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Grundlagen-Technik im Elektroauto: Arten des Drehstrom-Motors

Clemens Gleich
Elektromotor

(Bild: Audi)

Beim Elektroauto wurde die Batterietechnik zum Fahnenträger, wo es bei Verbrennern der Motor war. Wir erklären die Technik, Unterschiede und Feinheiten.

(This article is also available in English [1])

Die durchschnittliche Effizienz eines Verbrennungsmotors im Realbetrieb liegt bei Messungen bei etwa 20 Prozent. 80 Prozent gehen als Abwärme verloren, davon macht sich nur ein kleiner Teil im Winter als Kabinenheizung nützlich. In so einem System zeigen sich Effizienz-Steigerungen eines Elektroautos sehr deutlich. Elektrische Antriebe wandeln die Energie im Speicher zu über 80 Prozent in Vortrieb um. Weil es kaum Abwärme gibt, brauchen Elektroautos im Winter folglich Heizenergie aus der Batterie. Dazu kommen rund 10 Prozent Ladeverluste. Diese erheblichen Unterschiede der Technik sind die Ursache der Unterschiede im erlebten Verbrauchsverhalten. Der E-Motor existiert länger als der Hubkolbenmotor. Trotz seiner längen Geschichte gab es in der jüngsten Zeit neue konstruktive Ideen speziell für den Einsatz in Fahrzeugen.

Die E-Motoren selbst wandeln zu 90 bis über 95 Prozent elektrische in kinetische Energie um, am Motor geht also generell nur noch wenig verloren. Bei der Effizienz des Gesamtautos spielen sehr viele kleine Stellrädchen hinein, die komplex voneinander abhängen. Wenn also gleich Effizienzen von Motoren diskutiert werden, behalten Sie im Kopf, dass die eben auch nur solche Rädchen sind, und dass der letztendliche Stromverbrauch mehr als vom Motor von Batterie, Umrichter, Reifen und vor allem Anderen von der Aerodynamik abhängt. Eine effiziente Motorbauart kann problemlos ineffizient angesteuert werden, und es gibt gute Gründe, weniger effiziente Bauarten trotzdem zu bauen.

Herr Berghammer zeigt das Kombi-Gehäuse des BMW-Antriebs, wie es aus dem Injektor-Sandguss des Werks Landshut kommt. Es enthält später Motor, Umrichter und Getriebe.

(Bild: BMW)

Elektromotoren sind im Vergleich zu Hubkolbenmotoren sehr kompakt, sehr leistungsdicht. Ihr vergleichsweise geringes Volumen bei überschaubarer Abwärmeabgabe macht es möglich, sie nahe an die Achsen zu packen und dort mit anderen Bauteilen zu integrieren. Das heißt dann "integrierte E-Achse" und enthält mindestens Motor, Umrichter und Getriebe – eine beliebte Lösung bei Autoherstellern ebenso wie bei Zulieferern wie Bosch oder Schaeffler. Manchmal kommt noch ein Achsdifferenzial dazu (zum Beispiel bei ZF). Durch ihre enormen Packaging-Vorteile brachten E-Motoren außer der allseits bekannten Effizienz einen weiteren Vorteil, den nicht alle zu schätzen wissen, der aber dennoch allen nutzt: die Rückkehr des Hinterradantriebs in den Mainstream.

Schematisch: Motoren an den Achsen des BMW iX. Ein Kardantunnel mit Verteilergetriebe an einem Hubkolbenmotor bräuchte deutlich mehr Platz.

(Bild: BMW)

Bei einem Auto die Hinterachse anzutreiben, hat enorme Vorteile bei Lenkung, Fahrdynamik und damit Fahrsicherheit. Der Frontantrieb war immer nur ein Zugeständnis an Nutzwertigkeit, weil die Bauart "Lastesel vorn – Lastenraum hinten" hohe Ladefreiheit bietet. Wer die Ladehöhe mancher Kombis mit Hinterradantrieb im Vergleich zu Lastesel-Konkurrenten kennt, weiß das genau. Beim E-Auto braucht die Batterie aber ohnehin Raum im Unterbau, was die Vorteile des Frontantriebs mindert. Statt das Drehmoment eines Motors auf vier Räder zu verteilen, erlaubt der Elektromotor zudem, an jede Achse einen eigenen Motor zu bauen. Ein paar besonders kräftige Autos wie der Audi e-tron GT oder Teslas Model S Plaid verwenden sogar drei Motoren, zwei davon an der Hinterachse zum Verteilen des Drehmoments - auch bekannt als Torque Vectoring.

Elektromotoren arbeiten mit Spulen, die (so mit Strom versorgt) ein magnetisches Feld aufbauen. Dieses magnetische Feld im "Stator" (weil er relativ zum Fahrzeug steht) bewegt einen davon beeinflussten "Rotor" (weil er relativ zum Fahrzeug rotiert). Der Rotor liegt meistens innen, kann aber bei platten, breiten Bauformen wie etwa Radnabenmotoren genauso außen liegen. Es gibt elektrisch verschiedene Arten, Elektromotoren zu bauen, im E-Auto kommen jedoch heute nur noch Drehstrom-Motoren zum Einsatz.

Stator des Taycan-Motors. Im Spiegel: die Kühlkanäle des Wassermantels

(Bild: Porsche)

"Drehstrom" bedeutet: Wechselstrom auf drei Phasen, mit jeweils um 120 Grad versetzten Spannungsamplituden. Drehstrom kennen Sie vielleicht aus der Haustechnik: drei Phasen mit 230 V gegen Neutralleiter (oder mit 400 V gegeneinander), jeweils um 120 Grad phasenverschoben zueinander, so schließt man in Deutschland Häuser ans Niederspannungsnetz an. Für eine gleichmäßige Drehmomentabgabe im Motorbetrieb werden die Phasen auf Spulen in Vielfachen von drei aufgeteilt und der Rotor in seinen Magnetisierungseigenschaften entsprechend angepasst. Im Motor des Mini Cooper SE etwa rollt die Einziehmaschine 18 Spulen, auf die die drei Phasen verteilt werden.

Eine hohe Leistungsdichte wird erreicht, indem die Spulen möglichst dicht gewickelt werden, ohne sich kreuzende Drähte. Diese "Nutfüllung" soll hoch sein, weil sie das Leistungsverhalten des Motors bestimmt. Deshalb verwenden z. B. Porsche, BMW und Hyundai rechteckige Spulendrähte, was den Füllgrad von 45 bis 50 Prozent bei herkömmlicher Wicklung auf fast 70 Prozent steigert. Mit einem hohen Nutfüllungsgrad kann der Motor zudem Wärme besser ableiten.

Im Motor des Porsche Taycan sorgen rechteckige Spulendrähte für dichtere Nutfüllungen.

(Bild: Porsche)

Der am weitesten verbreitete Motor in Elektroautos ist der "permanent erregte Synchronmotor" (PSM). "Permanent erregt" bedeutet schlicht, dass der Rotor ein permanentes Magnetfeld dreht. Er besteht also aus Dauermagneten. PSM zeichnen sich durch hohe Leistungsdichte und Effizienz aus, deshalb verwenden zum Beispiel Formel-E-Teams [2] diese Bauart. Üblicherweise werden zum Bau des Rotors viele kleine starke Magneten in einen feldführenden Weicheisenblech-Stack gesteckt, der auf eine Antriebswelle aus Stahl gepresst wird.

Nachteile: Ein Dauermagnet lässt sich nicht abschalten, also induziert er bei Drehung immer eine Spannung in den Spulen des Stators, die im Fehlerfall (etwa beim Abschleppen mit toter Steuerungselektronik) Probleme machen können. Außerdem bestehen die starken Dauermagneten aus Neodym-Eisen-Bor. China dominiert den Neodym-Weltmarkt mit 95 Prozent, und baut zudem die Magnete am liebsten selbst.

BMWs fremderregter Synchronmotor, wie er in iX, iX3 und i4 zum Einsatz kommt. Beachten Sie die Stromversorgung des Rotors!

(Bild: BMW)

Dieser Abhängigkeit sind sich viele Hersteller bewusst und bieten daher "fremderregte" Synchronmotoren an. Dabei wird der Dauermagnet durch einen Elektromagneten ersetzt, also durch Spulen mit Weicheisenkern. Die Stromversorgung der Rotorspulen geschieht entweder durch Schleifkontakte oder induktiv. Gute Konstruktionen verlieren gegenüber Varianten mit Dauermagneten nur ein bis zwei Prozent Effizienz. Zum Vorteil der höheren Rohstoff-Unabhängigkeit kommt, dass die Motorsteuerung die Feldstärke des Rotors per Stromzufuhr dosieren kann, wodurch diese Motorbauform sehr gut regelbar wird (und weniger Probleme mit dem Abschleppen verursacht). Nachteile: Der zusätzliche Bauaufwand für die Fremderregung macht den Motor komplexer und Schleifer sind Verschleißteile.

Das "synchron" des PSM wiederum betrifft das Magnetfeld im Stator in Relation zur Drehzahl des Läufers. Diese beiden Drehraten laufen (bei konstanter Last) zueinander synchron. Die Fahrwiderstände, die der Motor überwindet, führen zu einem Winkel, den der Läufer dem führenden Magnetfeld nacheilt. Dieser "Lastwinkel" oder "Polradwinkel" darf nicht zu groß werden, sonst reißt die synchrone Führung ab, der Motor "kippt" (liefert also kein Drehmoment mehr). Bei einem sehr einfachen Motor mit nur einem magnetischen Polpaar passiert das bei einem mechanischen Lastwinkel mehr als 90 Grad, bei üblicheren Ausführungen in Autos hängt der (mechanische) Winkel von der Anzahl der Polpaare ab. Im Generatorbetrieb dann ist es umgekehrt: Der Läufer eilt seinem im Stator induzierten Spannungsmuster um einen Lastwinkel voraus, der mit den Widerständen der Leistungserzeugung korreliert.

Die Leistung eines Synchronmotors hängt direkt vom Lastwinkel ab: je größer der Sinus des Lastwinkels, umso mehr Drehmoment, das per jeweils durch Einganggetriebe und Momentangeschwindigkeit vorgegebener Drehzahl die Leistung bestimmt. Soll ein PSM frei mitlaufen, muss die Steuerung das Feld synchron zur Läuferdrehzahl mit Null Strom führen. Das erfordert eine feinfühlige Steuerung. Ein fremderregter Antrieb kann hier einfach die Erregerwicklung abschalten: das Magnetfeld kollabiert, der Rotor induziert keine Spannung mehr im Stator.

PSM-Motor von Volkswagen, wie er an der Hinterachse des ID.5 GTX zum Einsatz kommt.

(Bild: Volkswagen)

Die Drehzahl eines PSM wird über die Frequenz (und Spannung) des angelegten Wechselstroms bestimmt. Dass der Umrichter aus dem Gleichstrom der Batterie Wechselstrom für die Motoren macht, wissen die meisten E-Auto-Interessierten. Man bräuchte ihn jedoch selbst bei einer Wechselstromquelle, wenn man a) den variablen Drehzahlbereich eines Autos will statt nur eine fixe Drehzahl wie in vielen Stationärbetriebsanwendungen und b) wenn man von Drehzahl Null aus losfahren will, weil eine Wechselstromquelle ja üblicherweise nur eine konstante Frequenz liefert. Das deutsche Stromnetz etwa liefert (mit minimalen Abweichungen) 50 Hz. Damit läuft ein einfacher Drehstrom-Synchronmotor mit einem Polpaar erst einmal 3000/min und braucht trotzdem eine Anlaufvorrichtung. Ein Automotor an den üblichen Eingang- oder seltenen Zweiganggetrieben muss aber einen Bereich von 0 bis über 10.000/min bei fein dosierbarer Drehmomentabgabe abdecken. Der Umrichter und seine Ansteuerung sind also die zentralen Bauteile für die Qualität des Motorlaufs, nicht nur in PSM-Antrieben.

Asynchronmotoren (ASM) in Elektroautos werden ebenfalls zusammen mit Umrichtern verbaut, die variable Wechselstrom-Frequenzen liefern. Wie beim Synchronmotor ist der Name Programm: Das umlaufende Magnetfeld aus dem Stator und der Rotor laufen mit unterschiedlichen Drehzahlen, also "asynchron", mit "Schlupf". Bis zu einem gewissen Grad entscheidet der Schlupf über das dadurch aufgebaute Drehmoment. Diese Eigenschaft entsteht dadurch, dass im Asynchronmotor Schleifen aus leitendem Metall laufen.

Asynchronmotor, wie ihn Volkswagen an die Vorderachse z. B. des ID4 baut.

(Bild: Volkswagen)

Die Änderung des magnetischen Flusses aus der Drehzahldifferenz des magnetischen Feldes des Stators gegenüber dem Rotor induziert im Läufer einen Strom, der über die Käfigstäbe kurzgeschlossen fließt. Dieser Strom und sein Magnetfeld interagieren mit jenem des Stators, sodass sich der Rotor dreht. Es gibt Kurzschlussläufer, bei denen der induzierte Strom über den Käfig kurzgeschlossen wird, und es gibt Schleifringläufer, bei denen der Strom über Schleifringe nach außen geführt wird, wo er über Widerstände laufen kann, die sein Laufverhalten beeinflussen.

Zum Verständnis hilft es, sich eine einzelne Schleife im Magnetfeld vorzustellen und dann das verstandene Prinzip auf den Käfig anzuwenden. Eine einzelne Schleife dreht sich noch keine 360°. Erst der Käfig verfeinert das Prinzip dahingehend, dass der Motor flüssig läuft und nicht hängt. Gegen die Gefahr des Hängens werden bei Kurzschlussläufern im Fahrzeugbau meist schräge Stäbe verwendet, was zum Hängen führende Magnetfeld-Resonanzen verhindert. Für den Motorbetrieb steuert der Umrichter das Magnetfeld dem Rotor vorauslaufend an (also schneller als die Rotordrehzahl), für den Generatorbetrieb läuft es dem Rotor hinterher. Bei synchronen Drehzahlen sinkt das Drehmoment auf Null.

Audi kühlte den Asynchronmotor im e-tron recht aufwendig vom Zentrum des Rotors aus.

(Bild: Audi)

ASM sind sehr robust, kommen ohne teure Dauermagneten aus und laufen frei leer, wenn sie stromlos geschaltet werden. Im VW ID.4 und ID.5 GTX etwa realisierte Wolfsburg damit den Antrieb der Vorderachse für das Allradsystem. Beim so einem nur gelegentlichen Zupacken fällt nämlich auch ein Nachteil einer ASM kaum ins Gewicht: Sie sind, vor allem bei niedrigen bis mittleren Drehzahlen, weniger effizient als Synchronmotoren, produzieren also auch mehr Abwärme. Beim e-tron kühlte Audi den Rotor des ASM daher recht aufwendig mit einer Drehdurchführung vom Zentrum aus.

Als Tesla in Model S und X von Asynchron- auf Synchronmotoren umrüstete, stieg die Homologationsreichweite um bis zu 50 km. ASM benötigen zudem als simpelste Bauform sehr hohe Anlaufströme, denen konstruktiv begegnet werden muss, und sie bauen ein Fünftel bis ein Drittel größer als vergleichbare PSM. Aufgrund ihrer anderen Vorteile und des günstigen Preises werden uns ASM in Autos jedoch in Zukunft noch begegnen. In Zukunft könnten wir zudem sogenannte Reluktanzmotoren in Autos sehen.

Dabei entsteht das Drehmoment dadurch, dass sich der magnetische Läufer im jeweils anstehenden Feld immer nach dem Magnetfeld ausrichtet, die geringste namensgebende "Reluktanz" anstrebt. Dabei entsteht Abwärme nur im gut kühlbaren Stator, ein großer Vorteil fürs Auto. Dabei entsteht jedoch leider viel weniger Drehmoment als bei den hier beschriebenen Motorvarianten. Erste Anwendungen in Autos werden also selbst für E-Motoren-Verhältnisse Hochdrehzahlmotoren werden. Sage noch einmal einer, nur Hubkolbenmotoren seien spannend!

(cgl [3])


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[2] https://www.heise.de/meinung/Klartext-Formel-Aeh-Woran-die-Formel-E-krankt-7075859.html
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