Gefühlvoll und bezahlbar

Drei frühere DLR-Forscher haben eine Technologie entwickelt, die Robotik billiger macht und ihr ganz neue Einsatzgebiete erschließt: Roboter-Mechanische Arme mit eingebautem Tastsinn, die sich fast so leicht bedienen lassen wie ein Smartphone.

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Von
  • Sascha Mattke
Inhaltsverzeichnis

Was am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) begann, könnte statt hoch oben im All eine technische Revolution auf der Erde auslösen: Drei frühere Forscher am DLR haben in jahrelanger Arbeit leichte Roboter-Arme mit Tastsinn realisiert, die relativ günstig zu produzieren und kinderleicht zu programmieren sind. "Das wird stärker einschlagen als der PC", ist der frühere DLR-Forscher Sami Haddadin überzeugt, der die Technologie zusammen mit seinem Bruder Simon und dem Informatiker Sven Parusel entwickelt hat. Für diese Leistung ist das Trio als eines von drei Teams für den Deutschen Zukunftspreis 2017 nominiert.

Deutscher Zukunftspreis 2017

In der Folge stellen wir die drei nominierten Teams für den Deutschen Zukunftspreis 2017 mit ihren Projekten vor. Der Gewinner wird am 29. November bekannt gegeben.

"Roboter sind heute eine totale Luxustechnologie", erklärt Sami Haddadin, inzwischen Professor für Regelungstechnik, in seinem nüchternen Büro mit Sichtbeton-Decke in der Universität Hannover. "Jedes Jahr werden weltweit nur etwa 280.000 Industrieroboter produziert – allein Porsche baut mehr Autos."

Wenn es nach ihm und seinen Mitstreitern geht, wird sich das bald ändern. Mittlerweile verkauft das von ihnen gegründete Unternehmen Franka Emika mit Sitz in München die neuartigen Leichtroboter als fertige Produkte, zunächst an Forschungseinrichtungen und ab diesem Herbst auch an Unternehmen. Völlig konkurrenzlos sind sie nicht: Auch etablierte Roboter-Hersteller wie Kuka und ABB sowie Start-ups wie Rethink Robotics oder Universal Robots mischen auf dem neuen Markt intensiv mit. Doch laut Sami Haddadin steht Franka Emika technologisch "weit vor dem Rest der Welt".

Bei klassischen Industrierobotern, erklärt Haddadin, hat sich seit der Erfindung in den 1950er Jahren nicht viel geändert. Grob vereinfacht könnte man sagen: Sie sind stark und schnell, aber dumm und gefährlich. Letzteres ist der Grund dafür, dass sie zumeist noch immer streng getrennt von menschlichen Arbeitern in Käfigen ihr Werk verrichten müssen. Außerdem bekommen sie im Grunde jeden einzelnen Arbeitsschritt aufwendig über Zahlencodes einprogrammiert, was sich nur für die Massenproduktion lohnt.

Der Roboter-Arm von Franka Emika ist ziemlich genau der Gegenentwurf dazu. Er wiegt nur 18 Kilogramm, hat in sämtlichen Gelenken Drehmomentsensoren eingebaut, die Bewegungen beim Auftreffen auf ein Hindernis stoppen können, und kann zum Beispiel selbstständig herausfinden, wie sich ein Metallstift am schnellsten in eine exakt dafür passende Öffnung stecken lässt. Alternativ lässt er sich durch Vormachen anlernen – man muss den Arm dazu nur so bewegen, wie er es später selbstständig erledigen soll. Und wenn noch etwas gezielt programmiert werden muss, dann hilft dabei eine Oberfläche, die an die von Smartphones angelehnt ist: Mehrere "Apps" zum Beispiel für Greifen, Drehen oder Drücken stehen zur Auswahl und müssen nur in die gewünschte Reihenfolge gezogen werden.

Ein Ersatz für klassische Robotertechnik ist das neue System trotzdem nicht – schon, weil der Arm auf eine Last von nur drei Kilogramm ausgelegt ist. Laut Haddadin ließe er sich zwar relativ problemlos stärker machen, doch das sei gar nicht das Ziel. Stattdessen gehe es darum, Robotertechnik in die Breite zu bringen. Und sie soll nicht mehr als Ersatz für menschliche Arbeitskraft, sondern als Werkzeug zu deren Unterstützung dienen.

Deutscher Zukunftspreis: Team 2 (8 Bilder)

Das nominierte Team mit seinem Roboter Franka Emika: Sven Parusel, Sami Haddadin und Simon Haddadin (v.l.n.r.).
(Bild: Ansgar Pudenz / Deutscher Zukunftspreis)

Neben der wenig einschüchternden Bedienung hilft dabei der ungekannt niedrige Preis: Der in elegantem Weiß gehaltene Arm selbst kostet zusammen mit Steuerung und Greifhand 11.300 Euro, fertige Apps können bündelweise für jeweils einige tausend Euro dazugekauft werden. Auch die Art des Verkaufs erinnert eher an den Silicon-Valley-Stil als an solide, aber gern spröde deutsche Ingenieurskunst: Die Produkte von Franka Emika lassen sich über einen schlicht gehaltenen Online-Shop aus der ganzen Welt bestellen.

Wenn Sami Haddadin, in Deutschland geborener Sohn einer finnischen Mutter und eines jordanischen Vaters, nicht so sehr an seiner Heimat hängen würde, wären wahrscheinlich sowohl die Technologie als auch er selbst längst in die USA abgewandert. An Franka Emika soll unter anderem Google Kaufinteresse bekundet haben, Haddadin selbst bekam Professuren am MIT und an der Stanford University angeboten, entschied sich aber fürs Bleiben – wenn auch nicht an derselben Universität, denn im kommenden Jahr wird er eine Stelle an der TU München antreten. "Die USA sind toll", sagt er dazu, "aber mir fehlt es dort am langfristigen Denken und an der klassischen Ingenieurskunst."

Der jüngere Bruder Simon, von Haus aus Mediziner, und der Informatiker Parusel kümmern sich inzwischen hauptberuflich um Franka Emika. Haddadin selbst dagegen spielt nach eigenen Angaben im Unternehmen keine operative Rolle und will sich vor allem in der Wissenschaft nützlich machen. Er plant den Aufbau eines Schulungszentrums in Hannover und will sich dafür einsetzen, dass an den Menschen angelehnte Robotik zu einem eigenen neuen Fachgebiet wird – Deutschland habe beste Voraussetzungen dafür, sich hier eine führende Stellung zu sichern.

Gleichzeitig verfolgt er weitere Anwendungsideen für die zukunftsträchtige Technologie mit Tastsinn. Schon im nächsten Jahr soll sie in einem Projekt namens Garmi als Alltagshilfe für ältere Menschen eingesetzt werden. Und auf längere Sicht, so Haddadin, könnte sie auch Prothesen ermöglichen, die sich vom Träger so intuitiv einsetzen lassen wie ein ganz natürliches Körperteil.

(sma)