Genetik: Colossal Biosciences will den Schattenwolf wiederbelebt haben

Das US-Unternehmen Colossal Biosciences will den vor Jahrtausenden ausgestorbenen Schattenwolf wiederbelebt haben. Wissenschaftler halten das fĂĽr irrefĂĽhrend.

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Schattenwolf von Colossal Biosciences

Schattenwolf oder Grauwolf mit Schattenwolf-Merkmalen?

(Bild: Colossal Biosciences)

Lesezeit: 4 Min.
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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Der Schattenwolf: In der Fantasiewelt Westeros, in der die bekannte Serie Game of Thrones spielt, ist er das Wappentier von Haus Winterfell, eines der großen Adelshäuser. In der realen Welt hingegen ist das Tier seit rund 13.000 Jahren ausgestorben. Oder war es – bis jetzt. Das US-Unternehmen Colossal Biosciences hat das Tier nach eigenen Angaben wieder belebt.

Das Unternehmen aus Austin im US-Bundesstaat Texas nennt sich selbst "the world’s only de-extinction company", etwa: das einzige Wiederbelebungs-Unternehmen der Welt. Sein Ziel ist, ausgestorbene Tiere zurückzuholen.

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Drei Schattenwölfe hat das Unternehmen erschaffen: zwei Männchen namens Romulus und Remus, die Anfang Oktober 2024 zur Welt kamen, sowie das Weibchen Khaleesi, das Ende Januar 2025 geboren wurde. Die drei laut Colossal Biosciences "gesunden Schattenwolfwelpen" leben in einem über 800 Hektar großen, abgezäunten Gelände, wo sie von einem zehnköpfigen Pflegerteam betreut werden. Das Gelände befindet sich im Norden der USA. Den genauen Ort hält das Unternehmen geheim.

Um die Tiere wiederauferstehen zu lassen, hat das Unternehmen nach eigenen Angaben Erbgut aus Knochenfunden des Schattenwolfs entnommen, aus einem 13.000 Jahre alten Zahn und einem 72.000 Jahre alten Schädel. Die Genomreste wurden sequenziert und anschließend mit dem Genom heute lebender Caniden verglichen, darunter Wolf, Schakal, Fuchs und Rothund. Auf diese Weise identifizierten die Forscher die genetischen Varianten, die spezifisch sind für den Schattenwolf.

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Anschließend passten sie das Erbgut des – laut Colossal Biosciences – "nächsten lebenden Verwandten" an, des Grauwolfs. Eine direkte Verwandtschaft zwischen Schattenwolf, Aenocyon dirus, und dem heutigen Wolf, Canis lupus, besteht nicht. Ersterer ist nicht der Vorfahr des letzteren. Die Arten Aenocyon und Canis trennten sich bereits vor rund 5,7 Millionen Jahren.

An 20 Stellen wurden 14 Gene modifiziert, um einen Schattenwolf zu erzeugen. Zur Einordnung: Das Genom des Wolfs umfasst rund 19.000 Gene. Die modifizierten Zellkerne wurden dann in entkernte Eizellen eingesetzt, aus denen sich insgesamt 45 Embryonen entwickelten. Diese sollten von Hündinnen ausgetragen werden, was in mindestens drei Fällen erfolgreich war.

Colossal Biosciences feiert das als Wiederkehr eines seit tausenden Jahren ausgestorbenen Tiers. Wissenschaftler bremsen die Euphorie: Romulus, Remus und Khaleesi seien keine Schattenwölfe, sondern ein "Grauwölfe mit Schattenwolf-artigen Merkmalen", sagt der Paläogenetiker Nic Rawlence von der Universität von Otago in Dunedin auf der Südinsel Neuseelands, also Hybride mit Merkmalen, die Colossal Biosciences "für die wichtigen Schattenwolf-ähnlichen Merkmale halten".

Das sieht auch sein Kollege, der Zoologe Philip Seddon, so: "Sie bezeichnen das als die erste Wiederbelebung der Welt. Dafür waren zwar zweifellos einige erstaunliche technische Durchbrüche erforderlich, aber die niedlichen Welpen Romulus, Remus und Khaleesi sind keine Schattenwölfe – sie sind genetisch veränderte graue Wölfe."

Beide Otago-Forscher, die nicht an dem Projekt beteiligt waren, weisen darauf hin, dass sich die Linien von Schattenwolf und Grauwolf schon vor langer Zeit getrennt hätten. Es handele sich um verschiedene unterschiedliche Gattungen, die sich durch mehr als 20 Veränderungen in 14 Genen voneinander unterschieden. Laut Seddon könnte sogar der afrikanische Schakal enger mit dem Schattenwolf verwandt sei als der Grauwolf.

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Die Schattenwölfe sind indes nicht das einzige Wiederbelebungsprojekt von Colossal Biosciences. Es will den Dodo zurückholen und das Wollhaarmammut, den mächtigen, zotteligen Verwandten des Elefanten. Kürzlich präsentierte das Unternehmen Mäuse mit einem besonders dichten Pelz, der durch eingepflanzte Mammut-Gene verursacht worden sein soll. Gegründet wurde Colossal Biosciences von dem Unternehmer Ben Lamm und dem Genetiker George Church, der 2006 das Personal Genome Project initiiert hat.

Rawlence hält die Wiederbelebung für schwierig: "Um wirklich etwas wiederzubeleben, muss man es klonen", sagt er. "Das Problem ist, dass wir ausgestorbene Tiere nicht klonen können, weil die DNA nicht gut genug erhalten ist. Selbst wenn man das Genom sequenziert, kann man die DNA von ausgestorbenen Tieren nicht in ausreichend langen Strängen extrahieren wie von einem lebenden Tier."

Insofern können die übrigen großen Häuser in Westeros beruhigt sein: Der Schattenwolf dürfte einstweilen nicht zurückkehren.

(wpl)