Hell wie die Sonne

Vor 200 Jahren entdeckte Humphry Davy den Lichtbogen. Er bildete die Grundlage für das erste elektrische Licht – bis er von einer weiteren Entdeckung Davys in den Schatten gestellt wurde.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 4 Min.

Vor 200 Jahren entdeckte Humphry Davy den Lichtbogen. Er bildete die Grundlage für das erste elektrische Licht – bis er von einer weiteren Entdeckung Davys in den Schatten gestellt wurde.

Die neue Erfindung brachte Mensch wie Tier gehörig durcheinander: Die Vögel fingen um neun Uhr abends an zu singen, und die Damen spannten ihre Sonnenschirme auf – und zwar nicht aus "Galanterie gegenüber den Erfindern", wie eine französische Zeitung 1855 aus Lyon berichtete, "sondern um sich gegen die Strahlung dieser geheimnisvollen Sonne zu schützen". Das neue Gestirn über Lyon war eine Lichtbogenlampe, die Mitte des 19. Jahrhunderts erstmals öffentliche Plätze in Frankreich erleuchtete. Ihr Licht erschien dem Reporter, der wie seine Zeitgenossen bis dahin nur vergleichsweise funzelige Gaslaternen kannte, "so hell wie die Sonne".

Die erste künstliche Erzeugung eines Lichtbogens lag zu diesem Zeitpunkt schon mehrere Jahrzehnte zurück. Spätestens 1813 – einige Quellen nennen auch frühere Daten – stellte der berühmte britische Chemiker Humphry Davy fest, dass ein gleißend helles Licht entsteht, wenn man zwei Kohlestäbchen unter ausreichend hohe Spannung setzt, zusammenführt und dann vorsichtig auseinanderzieht. Der Strom ionisiert Luftmoleküle zu einem leitfähigen Plasma, durch das er von der einen zur anderen Elektrode fließt. Diese Entdeckung weckte zunächst nur akademisches Interesse, denn der Lichtbogen war viel zu umständlich herzustellen, um als Beleuchtung in Betracht zu kommen. Mangels Stromnetz oder brauchbarer Dynamos war er anfangs auf Batterien ("Voltaische Säulen") angewiesen, die ebenfalls noch in den Kinderschuhen steckten. Zudem brannten die Elektroden mit der Zeit ab und mussten per Hand nachgestellt werden, damit ihr Abstand konstant blieb.

Erst in den 1840er-Jahren machten haltbarere Elektroden und Batterien Bogenlampen für bestimmte Anwendungen praktikabel: Sie erzeugten Spezialeffekte in Theater und Oper, illuminierten öffentliche Plätze und leuchteten Kais und Baustellen aus. Zwei weitere Innovationen beseitigten zentrale Schwachstellen des elektrischen Lichts: 1866 entdeckte Werner von Siemens das dynamoelektrische Prinzip, das die Grundlage für den Bau von Generatoren legte; 1878 entwickelte der Siemens-Ingenieur Friedrich von Hefner-Alteneck die sogenannte Differenzialbogenlampe, die den Abstand ihrer Elektroden automatisch regelt. Doch eine eigentlich positive Eigenschaft bremste die Verbreitung der Bogenlampe weiterhin aus: Sie war für geschlossene Räume schlicht zu hell. Selbst unter freiem Himmel mussten die Leuchten auf hohen Masten montiert werden, um die Passanten nicht zu blenden.

Und so blieb Gas bis etwa zur Jahrhundertwende die dominierende Lichtquelle. Als sich das elektrische Licht dann doch durchsetzte, spielte die Bogenlampe dabei nur eine Nebenrolle. Den Rang abgelaufen hatte ihr eine Erfindung, die ebenfalls auf Humphry Davy zurückgeht. 1803 entdeckte er, dass sich Drähte durch Strom zum Glühen bringen lassen. Thomas Alva Edison entwickelte daraus eine haltbare Glühbirne, die er sich 1879 patentieren ließ. Klassische Lichtbogenlampen mit Kohle-Elektroden blieben im 20. Jahrhundert nur Nischen wie in Kinoprojektoren oder Flakscheinwerfern.

Doch auch wenn sich Lichtbögen nie wieder so spektakulär in Szene setzten wie Mitte des 19. Jahrhunderts – in Technik und Alltag sind sie heute noch allgegenwärtig: Sie verflüssigen Recycling-Schrott in großen Stahlöfen oder verschmelzen beim elektrischen Schweißen Stahlteile miteinander; an Bord von Satelliten erhitzen Lichtbögen Gas, um deren Flugbahn zu korrigieren. Selbst in der Beleuchtungstechnik hat der Lichtbogen den Glühdraht überlebt: Leuchtstoffröhren, Energiesparlampen oder Straßenlaternen arbeiten ebenfalls nach seinem Prinzip. Bei ihnen wandert der Lichtbogen allerdings nicht durch die Luft, sondern durch Metalldampf oder Edelgase wie Neon, Xenon oder Argon. (grh)