonyme Testkäufer zu Discountern, Elektrofachmärkten und Fachhändlern geschickt, um acht PCs ins c't-Labor zu holen. Auch wenn aus diversen Gründen einige der Rechner bei Redaktionsschluss längst nicht mehr zu haben sind, so zeigt dieser Test, wie man sich im Dschungel der Komplett-PCs zurechtfindet und ein passendes Exemplar auserkiest. Angebote von Online-Händlern wie dem weltweit zweitgrößten PC-Hersteller Dell blieben diesmal außen vor, da es uns auch ganz konkret um Beratung und persönlichen Kontakt ging. PCs aus Dells Mittelklasse-Familie „Studio“ haben wir zudem erst im vorangegangenen Heft ausführlich untersucht [1].

Ein Streifzug durch die örtlichen Elektronik-Discounter und Kaufhäuser offenbart überall ungefähr das gleiche Bild: Die angebotenen Rechner stammen fast immer von den großen internationalen PC-Herstellern Fujitsu Siemens Computers (FSC), Hewlett-Packard (HP), Acer, Compaq oder Packard Bell. Andere Marken sind selten, lediglich das Medion-Label Microstar ist gelegentlich zu finden. Die großen PC-Hersteller verfolgen fast immer dieselbe Strategie: Auf ihren Webseiten bewerben sie einige wenige Basisversionen. Die einzelnen Handelsketten bekommen dann Geräte mit kleinen Variationen. Die Rechner sehen sich zwar zum Verwechseln ähnlich, unterscheiden sich aber in Details. So mag in einem PC namens „Amilo Li Desktop“ bei einer Ladenkette eine größere Festplatte, bei einer anderen dafür eine TV-Karte stecken – bei identischem Preis, versteht sich, denn die Einkäufer achten penibel darauf, die typischen auf „99“ endenden Preispunkte zu treffen. Die Angebote wechseln alle paar Wochen.

Anders sieht es bei den Lebensmitteldiscountern aus. Hier dominiert maßgeschneiderte Aktionsware, die meist deutsche Zulieferer wie Medion, Targa oder Hyrican zusammenschrauben. Dabei bekommt beispielsweise Aldi auch mal das ein oder andere exklusive Schmankerl wie den „Datenhafen“, in dem eine ebenfalls bei Aldi erhältliche externe USB-Platte andockt.

Der Computerhändler um die Ecke hat hingegen die Möglichkeit, den PC genau auf Kundenwunsch maßzuschneidern. Ein kompetenter Verkäufer geht dabei nicht nur auf Wünsche ein, sondern sollte auch beraten, welche Teile man wirklich braucht und wo Sparpotenzial liegt. Während PCs von der Stange sich in puncto Qualität kaum unterscheiden und meist strenge Endkontrollen durchlaufen, fließt in ein Einzelstück die Tagesform und Qualifikation des Monteurs wesentlich stärker ein: So erwischte der K&M-Verkäufer eine besonders laute Grafikkarte von Sapphire, obwohl HIS eine sehr leise mit demselben Chip anbietet.

Ohne einen Vierkernprozessor geht einfach gar nichts mehr. Diesen Eindruck vermitteln zumindest die PC-Angebote der diesjährigen Vorweihnachtszeit. Wie geschnitten Brot scheint Intel den Core 2 Quad Q8200 zu verkaufen – er steckt in vier unserer acht Testkandidaten. Der Q8200 kostet im Einzelhandel rund 165 Euro und ist damit neben dem schon leicht angegrauten Q6600 der billigste Prozessor mit vier Kernen, den Intel im Angebot hat. Außer der für Werbeprospekte scheinbar magischen Kernzahl „4“ sind die technischen Daten ernüchternd: Die Taktfrequenz liegt bei gerade einmal 2,33 GHz und der L2-Cache misst nur 2 x 2 MByte.

AMD-CPUs scheinen für Verkäufer derzeit ebenso uncool zu sein wie solche mit nur zwei Kernen. Jedenfalls stießen wir nur bei Karstadt auf einen Rechner mit Phenom X4, und PCs mit Doppelkern-CPU offerierten in der Aldi-PC-Klasse nur Conrad und K&M.

Die meisten Programme, die auf einem Familien-PC laufen, profitieren bisher allerdings nicht von den vier Kernen, sodass oft ein gleich teurer, aber höher getakteter Doppelkernprozessor sinnvoller wäre. So schlägt ein Core 2 Duo E8400 nur mit 150 Euro zu Buche, taktet aber mit 3 GHz und hat 6 MByte L2-Cache. Zu guter Letzt verheizt der Doppelkernprozessor weniger Strom. Die Ergebnisse unserer Benchmarks belegen, dass die Einsteiger-Quad-Cores ihre Vorteile nur selten ausspielen können: So liegt der Rechner von K&M mit Core 2 Duo in drei von vier BAPCo-Sysmark-Teildisziplinen vor denen mit Core 2 Quad. Anders sieht es freilich beim 3D-Rendering-Benchmark Cinebench aus. Dieser nutzt alle vier Kerne aus und lässt den Dual-Core trotz höheren Taktes um 23 Prozent zurückfallen.

Kaum ein 3D-Spiel nutzt mehr als zwei CPU-Kerne – auch wenn uns ein Karstadt-Verkäufer fälschlicherweise versicherte, es gäbe für alle Spiele entsprechende Patches. Sie profitieren stattdessen von hohem CPU-Takt und vor allem von einer leistungsstarken Grafikkarte.

Wer sich nicht auf solche eher pauschalen Analysen stützen möchte, muss selbst eruieren, wie viele Kerne das Lieblingsprogramm auszulasten vermag. Die meisten Software-Hersteller geben dazu derzeit jedoch eher unpräzise Aussagen. So bewerben einige Anbieter ihre Produkte als „Quad-Core-Ready“, auch wenn nur bestimmte (teils selten genutzte) Programmteile profitieren. Allen Überlegungen und aller Theorie zum Trotz: Im Alltag dürfte man die Unterschiede kaum spüren. Egal ob Phenom X4, Core 2 Quad, Athlon X2 oder Core 2 Duo: Die meisten Anwendungen bringen aktuelle CPUs ohnehin nur selten zum Schwitzen.

Die Benchmark-Tabelle zeigt, dass eine Mittelklasse-Grafikkarte [2] mit einem Grafikprozessor wie dem GeForce 9600 GT von Nvidia oder dem Radeon HD 4670 von AMD bei der typischen 19"-Display-Auflösung SXGA (1280 x 1024) ausreicht, um moderne Spiele wie World in Conflict oder FarCry 2 mit moderaten Details flüssig zu spielen. Wer keine 3D-Spiele zockt, dem reicht meist auch ein Komplett-PC mit Chipsatzgrafik für weniger als 600 Euro.

Will man aktuelle Shooter wie Crysis oder Call of Juarez auf 20- oder 22-Zoll-Displays (UXGA oder mehr) spielen und bei Details, Kantenglättung oder Filtern keine Abstriche akzeptieren, reichen die Grafikkarten der getesteten Allround-PCs nicht aus. Lediglich die Radeon HD 4850 im Amilo Desktop Pi 3635 hat genug 3D-Power. Dieser Rechner touchiert mit fast 800 Euro aber auch schon die Preisgrenze, bei der üblicherweise Spiele-PCs beginnen [3]. Ältere und genügsame Spiele laufen hingegen auch auf einfacheren Grafikkarten noch flüssig. Im Bereich dazwischen hilft ein Verzicht auf Details oder die nächstniedrigere Auflösung. So bleibt auch die GeForce 9500 GS im Lidl-PC beim schon etwas angegrauten Shooter Splinter Cell CT und UXGA-Auflösung (1600 x 1200 Punkte) noch knapp über 30 fps. Begnügt man sich mit SXGA, so sind es bereits 46 fps. Spiele, die genau an der Kante liegen, gibt es bei diesen eher günstigen Karten immer. Beispielsweise läuft das recht neue FarCry 2 auf dem Lidl-Rechner nur im DirectX-9-Modus flüssig, wohingegen der Aldi-PC (GeForce 9600 GT) auch die DirectX-10-Effekte schafft.

Mag beim letzten Komplett-PC-Kauf vor ein paar Jahren Arbeitsspeicher noch ein zentrales Merkmal gewesen sein, so ist an dieser Marketing-Front Ruhe eingekehrt: Einerseits liegen die Speicherpreise darnieder, sodass praktisch in jedem PC ab 600 Euro 4 GByte stecken. Andererseits kann das meist installierte 32-Bit-Windows kaum mehr als 3 GByte nutzen – diesen Hinweis gab uns allerdings kaum ein Verkäufer. 64-Bit-Versionen von Vista sind eher die Ausnahme; in unserem Testfeld setzten nur HP und K&M sie ein. Positiv fiel auf, dass Medion zum Aldi-PC beide Windows-Versionen liefert.

Ähnlich unspektakulär geht es bei den Festplatten zu: Zwischen 500 GByte und 1 TByte speichern unsere Testgeräte. Wer keine große HD-Video-Sammlung besitzt, dürfte beides nur schwerlich füllen können und im Zweifelsfall lässt sich über externe Platten unkompliziert anbauen.

In das diesjährige Rennen um den tollsten Weihnachts-PC schickte Aldi den Medion Akoya P7300D für 699 Euro, für 80 Euro gab es auch gleich noch eine externe „Datenhafen-2-“Festplatte. Lidl konterte eine Woche später mit dem Targa Now 8821 für 100 Euro weniger. Beratung bieten beide Lebensmittel-Discounter nicht. An der Kasse – bei der man die guten Stücke ordern muss – würde sich wohl auch Unmut in der Schlange regen, wenn man die Verkäuferin zu etwas Fachsimpelei verführt.

Zu etwas mehr Beratung konnten wir den Verkäufer beim Media Markt überreden. Von dort stammt der Microstar PC MT7 (MT515), dessen Preis laut Verkäufer gerade um 60 Euro auf 689 Euro gesenkt wurde. Als einziger Rechner im Testfeld hat er ein Blu-ray-Laufwerk, noch dazu einen Brenner. Mit 799 Euro schöpft der Fujitsu Siemens Amilo Desktop Pi 3635 das Testbudget komplett aus, Details zu ihm waren einem zweiten gestressten Media Markt-Verkäufer jedoch nicht zu entlocken.

Mit ähnlich wenig Empfehlungen konnte der Saturn-Mitarbeiter aufwarten und verwies uns auf unseren – zugegebenermaßen schwammigen – Standard-Wunsch nach einem Allround-PC, der auch für ein paar Spiele taugt, auf ein Modell für 499 Euro. Da er sich dann sofort wieder um andere Kunden kümmern musste, wählten wir eigenmächtig einen flotteren Acer Aspire M3641 für 649 Euro.

Ganz anders der Eindruck in der Technikabteilung von Karstadt: Der Verkäufer beriet sehr ausführlich, auch wenn ihm dabei einige Fachbegriffe durcheinandergerieten. So überraschte er uns mit „Atom-Grafikkarten“ und der hohen 64-Bit-Performance. Dafür wies er auf mögliche Treiberprobleme bei älteren Peripheriegeräten hin und nahm sich Zeit, um uns zu zeigen, wie man für den HP a6654.de (699 Euro) selbst Rettungsmedien erstellt.

Im örtlichen Conrad-Markt herrschte das übliche Vorweihnachtsgedränge, sodass wir erst einmal zehn Minuten in der Schlange am Informationsstand anstehen mussten. Der Verkäufer empfahl uns den IP-Star „PC-Konfiguration 977140“ für 629 Euro, welcher als einziger der vorrätigen Rechner unseren Preisvorstellungen entsprach. Nach seiner Ansicht verbessert der verbaute Dual-Core-Prozessor die Stabilität und Performance von Anwendungen. Allerdings hat unserer Erfahrung nach die Anzahl der Kerne keinen Einfluss auf die Stabilität.

Mit Abstand am meisten Zeit nahm sich der Techniker im K&M-Shop. Mit präzisen Nachfragen stellte er einen Rechner zusammen, der sehr gut zu unseren Bedürfnissen passte. Auch an der Beratung zum Thema Doppel- versus Vierkern-CPU gab es nichts auszusetzen. Unseren Wunsch nach einem leisen PC nahm der Händler ernst und berücksichtigte das bei CPU-Kühler und Netzteil. Rund drei Werktage später konnten wir für 790 Euro den Rechner abholen.

Weitere Produktbesprechungen und Testergebnisse finden Sie in c't 1/2009.

[1] Benjamin Benz, Vollgas zurück, Dells Mittelklasse-PCs, c't 26/08, S. 82

[2] Manfred Bertuch, Pixel-Leitfaden, Die richtige Grafikkarte für HD-Videos und Spiele-Spaß, c't 23/08, S. 138

[3] Benjamin Benz, Christian Hirsch, Arena frei, PCs für aktuelle 3D-Spiele, c't 18/08, S. 110 (bbe)