Herr des Lichts

Sir John Pendry, Pionier der Unsichtbarkeitsforschung, erklärt im TR-Interview, wie Tarnkappen funktionieren und was man mit Metamaterialien sonst noch anstellen kann.

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Sir John Pendry, Pionier der Unsichtbarkeitsforschung, erklärt im TR-Interview, wie Tarnkappen funktionieren und was man mit Metamaterialien sonst noch anstellen kann.

Britische Wissenschaftler sind eigentlich weder für überschäumende Fantasie noch für subtilen Humor bekannt. Wenn es sich dazu noch um theoretische Physiker handelt, geht die Wahrscheinlichkeit, dass sie bei einem renommierten Fachmagazin einen Jux-Beitrag einreichen, gegen null. Die Gutachter des Wissenschaftsmagazins „Science“ müssen daher nicht schlecht gestaunt haben, als Anfang 2006 gleich zwei, John Pendry vom Imperial College London und Ulf Leonhardt von der schottischen St. Andrews University, unabhängig voneinander Arbeiten einreichten, in denen es allen Ernstes um Tarnkappen ging. Sowohl Pendry und seine Kollegen als auch Leonhardt rechneten dem staunenden Publikum vor, wie man mit solider Naturwissenschaft so etwas wie Magie bewirken kann.

Normalerweise, so ihre Idee, breitet sich Licht geradlinig aus. Was aber wäre in einem anderen, verzerrten Raum mit krummen Koordinaten? Auch diesen muss das Licht folgen – aus dem Blickwinkel unseres Universums führe das Licht also Schlangenlinien. In der mathematischen Funktion, die ein Koordinatensystem in das andere überführt, steckt das Rezept, das diesen Trick bewirkt: Sie beschreibt, an welchem Punkt des Raumes der Brechungsindex wie groß sein muss. Damit, erklärte Pendry, könne man theoretisch sogar einen Tarnmantel konstruieren, der Objekte vor dem Beobachter verbirgt. Die Tarnkappe würde das Licht einfach um das Objekt herumleiten.

Pendry publizierte auch, wie man eine solche Tarnkappe praktisch herstellen könnte. Denn eigentlich kann kein normales Material das Gewünschte leisten, weil es homogen ist, also überall dieselben optischen Eigenschaften hat. Die Tarnkappe müsste also aus mehreren verschiedenen Bestandteilen zusammengesetzt sein. Daher nannten Pendry und Kollegen ihr Produkt „Metamaterial“. Mit zusammengesteckten Plättchen, auf die offene Kupferschleifen aufgeprägt sind, konnten sie zeigen, dass die Idee im Frequenzbereich von Mikrowellen funktioniert.

Mittlerweile ist die Wissenschaft von der Unsichtbarkeit zu einem etablierten und spannenden Forschungsfeld herangewachsen, das immer neue Ideen hervorbringt. Forscher der Universität Manchester beispielsweise wollen das Prinzip auf akustische Wellen anwenden und Gebäude vor Erdbeben schützen, indem sie seismische Wellen um die Häuser herumleiten. Und im Januar 2012 konnten amerikanische Forscher erstmals einen Tarnmantel für einen 18 Zentimeter langen Zylinder vorweisen. Aber auch dieser Effekt funktionierte nur mit Mikrowellen und nur unter einem bestimmten Blickwinkel. Im Interview mit Technology Review erklärt John Pendry, warum eine echte Tarnkappe so schwer herzustellen ist und was man mit Metamaterialen sonst noch machen kann.

TR: Professor Pendry, können Sie zunächst kurz erklären, wie eine Tarnkappe funktioniert?

John Pendry: Das Konzept ist eigentlich sehr einfach. Es beruht darauf, dass unser Gehirn darauf programmiert ist zu erwarten, dass Licht sich immer geradlinig fortpflanzt.

Und das macht es bei Ihnen nicht?

Richtig. Und wenn es das nicht tut, sind wir verwirrt und glauben nicht, was wir da sehen. Oder auch nicht sehen.

Wenn Sie ein Objekt verstecken, also unsichtbar machen wollen, umgeben Sie es mit einem zweiten Objekt, das Licht einfängt und es um das zu versteckende Objekt herumleitet. Dort lässt der Tarnumhang das Licht wieder frei, das seinen Weg fortsetzt, als wäre das getarnte Objekt gar nicht da.

Eine ziemlich fantastische Idee...

Nun, eigentlich ging es ursprünglich darum zu demonstrieren, wie wirkungsvoll unsere mathematischen Werkzeuge sind. Wir haben also an diesem Problem gearbeitet, was bedeutete, eine Menge Differenzialgleichungen zu lösen. Es gab sogar Mathematiker, die gesagt haben, dass so etwas nicht funktioniert. Aber wir hatten unsere Methode, die wir Transformationsoptik nennen. Und ich wusste, damit könnten wir zu einer Lösung kommen.

Sorry, aber das klingt ein bisschen nach Hokuspokus.

Wenn ich das auf die gute, altmodische, mathematische Art beschrieben hätte, hätte es niemanden interessiert. Ich weiß, wovon ich spreche. Ich habe solche Aufsätze geschrieben. Also haben wir uns gedacht, wir brauchen etwas, das die Leute wirklich aufweckt. Das war die Motivation für den Tarnmantel. Und es hat funktioniert.

Aber das Konzept war zunächst nur theoretisch, oder?

Mit der Transformationsoptik konnten wir die zur Richtungsänderung des Lichtes gehörende Änderung des Brechungsindex... (wst)