Grundwasserstände gehen weltweit rapide zurück

Bisher waren nur Schätzungen anhand von Satellitendaten möglich, eine Studie gibt jetzt einen detaillierten Einblick in die Pegelstände von Grundwassersystemen.

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(Bild: Elizabeth A.Cummings/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Hanns-J. Neubert
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Der große Regen vor der Jahreswende hat die Grundwasserspeicher in Deutschland entlastet. Noch im Oktober 2022 hatte das Recherchenetzwerk "Correctiv" von dem damals dramatisch niedrigen Grundwasserstand berichtet. Der war vielerorts auf das tiefste Niveau seit mehr als 30 Jahren gefallen. Doch 2023 kam dann der ersehnte Regen. In Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen sind die Böden jetzt bis zu einer Tiefe von zwei Metern so nass wie statistisch nur alle zehn Jahre. Auch im Osten Deutschlands steigt der Grundwasserspiegel wieder an, wie der Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) dokumentiert. Dennoch: Die Grundwasserstände erreichen trotz der Regenmengen vielerorts noch immer nicht ihr vieljähriges Normalniveau.

Weit dramatischer sieht es anderswo auf der Erde aus. Überall sinken die Grundwasserpegel. Besonders schnell sind sie seit 2000 gesunken, wie eine Forschungsgruppe um Scott Jasechko von der Universität von Kalifornien in Santa Barbara berechnete. "Dass die Grundwasserpegel weltweit stark gesunken sind, hat uns nicht überrascht, aber dass sich das Tempo in den letzten zwei Jahrzehnten noch beschleunigt hat, hat uns schockiert", sagt Hansjörg Seybold von der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich und Mitautor der Studie.

In einer enormen Fleißarbeit haben Wissenschaftler aus den USA, Saudi Arabien, England und der Schweiz weltweit die Daten von 170.000 Grundwassermessstellen und 1.700 Grundwassersystemen aus den letzten 40 Jahren zusammengetragen und ausgewertet. Sie erfassten damit die Aquifersysteme in den Ländern, auf die etwa 75 Prozent der weltweiten Grundwasserentnahmen entfallen. Aquifer sind wassergesättigte Schichten im Untergrund, Grundwasserleiter dagegen Gesteinsschichten, die Grundwasser leiten können, unabhängig davon, ob sie nass oder trocken sind.

Bisher konnte man die Grundwassermengen der Erde nur mithilfe von Daten der Doppelsatelliten des Gravity Recovery and Climate (GRACE) grob abschätzen. Die Auflösung der gelieferten Karten ist aber zu gering, um lokale Unterschiede und Veränderungen zu erkennen. Immerhin reichten die GRACE-Daten aus, um dort, wo es keine Messdaten gibt, die Auswirkungen des Klimawandels zu beschreiben und festzustellen, dass das Grundwasser in der Tat weltweit zur Mangelware wird.

Die Daten von einzelnen Messstellen und -netzen auf lokaler und regionaler Ebene machten es jetzt erstmals möglich, detailliert die Grundwasserneubildung zu berechnen, die Verringerung des Abflusses von Fließgewässern zu beschreiben und das Risiko der Austrocknung von Brunnen zu bewerten. Dadurch, dass die Forscher auch auf Daten aus den vergangenen vier Dekaden zurückgreifen konnten, gelang es zu prüfen, ob die Umleitung von Oberflächenwasser, der Klimawandel oder auch marktwirtschaftliche und politische Maßnahmen der Grund für die Wasserverluste waren.

Rund 70 Prozent der weltweiten Grundwasserentnahmen werden zur landwirtschaftlichen Bewässerung genutzt. Vor allem in den Trockengebieten pumpen die Menschen dafür schlichtweg zu viel Wasser ab. Beispielsweise für die besonders intensive Landwirtschaft im Central Valley in Kalifornien, aber auch einfach, um mehr Nahrung für eine steigende Bevölkerung zu erzeugen, wie im Iran, dessen Grundwasserreserven in der vergangenen vier Jahrzehnten am stärksten absanken.

Zusätzlich verstärkte der Klimawandel die Wasserkrise. In vielen Gebieten ist es jetzt trockener und heißer, weshalb landwirtschaftliche Kulturen stärker bewässert werden müssen. Fällt zusätzlich noch weniger Niederschlag, erholen sich die vorhandenen Grundwasservorkommen nur sehr langsam oder gar nicht.

"Die Studie hat jedoch auch gute Nachrichten", sagt Co-Autorin Debra Perrone. "In einigen Gebieten haben sich die Aquifere dann erholt, wenn die Politik Maßnahmen ergriffen hat oder wo alternative Wasserquellen entweder zur direkten Nutzung oder zur Regeneration der Grundwasserreserven verwendet werden können."

So baute Spanien eine Pipeline, die Wasser aus den Pyrenäen nach Zentralspanien leitet. Seitdem erholt sich der Arenales Aquifer wieder. In Arizona wird das Wasser des Colorado-Rivers teilweise umgeleitet – allerdings mit der Folge, dass das Biosphärenreservat um die Deltamündung in den Golf von Kalifornien jetzt zeitweise trocken fällt. Im Wassereinzugsgebiet von Bangkok, wo der Grundwasserspiegel bis zum Ende des 20. Jahrhunderts sank, erholt er sich, seit die Regierung Gebühren auf das Abpumpen von Grundwasser einführte und alle Brunnen genehmigt werden müssen.

Gefahr für das Grundwasser droht aber offenbar auch von solarbetriebenen Wasserpumpen, die sich in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen exponentiell ausbreiten. Damit lassen sich die Nahrungsmittelproduktion steigern und die Armut lindern. Auch die CO₂-Emissionen aus den alten Dieselpumpen könnten entfallen, so die Hoffnung.

Doch Erkenntnisse aus der Verhaltenswissenschaft und erste Beweise deuten nach Ansicht einer internationalen Wissenschaftlergruppe, an der auch die Weltbank beteiligt war, darauf hin, dass das Abpumpen von Grundwasser dadurch wahrscheinlich zunehmen wird und die Emissionsreduzierungen geringer als angenommen ausfallen. Denn ein vollständiger Ersatz der Dieselaggregate ist nicht garantiert, so die Autoren.

Landwirte könnten nämlich ihre alte dieselbetriebene Pumpe auch zusammen mit der neuen Solarpumpe weiter nutzen, um noch mehr Wasser aus dem Untergrund zu saugen. Andere zögen es vor, den Diesel zu behalten, der unabhängig von den Wetterbedingungen funktioniert. Denn Akkus, die Strom für sonnenarme Zeiten speichern, sind teuer. Auch könnten sich Flächennutzung, Anbaupflanzenintensität und der Einsatz von Agrochemikalien ändern, was sich auf den Wasserverbrauch genauso auswirkt, wie auf die Treibhausgasemissionen.

Mit besseren Fernerkundungsdaten und mehr Initiativen zur Grundwasserdatenerhebung, so die Autoren beider Studien, könnte sich das bedrohte Grundwasser politisch besser managen lassen.

(jle)