HTML5, Video und Google TV im Fokus der I/O-Konferenz

Seite 2: Android 2.2 & Google TV

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Am zweiten Tag drehte sich alles um Android. Google sieht sich auf Platz 2 der neu verkauften Smartphones hinter RIM, vor Apple, und auf Platz 1 bei der Nutzung des mobilen Internets. Die Hardware-Hersteller bieten aktuell rund 60 Android-Geräte an. Pro Tag werden circa 100.000 neue Android-Handys aktiviert. Mit der kostenlosen Turn-by-turn-Navigation sind die Anwender über eine Milliarden Meilen durch die USA gefahren. Der Android Market verfügt mittlerweile über 50.000 Applikationen. Alles in allem ein voller Erfolg für Google.

Fast nebenbei kündigte Google die Version 2.2 von Android mit einer Vielzahl neuer Funktionen an. Die Java-VM Dalvik erhält jetzt einen Just-in-time-Compiler. Für Enterprise-Anwender sind allein gut 20 neue Funktionen mit an Bord. Jedes Gerät lässt sich als portabler Hotspot verwenden, indem es die Internetverbindung per WLAN an weitere Geräte weiterreicht. Gerade das dürfte das Herz der Anwender höher schlagen lassen: nur noch ein Datenvertrag, nicht mehr ein neuer für jedes Gerät. Die Netzbetreiber wird es ärgern, aber Google stellt sich hier auf die Seite der Anwender. Ob die Netzbetreiber die Funktion in ihren Android-Builds freischalten, wird sich jedoch zeigen.

Eric Schmidt präsentiert Googles neuestes Kind.

Das Highlight der Konferenz war die Präsentation von Google TV. Statistisch sitzen die Amerikaner fünf Stunden pro Tag "vor der Glotze". Was liegt da näher, als auch dort die Google-Produkte unterzubringen. Google TV besteht im Wesentlichen aus einer (eingebauten oder separaten) Set-Top-Box. Die Hardware umfasst Anschlüsse für diverse AV-Quellen und einen schnellen Prozessor mit Grafikchip für die Darstellung von HD-Video. Die Software besteht aus einem Stack aus Android OS und Chrome als Web-Browser, mit VP8 als Video-Codec und dem Flash Player. Google will die gesamte Plattform im kommenden Jahr unter einer Open-Source-Lizenz veröffentlichen.

Breiter Industrie-Support für Google TV

Google hat für Google TV namhafte Partner gewonnen, deren CEOs Google-Chef Eric Schmidt zu einer Talk-Runde auf die Bühne bat. So liefen nacheinander die CEOs von Intel, Sony, Adobe, Logitech, DISH und BestBuy ein und priesen das neue Projekt an. Erste Geräte sollen Ende 2010 zu haben sein.

Von der Technik her ist an Google TV nichts Innovatives. Jedes Teil ist bekannt: Android, Chrome, Set-Top-Boxen. Beeindruckend ist, wie Google die einzelnen Bausteine zusammensetzt und gemeinsam mit Partnern das neue Produkt positioniert. Hier darf man Zuschauer sein, wie sich ein weiterer Teil von Googles Masterplan entfaltet. Angesichts der Entwicklung von Android als Handy-Betriebssystem dürfte Google TV ein ähnlicher Erfolg beschert sein.

Für die Demos von Google TV richtete Google auf der Bühne eine Sofaecke ein und fütterte den Sony-Fernseher mit aktuellem TV-Programm. Daher sind diese Teile der Demo als Einziges aus lizenzrechtlichen Gründen nicht auf YouTube zu sehen. Viele Lacher kassierte die Demo dafür, dass die Auswahl des Programms nicht gerade glücklich war. Sie enthielt pakistanische Anti-Facebook-Demonstranten und Peinlichkeiten über Nicholas Cages Sexualleben. Normales US-Fernsehen eben. Außerdem stockte die Demo immer wieder, weil die Bluetooth-Tastatur mehrfach den Kontakt zum Fernseher verlor.

Inhaltlich war die Demo berauschend und löste bei den Teilnehmern Will-haben-Kaufreiz  aus. Es wurden zwar noch keine Preise genannt, aber klar ist, dass außer für die Hardware keine weiteren monatlichen Gebühren verlangt werden sollen.

Google zeigte, wie man vom Fernsehprogramm in den Browser wechseln kann, mal eben was suchen, via Bild im Bild Web und TV gleichzeitig betrachten. So weit, so gut. Beeindruckend war vor allem, wie die von Android bekannten Funktionen nun auf einem Fernseher einen neuen Mehrwert schaffen. Selbstverständlich lässt sich Google TV mit einem Android-Handy per Bluetooth bedienen. Androids Spracheingabe funktioniert auch in der Suche des Programmführers. In die Spracheingabe lässt sich zudem der Ton des Fernsehprogramms umleiten und zusammen mit Googles Translation Service in dynamisch generierte Untertitel übersetzen. Selbstverständlich laufen alle Andoid-Apps auf Google TV inklusive Bildbetrachter für Dia-Shows und Spiele. Ein neues Produkt, YouTube Leanback, zeigt die Subscriptions eines registrierten YouTube-Users ganz ohne umgebende Website, sondern einfach nur wie einen TV-Kanal.

Auf der I/O kam Googles Strategie klar rüber. Je mehr Menschen das Web nutzen, dank Standards, dank unterschiedlicher Geräte, desto mehr Menschen kann Google mit Werbung erreichen. Mit Google TV hat Google nach Android einen großen Schritt nach vorn – und in unser aller Wohnzimmer – getan.

Frank Gerhardt
ist Experte für Eclipse-Techniken und OSGi. Er entwickelt seit vielen Jahren Business-Anwendungen auf Basis von Java und RCP. Seine Firma bietet Beratung, Trainings und Entwicklung (Ungarn) an. (ane)