Gut vernetzt: Warum ein Schweizer Wohnbauprojekt auch das Internet teilt
Ein ehemaliges Lagerhaus in der Schweizer Bundesstadt soll nicht nur beim Wohnen Akzente setzen. 100 Haushalte teilen sich auch den Internetanschluss.
Bei der Berner Wohnungsbaugenossenschaft Warmbächli wird vieles geteilt: Neben dem Klassiker, dem Wohnraum, haben sich die Schweizer aber auch gefragt, warum eigentlich jeder seinen eigenen Internetanschluss organisieren muss. Herausgekommen ist nach einigen Überlegungen das Hausnetz, ein gemeinsames WLAN-Netz, das allen Haushalten und Gewerbetreibenden zur Verfügung steht.
Umgesetzt wurde das Wohnvorhaben in einem früheren Lagerhaus, das zu einem sozial und ökologisch nachhaltigen Wohnhaus umgebaut und im Jahr 2021 bezogen wurde. In das Hausnetz wurden rund 100.000 Schweizer Franken investiert.
heise online hat mit Alwin Egger gesprochen. Er ist Leiter der Finanzkommission und Mitglied der Arbeitsgruppe, die das Konzept des Hausnetzes ausgearbeitet hat und dieses betreibt.
Herr Egger, wer ist auf die Idee des gemeinsamen Internetanschlusses gekommen und was waren die BeweggrĂĽnde?
Die Wohnbaugenossenschaft wurde vor 11 Jahren gegrĂĽndet. Einige der Ziele waren:
- Das Teilen von Ressourcen. Hier war vor allem Raum gemeint. Wir haben eine Werkstatt, einen Bewegungsraum, eine Dachküche, Gästezimmer und mehr. Geteilt werden soll aber auch Wissen und Infrastruktur.
- Das Schonen von Natur und Umwelt. Selbstverständlich war dies beim Bau wichtig. Aber auch das Durchbrechen von sinnlos schnellen Erneuerungszyklen bei Hardware gehört hier dazu.
- Die Nachbarschaftshilfe: Die ĂĽber 100 Haushalte werden durch Menschen in jeder Altersgruppe bewohnt. Einander mit Zeit und Wissen zu unterstĂĽtzen hilft nicht nur bei IT Problemen.
Das Hausnetz bringt diese Dinge zusammen: Nicht nur ist dieses auch in den gemeinschaftlichen Räumen verfügbar, sondern wir helfen einander auch beim Aufbau und Betrieb. Zudem muss nicht jede Wohnung eigene Infrastruktur anschaffen und konfigurieren.
Ist der Internetanschluss dadurch fĂĽr die Wohnungsmieter gĂĽnstiger?
GĂĽnstiger ist dies auf jeden Fall. Bei uns kostet das Hausnetz im Monat zwischen 7 und 14 Franken pro Bewohner:in. Wer also bspw. alleine wohnt, bezahlt 14 Fr. DafĂĽr gibt es in der Schweiz keinen Internetanschluss. Nachdem die Anfangsinvestitionen amortisiert sind, wird der Zugang sogar noch gĂĽnstiger werden.
Wie muss man sich das Hausnetz genau vorstellen? Der Internetanschluss erfolgt per Glasfaser: Mit welcher Bandbreite? Und wie werden die Daten im Haus weiter verteilt? Haben Sie auch Redundanzen im Falle eines Ausfalls?
Das Haus ist gegenwärtig mit 10 Gbit/s bei Init7 angebunden. Falls notwendig, können wir jederzeit auf 25 Gbit/s erhöhen. Die Switches im Keller der beiden Häuser verbinden jede Wohnung mit mind. 1 Gbit. Die Verteilung im Haus nutzt die eh schon eingebaute Glasfaser. In der Schweiz ist eine Glasfaser-Verkabelung mit 4 Fasern für jede Wohnung vorgesehen. Faser 1 und 2 werden in die Zentralen der lokal ausführenden Telkos geführt. Faser 3 und 4 sind in der Regel nicht gepatcht. Wir nutzen die 3. Faser und haben diese im Keller auf unser Patchpanel gelegt.
In den Wohnungen werden die WLAN-Access Points dann mit Media-Konvertern angesteuert resp. falls gewünscht, können mittels eines kleinen Switches ebenfalls Geräte per Ethernet-Kabel angeschlossen werden.
Gegenwärtig haben wir mit einem 5G-Modem etwas Redundanz eingebaut. Mit der Integration eines weiteren Gebäudes der Siedlung hätten wir nun die Möglichkeit unser Netz mit einem zweiten Anschluss bei einem anderen Provider über eine unterschiedliche Anschlussleitung abzusichern.
Und wie steht es um Vielnutzer: Gibt es Vorkehrungen, damit nicht einzelne das ganze Hausnetz fĂĽr sich beanspruchen?
Gegenwärtig gibt es keine Vorkehrungen und wir denken auch nicht, dass dies notwendig sein wird. Der Init7 Anschluss liefert die 25 Gbit auch tatsächlich. Wer also viel Bandbreite benötigt, kann diese auch nutzen.
Wie steht es um Haftungsfragen und Sicherheit? Schließlich hängen ja alle in einem Netz.
Jede Wohnung verfügt über ein eigenes VLAN. Der Netzwerkverkehr wird somit schon auf dem Level der Switches gefiltert. Mittels eigenem WPA-Business Zugang und einem RADIUS-Server werden alle Teilnehmenden automatisch dem entsprechenden VLAN zugeordnet. Im Fall eines Missbrauchs wären Geräte ebenfalls rückverfolgbar und können den Wohnungen zugeordnet werden.
Das klingt nach einem Projekt mit Vorbildcharakter. Findet das Modell des Hausnetzes bereits Nachahmer?
Das Interesse ist da. Wohnbaugenossenschaften und Hausvereine interessieren sich für unser Modell, einige planen bereits eine gleiches oder ähnliches Setup. Ein weiteres Gebäude unserer Siedlung haben wir auch direkt an unser Netz angeschlossen.
(mki)