Heilsbringer iPhone

Heute ist es soweit: Apple bringt sein lange angekündigtes Mobiltelefon auf den US-Markt. Es dürfte die aufregendste Zeit für den Computerkonzern werden, die er je erlebt hat.

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Überall in den USA wurden in der vergangenen Woche große Aufsteller in den Läden platziert, die Reklame für das iPhone machen sollen. Die mit LCD-Bildschirmen versehenen Werberiesen sehen aus wie das am Freitag erscheinende Super-Handy - nur eben auf mannshohe Größe aufgepumpt. So kann man die frohe Botschaft von der iPhone-Ankunft auch aus einiger Entfernung noch ordnungsgemäß wahrnehmen. "Frohe Botschaft" ist dabei ganz wörtlich zu nehmen: Apple vermarktet das vor einem halben Jahr angekündigte Smartphone als eine Art Handy-Heilsbringer. Schon die TV-Werbung, die seit einigen Wochen auf US-Kabelkanälen rauf und runter läuft, gibt diesen Ton vor: Seht her, heißt es dort, hier hat es ein Unternehmen endlich geschafft, ein Mobiltelefon samt Unterwegs-Internet und Multimedia-Genuss bedienbar zu gestalten.

Der Hype um das iPhone war in den vergangenen Monaten kaum zu zügeln. In allen Mediengattungen wurde berichtsmäßig gefeuert, was das Zeug hielt. Der Grund für diesen Wirbel dürfte nicht nur gewesen sein, dass Apple als Trendsetter gilt und dieses Image hervorragend verkaufen kann. Es ist eher so, dass der Hersteller aus dem kalifornischen Cupertino einen Nerv getroffen hat. Und der lautet: Die meisten heutigen Handys sind tatsächlich keineswegs das, was sie sein könnten – echte Multimedia- und Kommunikationszentralen in unseren Taschen, deren Nutzung jedem leicht fällt und wirklich Spaß macht. Man braucht nur den durchschnittlichen Handy-User auf der Straße zu befragen, wie viele Funktionen er an seinem technisch hochgerüsteten Gerät tatsächlich verwendet.

Benutzeroberflächen gut zu gestalten, dass kann Apple und hat es in seiner 30jährigen Geschichte vielfach bewiesen. Dennoch ist die Fallhöhe, die man mit dem iPhone einnimmt, nicht gerade gering. Das Gerät gelangte vorab in fast keine externen Hände. Die wenigen Prototypen, die es bei der Vorstellung auf der Macworld-Messe im Januar gab, wurden nur unter Bewachung durch Apple-Manager Journalisten in die Hand gegeben. So fuhr denn auch die Aktie des IT-Konzerns teilweise Achterbahn, wenn einmal wieder ein Börsenanalyst gehört zu haben glaubte, die von Apple in den Himmel gelobte, neuartige Touchscreen-Bedienung ("Multi-Touch") sei doch nicht das Gelbe vom Ei.

Im Apple-Hauptquartier sorgte man deshalb insbesondere in den letzten Wochen vor dem Verkaufsstart für gute Stimmung. Man kündigte ein Bündnis mit der noch immer sehr trendigen Videobörse YouTube an, versprach eine deutlich erhöhte Batterieleistung und ersetzte gar das eigentlich geplante Plastik-Display durch eines aus hochwertigem optischen Glas. Solche Neuigkeiten beruhigten die Wall Street. Lange Schlangen sind vorhergesagt, obwohl Apple Produzentengerüchten zufolge Millionen iPhones hat vorproduzieren lassen. Das Gerät wird nur in drei Ladentypen verkauft: Der Apple-eigenen Kette, beim Netzbetreiber-Partner AT&T (vormals Cingular) sowie im Apple-eigenen Online Store.

Doch der Konzern pokert hoch: Denn zum einen läuft Apple Gefahr, im eigenen Hype zu ertrinken, sollte das Endprodukt iPhone noch an kleineren bis größeren Fehlern leiden. Natürlich kann man ein Handy jederzeit mit neuer Software beschicken – doch das geradezu religiös aufgeladen Image des Gerätes würde Schaden nehmen. Menschen, die Apple-Produkte seit Jahren verwenden, wissen jedoch, dass "1.0"-Modelle des Herstellers mit dem Apfel-Logo gerne noch an Kinderkrankheiten leiden.

(Die Testberichte, die in dieser Woche erstmals von ausgesuchten US-Journalisten veröffentlicht werden durften, klingen für Apple übrigens zunächst einmal gut - allerdings gab es viel Kritik an der nicht vorhandenen UMTS-Fähigkeit des iPhone, die das Laden von Webseiten über das veraltete Edge-Netzwerk von AT&T zur Qual machen.)

Zum anderen könnte der Konzern sich an der eigenen Geschäftstüchtigkeit verheben: Das iPhone samt Vertrag ist reichlich teuer. AT&Ts Tarife beginnen bei satten 60 Dollar im Monat, immerhin mit Daten-Flatrate. Hinzu kommt eine Aktivierungsgebühr plus Mindestvertragslaufzeit von zwei Jahren. Macht allein für den Netzbetreiber mehr als 1400 Dollar.

Dass Apple sich aber überhaupt einen Netzbetreiber als Partner gesucht hat (auch ohne Vertrag hätte man das Gerät gut absetzen können, zumal es nicht subventioniert wird), ist nur mit dem lukrativen Geschäft zu erklären, das der Mobilfunkmarkt über den Handy-Verkauf hinaus bietet: Apple will offenbar diesmal nicht nur an den 500 oder 600 Dollar verdienen, die man je nach Speichergröße für die iPhone-Hardware verlangt, sondern auch einen Teil der monatlichen Beiträge kassieren. Wie sich dies prozentual verteilt, ist unbekannt. Apple soll aber zäh mit AT&T verhandelt haben.

Und diese Vorgehensweise lässt befürchten, dass Apple auch für Europa einen einzelnen Partner sucht. Der ist noch nicht gefunden – die Tendenz geht aber in Richtung paneuropäischer Anbieter, wenn das Gerät Ende 2007 auch bei uns angeboten wird. Da tröstet es auch wenig, dass die genauen Spezifikationen, die das iPhone hier zu Lande bieten wird, noch völlig unklar sind – theoretisch wäre es möglich, dass Apple den Europäern einen UMTS-Zugang gönnt, der beim US-Modell fehlt, schließlich sind unsere Netze besser ausgebaut. (bsc)