Direkte Genveränderungen an menschlichen Embryonen

Ein chinesisches Forscherteam hat das sogenannte Gene Editing am Menschen erprobt – trotz aller ethischen Bedenken. Allerdings ist das Verfahren noch nicht zuverlässig genug.

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Von
  • Antonio Regalado

Ein chinesisches Forscherteam hat das sogenannte Gene Editing am Menschen erprobt – trotz aller ethischen Bedenken. Allerdings ist das Verfahren noch nicht zuverlässig genug.

Eine 16-köpfige Wissenschaftlergruppe an der Sun Yat-Sen University im chinesischen Guangzhou (Kanton) hat direkte Genveränderungen an menschlichen Embryonen vorgenommen, die aus der In-Vitro-Fertilisation (IVF) stammten. Ziel des Vorhabens war es, zu überprüfen, ob es technisch möglich ist, einen Gendefekt zu korrigieren, der die Bluterbkrankheit Beta-Thalassämie auslöst. Dazu wurde die DNA befruchteter Eizellen mit Hilfe des sogenannten Gene Editing bearbeitet.

Ein im kleinen Journal "Protein & Cell" veröffentlichter Studienbericht erklärt, dass die Methode noch nicht sehr genau ist. In der Genetik hatte es zuvor bereits Zweifel daran gegeben, dass sich das Gene Editing wirklich für menschliche Embryonen eignet.

Die Autoren der Untersuchung, an deren Spitze der Stammzellforscher Junjiu Huang stand, glauben, dass die Genauigkeit des Verfahrens dringend verbessert werden müsse. Erst dann könne man an klinische Anwendungen denken. Schwangerschaften versuchten die Forscher nicht einzuleiten. Aus ethischen Gründen habe man zudem nur an nicht lebensfähigen Embryonen geforscht.

Dieter Egli, Forscher bei der New York Stem Cell Foundation in Manhattan, lobte das Team. "Die Autoren machen einen sehr guten Job, herauszuarbeiten, welche Herausforderungen es noch gibt." Die chinesischen Wissenschaftler sagten selbst, dass "diese Art von Technik noch für keinerlei Anwendungen geeignet ist".

Der Studienbericht kursierte vor Veröffentlichung bereits unter Genforschern und löste Bedenken aus, weil er der Ansicht von Kritikern zufolge zeige, wie nah die medizinische Forschung vor Veränderungen am menschlichen Genpool stehe.

Im März hatte eine Industriegruppe ein Moratorium für Experimente dieser und ähnlicher Art gefordert, über die aus China berichtet worden war. Zur Begründung hieß es, dass die Technik die Tür zur Eugenik aufstoßen könne. Denkbar sei auch, dass nichtmedizinische Eigenschaften von Embryonen, etwa Größe oder Intelligenz des Babys, manipuliert werden könnten. Andere Wissenschaftler forderten ein Treffen hochrangiger Experten, Regulierungsbehörden und Ethiker, um zu diskutieren, ob es doch akzeptable Anwendungen für das Gene Editing beim Menschen gibt.

Das chinesische Team modifizierte laut eigenen Angaben die Gene von mehr als 80 Embryonen mit Hilfe der CRISPR-Cas9-Technik. In manchen Fällen waren sie erfolgreich, in anderen funktionierte der Ansatz nicht oder es kam zu unbeabsichtigten Mutationen. Einige der Embryonen zeigten einen Mosaikeffekt, bei dem manche Zellen die reparierten Gene enthielten und manche nicht.

Eltern, die Träger von Beta-Thalassämie sind, können schon jetzt wählen, IVF-Embryonen testen zu lassen, um diejenigen für die Schwangerschaft auszusuchen, die die Mutation nicht besitzen. Das Gene Editing würde aber noch deutlich weitergehen und direkte Keimbahn-Veränderungen erlauben. Dabei wird das Gen im Embryo, der Eizelle oder dem Sperma auf Dauer repariert, so dass weder das sich entwickelnde Baby noch dessen Nachkommen die Krankheit bekommen.

Über diese Idee wird heftig diskutiert. Auf der einen Seite stehen die, die glauben, der menschliche Genpool sei unantastbar und dürfe niemals gentechnisch verändert werden, selbst aus medizinischen Gründen nicht. Auf der anderen Seite gibt es Forscher, die glauben, die Keimbahn-Veränderungen könnten eines Tages nützlich sein, was weitere Experimente bedinge. "Man kann das nicht abtun", meint etwa Egli, "es ist sehr interessant".

Die Experimente des Teams aus Guangzhou erfolgten an Eizellen, die in einer IVF-Klinik befruchtet worden waren. Sie wurden nicht weiter verwendet, weil sie von zwei Spermien befruchtet worden und daher nicht lebensfähig gewesen wären. "Ethische Gründe verbieten Experimente mit dem Gene Editing bei normalen Embryonen", so die Forscher.

Embryonen mit solchen Fehlbildungen stehen in den USA als auch in China Forschern in größerer Zahl zur Verfügung. Mindestens ein Genforschungszentrum in den USA nutzt CRISPR bereits jetzt bei solchen Embryonen, die ebenfalls aus IVF-Kliniken stammen. Öffentlich zu erkennen geben will sich diese Einrichtung aber nicht.

Die CRISPR-Methode nutzt den DNA-Reparaturmechanismus einer Zelle, um Gene zu korrigieren. Dabei wird ein Protein an eine bestimmte Stelle des DNA-Moleküls geleitet, die daraufhin aufgeschnitten wird. Wird dann ein DNA-Reparaturmuster geliefert – in diesem Fall die korrekte Version des Beta-Globin-Gens – repariert sich die DNA mit der gesunden Sequenz selbst.

Zu den Problemen, die bei den chinesischen Forschern auftraten, gehörte, dass die Embryo-DNA das vorgegebene Muster manchmal ignorierte und sich stattdessen mit ähnlichen Genen aus dem eigenen Genom reparierte. "Das führte zu unpassenden Mutationen", so die Forscher.

Huang sagte gegenüber "Nature News", man habe die Untersuchungen beendet, nachdem es zu so schlechten Ergebnissen kam. "Wenn man das Verfahren bei normalen Embryonen anwenden will, muss man nahe an 100 Prozent sein." Deshalb habe man aufgehört. "Wir denken, die Methode ist noch zu unausgereift."

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