Geplante Massenspeicherung der Gesundheitsdaten: Widerspruch ist zwecklos

Seite 2: Zugriff über staatlich organisierte Datenregister

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Auf diese Weise soll also etwa in Deutschland das geplante Bundesregister damit befüllt werden?

Vermutlich. Jedenfalls wird es eine Art Register von Verarbeitungsorten geben, in dem Metadaten vorhanden sind, welche Daten vorhanden sind und das wird dann veröffentlicht. Und bei länderübergreifenden Fallkonstellationen gibt es dann natürlich auch noch eine länderübergreifende Plattformen, wobei der Zugriff über nationale Kontaktstellen organisiert wird. Forschende können dann bei den nationalen Zugangsstellen einen Antrag stellen. Dieser wird auf ein berechtigtes Interesse überprüft. Wenn das der Fall ist, fragen sie bei den Dateninhabern an, die über die gewünschten Daten verfügen. Diese Dateninhaber sind dann verpflichtet, die Daten der Zugangstelle als Klardaten zur Verfügung zu stellen.

Nicht pseudonymisiert, sondern personenbezogen?

Das heißt: der Datensatz mit den Informationen "Thomas Petri, geboren am …, Krebsdaten" wird dann an die Zugangsstelle übermittelt. Diese entscheidet ausgehend von dem Antrag, ob der Antragsteller anonymisierte Daten oder pseudonymisierte Krankheitsverläufe braucht. Dabei ist es in der datenschutzrechtlichen Debatte alles andere als klar, ob es überhaupt möglich ist, genetische Daten oder bestimmtes bildgebendes Material zu anonymisieren.

Können Sie genauer erklären, was unklar ist?

Das ist eine Art Hase-und-Igel-Spiel: Mal hat der De-Anonymisierer die Vorhand, mal ist es der Verarbeiter, der dann versucht, das beispielsweise mit Verrauschungsmethoden wieder hinzubiegen. Im Zweifelsfall werden diese Daten pseudonymisiert zur Verfügung gestellt. In der Regel gibt es da Anträge, die für offene Nutzungen von bis zu fünf Jahren gehen, die dann noch mal um weitere fünf Jahre auf maximal zehn Jahre verlängert werden können. Möglicherweise ist eine kleine Gebühr bezahlen.

Wie sieht es aus mit den Rechten der Patienten?

Im Prinzip ist es die Idee, dass man möglichst viel Datennutzung ermöglicht, um Wertschöpfung zu betreiben. Dementsprechend hat der Patient, der Versicherte, der Krebsregister-Registrierte nach dem Kommissionsentwurf kein Recht, diesen Datentransfers vom Dateninhaber zur nationalen Zugangsstelle oder von der Zugangsstelle zum Datenantrag-Nutzer zu unterbinden. Es ist kein Widerspruch vorgesehen.

Widerspruch ist zwecklos, weil er nicht vorgesehen ist? Was ist mit der DSGVO, die angeblich in Einklang gebracht werden soll?

Wenn Sie gesetzlich eine Verarbeitungsbefugnis schaffen, die als Übermittlungsflicht ausgestaltet ist, dann ist es nach der Datenschutzgrundverordnung so, dass Sie überhaupt keine Möglichkeit haben, das anzugreifen. Denn die Widerspruchsmöglichkeit, die der Artikel 21 nur für besonders gelagerte Einzelfälle vorsieht, entfällt bei Verarbeitungspflichten nach Artikel 6, Absatz 1, Buchstabe c. Sie haben nur dann ein Recht auf Widerspruch, wenn eine Verarbeitung auf Basis eines berechtigten Interesses nach Interessenabwägung erfolgt oder zur Aufgabenerfüllung bei öffentlichem Interesse – aber auch nur dann, wenn ein Ermessensspielraum besteht. Wenn nicht, sind wir wieder bei der Verarbeitungspflicht. Damit sind die Betroffenen, was die Gestaltung der Verarbeitungsprozesse anbelangt, völlig außen vor. Es gibt keine Möglichkeit, zu intervenieren.

Ist die Diskussion im Europäischen Datenschutzausschuss angekommen?

Er hat eine Stellungnahme dazu verabschiedet. Er hat eine engere Zweckbeschreibung angemahnt. Er hat darauf aufmerksam gemacht, dass das Problem des internationalen Datentransfers unbefriedigend gelöst ist. Er befürchtet, dass diese Daten auch die EU-Außengrenzen überschreiten werden. Das ist eine naheliegende Befürchtung, meine ich. Aber den Kernpunkt hat er unangetastet gelassen, nämlich dass die Betroffenen im Bereich der Sekundärnutzung kein Gestaltungsrecht haben. Das hat er nicht kritisiert.

In der Petersberger Erklärung hat die Datenschutzkonferenz von Bund und Ländern aber doch diese Mitwirkungsrechte eingefordert. Wo steht die Debatte jetzt?

Wir sind jetzt so weit, dass das Europäische Parlament und der Rat sich mit dem Vorschlag der Kommission befassen. Und da wird die Frage diskutiert, in welchem Umfang es geboten ist, den Betroffenenrechte auch im Bereich der Sekundärnutzung zu installieren. Aber da gibt es noch keine offiziellen Entwürfe. Im März ist ein erster Entwurf der Berichterstatter im Parlament zu erwarten. Parallel läuft auch die Diskussion im Rat. Dem Vernehmen nach wird da die Frage der Gestaltungsrechte als Widerspruchsrecht wohl auch ventiliert.