Geschmeidig bis brachial

Zero ist der Tesla unter den Motorrädern. Das neueste Modell, die Zero SR/S, hat 82 Kilowatt (111 PS) Spitzenleistung und ein Drehmoment von 190 Newtonmetern.

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Geschmeidig bis brachial

(Bild: Zero)

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Schon 2006 gründete der ehemalige Nasa-Ingenieur Neal Saiki in einer kalifornischen Garage das Unternehmen Zero Motorcycles. Es ist zwar nicht der einzige Hersteller von E-Bikes, war aber wie Tesla der erste, der ausschließlich auf alltagstaugliche elektrische Antriebe setzte. Kein anderer Hersteller hat eine so große Vielfalt an Modellen.

2010 kam die erste Maschine auf den Markt. Die SR/S ist das neue Topmodell. Es wurde erst Anfang des Jahres vorgestellt und ist die verkleidete Schwester der SR/F. Die Verkleidung spart laut Hersteller bis zu 13 Prozent Energie, wenn sich der Fahrer hinter das Windschild kauert. Ansonsten bietet die SR/S eine bequeme, aufrechte Sitzposition, die eher einem Tourer als einem Sportler entspricht. Dazu passt das entspannte Fahren ohne Kuppeln und Schalten sowie ein serienmäßiger Tempomat, der bisher nur bei großen Tourern zu finden war und dafür sorgt, dass man die rechte Hand auch mal loslassen kann.

Beim Start stellt sich erst mal Ernüchterung ein: Schlappe 138 Kilometer Reichweite zeigt das Digitalinstrument an – trotz vollem Akku. Auf den ersten Metern durch die Stadt wächst die prognostizierte Reichweite dann aber von Minute zu Minute – sie berechnet sich aus dem Energieverbrauch der letzten Strecken. Der Vorgänger muss also ziemlich beherzt gefahren sein.

Im Eco-Modus hat die Zero 16 Prozent Drehmoment und 100 Prozent Rekuperation, bremst also schon beim Zurückdrehen des Gasgriffs stark und gewinnt dabei Energie zurück. So braucht man kaum zur Bremse zu greifen.

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Im Street-Modus mit 72 Prozent Drehmoment und nur noch 43 Prozent Rekuperation geht es schon deutlich flotter zur Sache. Dazu kommt ein sanftes Gleiten ohne Lastwechselreaktionen, was sehr gut zum lautlosen elektrischen Fahren passt. Dafür sorgt auch der weitgehend spielfreie Zahnriemenantrieb. So lassen sich auch enge Kurven im Schneckentempo fahren.

Per App lässt sich auch ein eigener Modus kreieren und per Bluetooth ans Motorrad übertragen. Eleganter wäre es allerdings, die Rekuperation direkt am Motorrad einstellen zu können – so wie es bei der Traktionskontrolle schon geht.

Die von uns getestete Premium-Variante für 23740 Euro lädt an Typ-2-Säulen mit 6 kW, ausreichend für eine volle Ladung in etwa 2,5 Stunden. Dafür muss man allerdings eine Ladesäule mit Kabel finden, denn ein eigenes Kabel hat die Zero nicht an Bord. Man sollte sich also genau informieren, wo man Strom bekommt. Die eigene Zero-App ist da keine große Hilfe – sie übergibt lediglich den Suchstring „ev charging“ an Google Maps. Das ist ziemlich billig gemacht. Mit der App „Chargemap“ wird man aber schnell fündig.

Ein Kabel für Schuko-Steckdosen liefert Zero dagegen mit. Dafür darf die Leitung aber keine allzu großen Widerstände durch schlechte Kontakte haben, sonst meldet die Maschine „Pilotsignal ungültig“. Das Handbuch empfiehlt, es zwei Minuten später noch einmal zu probieren. Am Ende klappte es bei uns noch mit einer Ladeleistung von 1,2 Kilowatt. An besseren Leitungen konnten wir mit bis zu 2,8 Kilowatt laden.

Im Sportmodus gibt die SR/S alles: 82 Kilowatt (111 PS) und 190 Newtonmeter. Damit geht es in brachialen drei Sekunden auf 100. Bei 200 ist Schluss. Das Ganze fühlt sich an wie horizontales Bungeespringen: ein Höllenspaß, aber schnell vorbei. Man ist nie weiter als eine viertel Handgelenkumdrehung vom Führerscheinverlust entfernt.

Beschleunigt man im Sportmodus kräftig aus der Kurve, kann das Heck schon mal leichtfüßig und zappelig werden. Ohne die sehr gute Traktionskontrolle endeten solche Manöver wohl oft im Straßengraben. Bei solch kräftiger Beschleunigung ist die Zero auch nicht mehr wirklich leise. Sie klingt eher wie eine Turbine oder ein futuristisches Surren bis Kreischen.

Nach rund 250 Kilometern, überwiegend auf Landstraßen, zeigt das Display einen Durchschnittsverbrauch von 7,4 Kilowattstunden pro hundert Kilometer an, was bei einer nominellen Akku-Kapazität von 12,6 Kilowattstunden rechnerisch einer Reichweite von 170 Kilometern entspricht. Im Stadtverkehr schafft man auch locker 250 Kilometer. Bei Tempo 200 sind es dagegen eher 50, was in der Praxis aber kein allzu großes Problem sein dürfte.

Von den etablierten Herstellern haben nur KTM und Harley-Davidson elektrische Maschinen im Angebot. Dass der Markt größer wird, zeigt die jüngste Lieferung von acht Zero-Motorrädern an die Polizeidirektion Hannover. Sie sollen dort eingesetzt werden, wo Lärm und Abgase stören, etwa bei Staatsbesuchen. Auch in der aktuellen Diskussion um ein Sonntagsfahrverbot und strengere Lärmgrenzwerte für Motorräder könnten E-Bikes die Lösung sein.

Die Zero SR/S schafft es wie kaum ein anderes Motorrad, so unterschiedliche Bedürfnisse wie Heizen und Cruisen gleichzeitig zu bedienen – ohne dabei Umwelt und Anwohner über Gebühr zu belasten.

Produkt: SR/S
Hersteller: Zero
Preis: 23800 Euro

(bsc)