Früh einstellen, spät in Rente: Südkorea lockt Chip-Ingenieure weg von China

Früher heuern, später feuern, mehr Geld: Südkorea versucht mit vielen Mitteln, den Abgang heimischer Experten nach China und in andere Länder zu verhindern.

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(Bild: jamesteohart/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Martin Kölling

In Ostasiens Chipindustrie nimmt der "War for Talents", das Abwerben von Fachkräften, immer drastischere Formen an. Gerade die Halbleiterhochburgen Taiwan und Südkorea versuchen, mit einer Reihe von Maßnahmen den Abfluss von Experten und deren Wissen vor allem nach China zu verhindern. Denn es ist kein Geheimnis, dass das Reich der Mitte mit massiven Humanimporten seine eigene Chipindustrie zum Weltmarktführer aufbauen will.

Den Anfang machte Taiwan voriges Jahr, als die Regierung Personalvermittlern untersagte, Jobs für chinesische Arbeitgeber auszuschreiben, sei es in Taiwan oder auf dem Festland. Denn die Taiwaner wissen, dass ein Großteil der chinesischen Chipindustrie von taiwanischen Experten aufgebaut wurde. Südkorea will den "Brain Drain" nun nicht nur mit hohen Bonuszahlungen für Chipfachleute drosseln, sondern auch mit einem breiten Programm, das Kontrolle und neue Regeln für Früheinstellung wie Spätverrentung von talentiertem Personal kombiniert.

Wie die japanische Wirtschaftszeitung Nikkei jüngst berichtete, will die Regierung eine Datenbank von Fachleuten in zwölf nationalen Schlüsseltechnologien aufbauen und auch ihre Reisen aufzeichnen, um den Abfluss von intellektuellem Eigentum einzudämmen. Doch auch bei jungen wie alten Talenten wird an Stellschräubchen gedreht, um Arbeitskräfte zu sichern.

So erlaubt das neue Chipgesetz Unternehmen, gewissermaßen hochtalentierte Oberschüler noch vor ihrem Eintritt an eine Universität indirekt einzustellen. So können die Konzerne bald gezielt universitäre Ausbildungsprogramme und Stipendien an Universitäten einrichten, die Oberschüler teilweise sogar vor den Aufnahmeprüfungen der Hochschulen annehmen.

Damit kann schon die Wahl der Universität über den späteren Arbeitgeber mitentscheiden. Samsung fördert beispielsweise Programme an der Sungkyunkwan-Universität und der Yonsei-Universität, die sich gezielt nach Oberschülern umschauen. Der Lokalrivale SK Hynix hat sich mit der Korea-Universität verbündet. Andere Hochschulen wollen ebenfalls zu gesponsorten Talentscouts werden.

Am anderen Ende der Karriere bieten die Unternehmen wiederum fähigen Fachleuten an, sie über das firmeninterne Rentenalter, also das 60. Lebensjahr, hinaus zu beschäftigen. Damit soll nicht nur der Arbeitskräftemangel gelindert werden, der weltweit den IT-Sektor plagt. Dies ist auch ein wichtiger Beitrag, den Brain Drain zu stoppen, wie die Koreaner aus eigener Erfahrung wissen.

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Immerhin haben auch koreanische Unternehmen in großem Maßstab entlassene, verrentete oder für viel Geld noch angestellte japanische Ingenieure angeworben, um in Technologien wie Flüssigkristalldisplays oder Chips schneller zum benachbarten Pionier aufzuschließen. Auch japanische Firmen verabschiedeten lange 60-Jährige, von denen sich manche noch zu jung und tatendurstig für den Ruhestand hielten.

Und nicht nur Japaner: Die Autogruppe Hyundai-Kia ist ein Tummelplatz für deutsche Auto-Experten, die in Ostasien die Herausforderung reizte, ein globales Spitzenunternehmen aufzubauen. Tesla wiederum hat ebenfalls weltweit Talent angezogen, um seine Autos und Akkus zu entwickeln.

Doch seit Korea zu den Technologieführern gehört, lernen die Firmen selbst, wie es sich anfühlt, gejagt zu werden. China ist dabei nur der größte Wettbewerber. Nun muss sich zeigen, ob Geld, Personalentwicklung und staatliche Kontrolle die ewigen Trends im globalen "Talent-Krieg" besiegen können.

(jle)