Googles Quantencomputer rechnet mit 53 Qubits

Als Meilenstein bezeichen Google-Forscher den von ihnen entwickelten Quantenprozessor. Ein offzielles Paper wurde aber zunächst wieder zurückgezogen.

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Googles Quantencomputer rechnet mit 53 Qubits

(Bild: Google / NASA)

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Ein Forscherteam von Google unter der Leitung von John Martinis soll zum ersten Mal die Überlegenheit von Quantencomputern, die sogenannte "Quantum Supremacy", demonstriert haben, das geht aus einem Bericht der "Financial Times" hervor. Die Überlegenheit bezieht sich darauf, dass Quantencomputer Probleme lösen können sollen, die selbst für die leistungsfähigsten herkömmlichen Supercomputer nicht zu bewältigen sind. Die "Financial Times" bezieht sich auf einen Artikel, der zunächst auf der NASA-Website veröffentlicht wurde. Die Publikation wurde dann allerdings wieder entfernt. Eine Stellungnahme von Google gegenüber der US-Ausgabe MIT Technology Review steht bisher noch aus.

Google hatte im vergangenen Jahr eine Vereinbarung getroffen, Supercomputer, die der NASA zur Verfügung stehen, als Benchmark für ihre Experimente zur Quanten-Souveränität zu verwenden. Laut Financial Times-Bericht beschrieb der kurzzeitig veröffentlichte Artikel, dass Googles "Sycamore" genannter Quantenprozessor eine Berechnung in drei Minuten und 20 Sekunden durchführen konnte, die mit dem modernsten Supercomputer, der sogenannte "Summit", um die 10.000 Jahre dauern würde. Eine reine Textfassung des Artikels, die auf der Website Pastebin anonym gepostet wurde, präzisiert, dass der Prozessor über 54 Qubits – 53 davon waren funktionsfähig – verfügt.

Quantenmaschinen sind so leistungsstark, weil sie Quantenbits oder Qubits nutzen. Im Gegensatz zu klassischen Bits, die entweder eine 1 oder eine 0 sind, können Qubits in einer Art Kombination beides gleichzeitig sein. Aufgrund anderer Quantenphänomene können Quantencomputer große Datenmengen parallel verarbeiten, die herkömmliche Maschinen nacheinander durcharbeiten müssen. Seit Jahren arbeiten Wissenschaftler an dem Beweis, dass diese Maschinen die herkömmlichen Maschinen definitiv übertreffen können.

Das geleakte Google-Paper, das nun die Quantum Supremacy belegt, hält Frank Wilhelm-Mauch, Professor für Quanten- und Festkörpertheorie an der Universität des Saarlandes und Koordinators des OpenSuperQ-Projekts, für konsistent: "Das entspricht der bisherigen Forschungsrichtung dieser Abteilung und deckt sich mit einem Vortrag, der noch im Juni dieses Jahres auf der Adiabatic Quantum Computing Conference 2019 in Innsbruck gehalten worden ist." Die Grundlage bilden die in Sycamore in diesem Jahr neu konzipierten Zwei-Qubit-Gatter, die gegenüber der Technologie auf Googles 72-Qubit-Chip Bristlecone eine deutlich verringerte Fehlerrate aufweisen.

Die genutzte Anwendung selbst gilt als höchst akademisch, zugeschnitten auf die Stärken eines Quantencomputers. Die Google-Forscher simulierten ein Quantenchaos auf dem dann ein in gewisser Weise zufälliger Algorithmus abläuft. Die Ausgabeergebnisse sind so komplex, dass man keine Abkürzung des Rechenweges auf einem klassischen Computer finden kann. "Der nun verwendete Algorithmus mit 53 Qubits ist so hart, dass man tatsächlich einen Supercomputer mit 2 hoch 53 Fließkommazahlen großem Register nutzen müsste, um den zu simulieren", überschlägt Wilhelm-Mauch. "Das was Google da gemacht hat, hat wirklich Hand und Fuß."

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Welche Tragweite dieser – noch nicht bestätigte Vorstoß – auf dem Gebiet der Quantencomputer hat, verdeutlicht die Einschätzung von Will Oliver, MIT-Professor und Quantenspezialist, auf der EmTech-Konferenz von MIT Technology Review in Cambridge, Massachusetts, in der vergangenen Woche: Er verglich das Computer-Experiment mit dem Erstflug der Gebrüder Wright bei Kitty Hawk in der Luftfahrt. Er geht von zusätzlichen Impulsen für die Forschung auf diesem Gebiet aus, die dazu beitragen sollten, dass Quantenmaschinen ihr Versprechen schneller erfüllen. Ihre immense Rechenleistung könne letztlich Forschern und Unternehmen helfen, beispielsweise neue Medikamente und Materialien zu entdecken, effizientere Lieferketten zu schaffen und die KI aufzubereiten.

Tatsächlich sind Quantencomputer noch weit davon entfernt, für den Mainstream einsatzbereit zu sein. Die Maschinen sind bekanntlich fehleranfällig, denn schon kleinste Temperaturschwankungen oder winzige Vibrationen können den empfindlichen Zustand von Qubits zerstören. Forscher arbeiten an Rechnern, die einfacher zu bauen, zu verwalten und zu skalieren sind, und einige Computer sind jetzt über die Computer-Cloud verfügbar. Aber es könnte noch viele Jahre dauern, bis Quantencomputer, die eine Vielzahl von Problemen lösen können, weit verbreitet sind.

(jle)