Fediverse: Was Sie über Mastodon und Co. wissen müssen

Seite 2: Das Fediverse in seinen Weiten

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"Was eine Instanz ausmacht, sind die jeweiligen Serverregeln" erklärt Klaudia Zotzmann-Koch, die den Mastodon-Server Literatur.Social betreibt – eine Instanz "für Autorinnen, Autoren und Literaturmenschen." Es lohnt sich also, sich diese Regeln durchzulesen auf der Suche, welche Heimat zu einem passt. Die Nachrichten der eigenen Instanz bekommt man dann in der sogenannten "Lokalen Timeline" (im Gegensatz zur "Föderierten Timeline") angezeigt. Wer also neu ist und sich über seine leere Timeline wundert, kann erstmal dort stöbern und entscheiden, wem er oder sie folgen will: Diese Posts erscheinen dann in der Startseiten-Timeline – und zwar einfach chronologisch.

Allzu heikel ist diese erste Entscheidung für eine Instanz aber auch wieder nicht, denn erstens ist das Umziehen recht einfach und zweitens kann man nahezu allen anderen im Fediverse ebenfalls folgen: "Das Fediverse ist ein Netzwerk von Netzwerken", sagt Zotzmann-Koch. "Mastodon ist dabei das Schweizer Taschenmesser unter den Fediverse-Softwares", so die Autorin und Datenschutz-Coach, "du siehst Posts von Pixelfed, oder Pleroma, Funkwhale und vielen anderen." Das heißt, Mastodon kann aufgrund des gemeinsamen Kommunikationsprotokolls ActivityPub nicht nur Daten austauschen, sondern die Formate der anderen Dienste ebenfalls anzeigen, beispielsweise der Instagram-ähnlichen Plattform Pixelfed oder der Podcast-Plattform Funkwhale.

Ein weiterer Vorteil, den man auch von der Plattform Twitter kennt: Mit wem man nicht reden will, den kann man als Nutzerin blocken oder auch erstmal nur stumm schalten. Zudem blockieren verschiedene Instanzen einige andere, beispielsweise werden die Posts der rechten Hatespeech-Instanz Truth.Social, auf der auch Donald Trump unterwegs ist, in die wenigsten hiesigen Timelines gespült.
"Mit denen föderiert unsere Instanz von Literatur.Social aus rechtlichen und moralischen Gründen nicht", erklärt Zotzmann-Koch.

Auch Stephanie Henkel, die im Fediverse unter dem Namen "Ückück" bekannt ist, genießt gerade diese Möglichkeit, mit einem oder wenigen Accounts mehrere Plattformen gleichzeitig nutzen zu können. Die Studentin der Wirtschaftsinformatik und zweite Vorsitzende der Partei Piraten Sachsen betreibt einen Podcast auf Funkwhale, veröffentlicht Videos auf Peertube – und hostet gemeinsam mit einem Kollegen die Instanz Dresden.Network, auf der sowohl ein Mastodon- als auch ein Peertube-Sever beheimatet sind. Aktuell ist ihr eines besonders wichtig: Die Unbhängigkeit des Fediverse. "Uns kann niemand kaufen, weil wir ein Netzwerk von vielen sind."

Insgesamt liegen den hunderten von Anwendungen im Fediverse – eine Übersicht gibt es auf Fediverse.party – vier Kommunikationsprotokolle zugrunde, von denen ActivityPub das verbreitetste ist. "Friendica kann alle Sprachen", empfiehlt Henkel – anders als mit Mastodon kann man mit einem Account dort auch die Aktivitäten von Diaspora-Mitgliedern verfolgen, ein Dienst, der mit Google+ verglichen wird und die gleichnamige Sprache diaspora verwendet. Zudem biete Friendica mehr Möglichkeiten, Posts zu formatieren, und die Posts dort dürfen länger sein. "Mastodon hingegen ist absichtlich rudimentäter", sagt sie. Dort werden die längeren Posts anderer zwar angezeigt, Formatierungen hingegen verschwinden.

Mastodon "verstehe" zudem den Kalender von Mobilizon nicht, einer App, mit der man, wie mit Facebook Events, Veranstaltungen organisieren kann. Mastodon-User können diese zwar sehen, sich aber nicht mit einem Klick anmelden. Stephanie Henkel empfiehlt auch Pixelfeed, auch wenn es noch etwas fehlerhaft laufe. "Es wird immer mit Instagram verglichen, aber eigentlich sind die Inhalte anders", sagt sie: "hochwertiger und künstlerischer."

Das ganze Fediverse wachse massiv, beobachtet Henkel. Letztlich könne tatsächlich jede und jeder selbst eine Instanz betreiben – "das sagen wir immer so, aber es sind eben nicht alle Techies", schränkt sie ein und lacht. Aber es gebe auch erste Hosting-Sevices, bei denen Menschen das Hosting eines Fediverse-Servers buchen und selbst eine Instanz aufbauen können.

Und wahrscheinlich ist das nötig, damit das Fediverse dem Ansturm langfristig gewachsen ist. Das Thema Skalierung wird derzeit immer häufiger auf Mastodon diskutiert. Das führt wieder zurück zu Aral Balkan und seiner DDoS-Attacke auf sich selbst. Denn diese zeige nicht nur die Grenzen der Skalierung der Föderation auf: Das Fediverse ist nicht sicher vor Zentralisierung, warnt Balkan, und letztlich nicht einmal vor feindlichen Übernahme durch die großen Tech-Konzerne. Er holt etwas aus: "Viele der Probleme, die gerade auftreten, hätten wir nicht, wenn wir weniger und dafür größere Instanzen hätten", sagt er. Denn dann müssten sich weniger Instanzen untereinander austauschen: In einer zentraleren Struktur fallen weniger dieser Datenverbindungen an, die den bestehenden Instanzen zur Zeit so zu schaffen machen. Aber Zentralisierung ist ja genau das, was das Fediverse verhindern soll. "Leider existieren die falschen Incentives", sagt Balkan und meint damit bestimmte Anreize. Die stecken aus seiner Sicht in der Architektur des Netzwerkes: "Weil es föderiert organisiert ist und nicht peer-to-peer."