Fünf Jahre Ryzen: Erfolgsgeschichte eines AMD-Prozessors

Seite 2: Performancezuwachs

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In der Praxis erzielte AMD mit der Zen-Architektur einen großen Sprung bei Effizienz und Geschwindigkeit. Im Vergleich zu den Vorgängern der Serie A stieg die Rechenleistung pro Taktzyklus um über 40 Prozent. Zudem brachte AMD erstmals acht vollwertige CPU-Kerne auf eine Mainstream-Plattform für bezahlbare Desktop-PCs und das zu einem sehr attraktiven Preis. Mit dem Intel Core i7-6900K für die High-End-Plattform LGA2011v3 lieferte sich der Ryzen 7 1800X ein enges Kopf-an-Kopf-Rennen, allerdings kostete Intels Achtkerner damals 1100 Euro und somit doppelt so viel wie der Ryzen 7 1800X (559 Euro).

Vor allem bei Anwendungen, die von vielen Kernen profitieren, wie Rendering, Videokodieren und Verschlüsselung erregte die erste Ryzen-Generation Aufsehen. Das Topmodell für Intels Brot-und-Butter-Fassung LGA1151, der Core i7-7700K, hatte lediglich vier Kerne und musste sich deshalb in diesen Disziplinen deutlich geschlagen geben. Bei der Singlethreading-Leistung konnte AMD mit den Ryzen 1000 zwar einen großen Teil des bisherigen Rückstands aufholen, erreichte aber noch nicht das Niveau der schnellsten Kaby-Lake-CPUs. Deshalb blieb Intel für Office-PCs vorerst die erste Wahl und war auch in 3D-Spielen schneller.

Die Gaming-Schwäche war AMD bewusst. Im Begleitmaterial zu den Prozessoren fanden sich merkwürdigerweise nur Benchmarks in 4K-Auflösung, bei der die Grafikkarte den limitierenden Faktor darstellt und die Unterschiede zwischen den CPUs nur wenige Prozent betrugen. Unsere zusätzlichen Messungen bei 1440p-, 1080p- und 720p-Auflösung zeigten bei vielen Spielen jedoch mit dem Ryzen 7 1800X einen eklatanten Rückstand der Bildrate von bis zu 30 Prozent gegenüber den beiden Intel-CPUs Core i7-7700K und Core i7-6900K.

Da wir keine Erklärung für die schlechte Performance hatten und einen Defekt oder Fehler unsererseits vermuteten, waren wir auch zwei Tage vor Heftschluss noch fleißig damit beschäftigt CPUs, Boards und Grafikkarten hin und her zu tauschen, sowie diverse Male Windows neu zu installieren. An unseren Ergebnissen änderte das jedoch nichts. Den Tag der Veröffentlichung erwarteten wir mit einem flauen Magengefühl, doch dann bestätigten die Tests anderer IT-Magazine unsere Messwerte.

Im Nachhinein musste AMD eingestehen, dass es bei 3D-Spielen in der Tat ein Problem gibt. Im Laufe der kommenden Monate stellten sich dafür mehrere Ursachen heraus. Der Scheduler von Windows kam mit dem speziellen Aufbau der Ryzen-Prozessoren nicht zurecht, bei dem sich jeweils vier Kerne einen Block des Level-3-Cache teilten, was AMD auch als CPU Core Complex (CCX) bezeichnet. Verteilt das Betriebssystem Threads derselben Anwendung auf Kerne in verschiedenen CCX, sind die Latenzen bei der Kommunikation erheblich höher als zwischen Kernen im gleichen CCX. Erst zwei Jahre später mit Windows 10 1903 lernte der Scheduler dies zu unterscheiden. Schnelleres RAM mildert dieses Problem ab, denn Level-3-Cache und Infinity Fabric arbeiten mit dem Speichertakt. Die ersten Ryzen traten mit DDR4-2666 an, später stieg das offiziell unterstützte Tempo bis auf DDR4-3200.

Weitere Gründe für die anfangs schlechte Spiele-Performance waren die geringere Singlethreading-Performance im Vergleich zu den Intel-CPUs sowie der Turbomodus mit festen Stufen. Liefen auf der CPU mehr als zwei aktive Threads, taktete sie nur noch mit der niedrigeren Turbostufe für Last auf allen Kernen. Mit der zweiten Ryzen-Generation besserte AMD nach, sodass die CPU dynamisch die Taktfrequenz bis zum Maximum ausschöpft, sofern noch thermisches Budget vorhanden ist.

Eine noch größere Überraschung als in der PC-Mittelkasse (Mainstream) erzielte AMD bei den High-End-CPUs. Wenige Wochen nach der Vorstellung der ersten Ryzen-Desktop-CPUs erfuhren wir im März 2017 auf der längst eingestellten IT-Messe CeBIT aus dritter Hand, dass AMD eine wesentlich leistungsfähigere Variante mit doppelt so vielen Kernen und Speicherkanälen plant. Im Sommer des gleichen Jahres war es dann so weit: Die mit den Server-Prozessoren Epyc eng verwandten Ryzen Threadripper 1000 traten mit bis zu 16 Kernen, vier DDR4-Kanälen und 60 PCI-Express-Lanes an. Mit den nachfolgenden Generationen wandelte sich die angepeilte Zielgruppe: Statt High-End-Gaming und Hardware-Enthusiasten stehen bei Ryzen Threadripper mit bis zu 64 Kernen nun Workstations für professionelle Nutzer im Fokus.

Bei Ryzen Threadripper ist alles eine Nummer größer. Um die acht CPU Core Dies für 64 Kerne unterzubringen, erreicht der Prozessor fast Smartphone-Abmessungen.

AMD erwischte Intel mit den Ryzen-Prozessoren zu einer denkbar ungünstigen Zeit. Der Chipriese bekam die eigene 10-Nanometer-Fertigung jahrelang nicht ans Laufen, weshalb es bei den Core-i-CPUs in den kommenden Jahren auch keine signifikante Fortentwicklung der Architektur gab. Als Notlösung folgte stattdessen ein Aufguss derselben Skylake-Architektur nach dem anderen. Beginnend mit Core i-8000 flanschte Intel schließlich bei jeder CPU-Generation jeweils zwei weitere Kerne mehr an, um nicht völlig von AMD abgehängt zu werden. Erst mit den wenige Monate alten Core i-12000 "Alder Lake" konnte Intel bei Performance, Effizienz und Funktionen AMD wieder einholen.

Aus Käuferperspektive waren die Ryzen-Prozessoren ein großer Gewinn, denn die Preise purzelten durch die neue Konkurrenz. Mit jeder neuen Generation gab es bei beiden Herstellern zudem einen kräftigen Performancezuwachs. Quasi eine Neuauflage des Gigahertz-Duells der Jahrtausendwende. AMD konnte in der Folge in allen Bereichen verloren gegangene Marktanteile zurückerobern und profitierte in den letzten Jahren durch Umsatz- und Gewinnrekorde auch finanziell.

Ein paar Stolpersteine gibt es jedoch auch bei der Erfolgsstory Ryzen. Wie alle anderen CPU-Designs mit Out-of-Order-Design waren sämtliche Zen-Prozessoren Anfang 2018 von den Sicherheitslücken Spectre V1 und V2 und von später aufgedeckten Varianten betroffen. Zudem traten bei den ersten Ryzen 1000 bis zur Fertigungswoche 30/2017 beim Kompilieren unter Linux Segmentation Faults auf. Betroffene Exemplare hat AMD im Rahmen der Garantie ausgetauscht. Diesen Bug konnten wir damals ebenso bestätigen wie den, der bei Lastprogrammen mit hochoptimiertem FMA3-Code das System zum Komplettabsturz brachte. Über ein Firmware-Update konnte dieser vom Chiphersteller vergleichsweise einfach und schnell behoben werden.

Manche Vorteile sind aber auch mit Nachteilen verbunden, die sich erst später offenbarten. So verwendet AMD bei den aktuellen Ryzen 5000 zwar immer noch dieselbe CPU-Fassung AM4 wie bei der ersten Ryzen-Generation. Eine beliebige Auf- und Abwärtskompatibilität gibt es jedoch nicht. Zu Anfang war die Größe der Flash-Chips für das BIOS deutlich kleiner, weshalb aktuelle CPUs nur selten auf den damals aktuellen Boards mit Serie-300-Chipsatz laufen. Umgekehrt laufen auf modernen Platinen mit B550-Chipsatz nur Ryzen 3000 und neuer. Und die erste Ryzen-Generation wird von Windows 11 offiziell verschmäht. Wegen hoher Nachfrage sind derzeit kaum Ryzens mit vier und sechs Kernen zu günstigen Preisen lieferbar, sodass Intel wieder aufholt.

Ryzen-Prozessoren für Desktop-PCs
Generation CPU-Kerne Architektur Grafik / Compute Units Fertigungstechnik Verkaufsstart
Ryzen 1000 "Summit Ridge" 4, 6, 8 Zen 14 nm GlobalFoundries März 2017
Ryzen 2000G "Raven Ridge" 2, 4 Zen RX Vega / 8, 11 14 nm GlobalFoundries Februar 2018
Ryzen 2000 "Pinnacle Ridge" 4, 6, 8 Zen+ 12 nm GlobalFoundries April 2018
Ryzen 3000G "Picasso" 4 Zen+ RX Vega / 8, 11 12 nm GlobalFoundries Juli 2019
Ryzen 3000 "Matisse" 4, 6, 8, 12, 16 Zen 2 (Chiplet) 7 nm TSMC + 12 nm GlobalFoundries Juli 2019
Ryzen 4000G "Renoir" 4, 6, 8 Zen 2 RX Vega / 6, 7, 8 7 nm TSMC Juli 2020
Ryzen 5000X "Vermeer" 6, 8, 12, 16 Zen 3 (Chiplet) 7 nm TSMC + 12 nm GlobalFoundries November 2020
Ryzen 5000G "Cezanne" 4, 6, 8 Zen 3 Radeon / 6, 7, 8 7 nm TSMC April 2021

Inzwischen zeichnet sich das Ende der AM4-Plattform am Horizont ab. Ryzen-Prozessoren wird es aber wohl noch viele Jahre geben. In der zweiten Jahreshälfte 2022 kommen die Ryzen 7000 für die neue Fassung AM5, zu deren Neuerungen PCI Express 5.0, DDR5-RAM, 5-Nanometer-Fertigung sowie die weiter verbesserte Architektur Zen 4 zählen. Für die fernere Zukunft hat AMD bereits vor mehreren Jahren Zen 5 bestätigt, dabei munkelt man über ein Hybrid-Design ähnlich wie Apples M1 und Intel Core i-12000.

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(chh)