Herzschrittmacher mit Kernenergie

Hochangereichertes Nickel-63 soll den Batterietausch bei Implantaten unnötig machen. Das hoffen zumindest russische Forscher.

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Herzschrittmacher mit Kernenergie

(Bild: Photo by Denny Müller on Unsplash)

Lesezeit: 3 Min.
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Wer einen Taktgeber für sein Herz benötigt, kennt die Prozedur: Der Schrittmacher muss alle sechs bis zehn Jahre ausgewechselt werden, da der Akku den Geist aufgibt und die Geräte damit ihre Funktion einstellen. Schon in den Siebzigerjahren gab es daher die Idee, die Implantate mit einer Radionuklidbatterie zu betreiben, die deutlich länger hält – trotz der Strahlenproblematik.

Die Rosatom-Tochter Tvel und das Bergbau- und Chemiekombinat Schelesnogorsk (MCC), beide seit vielen Jahren im Atomenergiegeschäft tätig, wollen nun eine winzige Nuklearbatterie bauen, die bis zu 50 Jahre halten soll. Damit entfielen die aufwendigen Operationen zur Entnahme und Neueinsetzung, denen sich Patienten derzeit noch unterziehen müssen.

Herzschrittmacher nach Entnahme.

(Bild: "An artificial pacemaker" / Steven Fruitsmaak / Wikipedia / cc-by-3.0)

Die Grundidee ist nicht neu. In Russland verwendete man noch bis in die 80er-Jahre Batterien in den Taktgebern, die hochgiftiges Plutonium-238 nutzten. Der neue Ansatz ist da deutlich harmloser: Er basiert auf dem hoch angereicherten radioaktiven Isotop Nickel-63, das auf eine Halbleiteroberfläche aufgebracht wird.

Beim Zerfall des Radionuklids wird Wärme frei, die sich wiederum mittels Thermogeneratoren in Strom umsetzen lässt, der dann den Schrittmacher antreibt. Die beim Prozess entstehende Betastrahlung ist für den Körper nicht gefährlich, denn sie lässt sich mit einer simplen Kunststoffeinfassung abschirmen. Problematische Gammastrahlung entsteht nach Angaben der Hersteller nicht.

Büro von TVEL in Moskau.

(Bild: "TVEL Office Building" / RudolfSimon / Wikipedia / cc-by-sa-3.0)

Die Zentrifugiertechnik des Konsortiums hat bei seiner bisherigen Arbeit einen Rekord-Anreicherungsgrad von 69 Prozent erreicht. Die Forscher wollen ihn noch auf 80 Prozent steigern, was angeblich noch in diesem Jahr klappen könnte. Neben medizinischen Implantaten lässt sich die Nuklearbatterie grundsätzlich auch in Telekommunikationsgeräten, Raumfahrttechnik oder militärischen Systemen nutzen, zudem in anderer akkubetriebener Bioelektronik, bei der sich eine spätere Entnahme verbietet. Mit einem Einbau in regulärer tragbarer Haushaltselektronik – Stichwort Smartphone – ist allerdings eher nicht zu rechnen. Das liegt schon allein an der Entsorgungsproblematik. Nickel-63 hat eine Halbwertzeit von 100 Jahren.

Das Beispiel zeigt, dass Nukleartechnik im Bereich der Energieversorgung auch in speziellen Anwendungsfällen eine Alternative darstellen kann. Die Idee erinnert an die optimistischen Zeiten der Fünfziger- und Sechszigerjahre, als Forscher noch annahmen ("Atoms for Peace"), dass wir bald in jedem Haus ein Miniatomkraftwerk betreiben werden und die Kosten für elektrischen Strom rapide gegen Null wandern. Erfüllt hat sich von der Vision nichts, stattdessen werden – zumindest in Deutschland – alle Großatomanlagen auf absehbare Zeit unter enormem finanziellen Aufwand demontiert.

(Bild: Photo by Denny Müller on Unsplash)

Batterien, die auf Basis von radioisotopischen Thermogenerationen arbeiten, werden bereits im Weltall verwendet. So stecken im Mars-Rover Curiosity gut fünf Kilogramm Plutonium-238, die das Gefährt mindestens 14 Jahre betreiben können sollen.

(bsc)