Herzschwäche kann zu Hirnproblemen führen

Alzheimer hat möglicherweise auch kardiologische Ursachen, wie Experimente an Mäusen zeigen.

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(Bild: jesse orrico / Unsplash)

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Menschen mit Herzproblemen haben ein erhöhtes Risiko an Demenz zu erkranken – woran das genau liegt, ist bislang nicht bekannt. Laborstudien des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) und des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) haben nun gezeigt, dass eine gestörte Genaktivität im Hirn eine Rolle spielen könnte.

"Bei Menschen mit kardiologischen Problemen und insbesondere einer Herzschwäche kann es zu merklichen kognitiven Defiziten und erhöhtem Risiko für eine Alzheimer-Erkrankung kommen", so André Fischer, Forschungsgruppenleiter am DZNE-Standort Göttingen und Professor an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der UMG. Mögliche Gründe seien unter anderem eine beeinträchtigte Blutversorgung des Gehirns und Störungen des Hippocampus, der Schaltzentrale des Gedächtnisses. Da unklar ist, weshalb es aufgrund von Herzinsuffizienz zu Fehlfunktionen in den Nervenzellen kommt, konnte bislang noch keine gezielte Therapie entwickelt werden.

Versuche mit Mäusen zeigen, dass es auch bei ihnen einen Zusammenhang zwischen Herzschwäche und Gedächtnisleistung gibt. Das Team um André Fischer und seinen Kollegen Karl Toischer, Professor an der Klinik für Kardiologie und Pneumologie der UMG, untersuchte die Nervenzellen im Hippocampus. Seine Erkenntnis: stärkere Stresssignale und eine veränderte Genaktivität waren bei den herzschwachen Mäusen zu beobachten. Im Umkehrschluss konnte ein Medikament die Genaktivität im Gehirn beeinflussen und die kognitive Leistung verbessern.

Zellen können mehr oder weniger stark aktiv sein – das hängt auch davon ab, wie "eng" das DNA-Molekül "gewickelt" ist. "Gene können nur dann aktiv sein, wenn sie der Maschinerie der Zelle zugänglich sind. Dazu muss die DNA an den entsprechenden Stellen etwas lockerer gewickelt sein. Ähnlich wie bei einem Garnknäuel, aus dem Schlaufen herausragen", so Fischer. Bei herzschwachen Tieren war die DNA enger gewickelt und dadurch weniger aktiv, gerade bei Genen, die für den Hippocampus wichtig sind. Wahrscheinlich liegt das an chemischen Veränderungen in speziellen Eiweißstoffen, den Histonen. Sie bilden ebendiese "Garnrolle", um die sich die DNA windet und beeinflussen damit die Genaktivität.

Ein Präparat für die Krebstherapie, Vorinostat, ist laut der Forscher ein Kandidat für eine Therapie. Es konnte genetische und altersbedingte Gedächtnisprobleme bei den Mäusen etwas bessern, sogar ohne dass dafür die Herzleistung gesteigert wurde. Inwieweit das auch für Alzheimer-Erkrankte gilt, wird aktuell in einer klinischen Studie des DZNE untersucht. Trotz der Wirkung von Vorinostat auf die Genaktivität bleiben noch viele Fragen offen, etwa inwieweit eine Herzinsuffizienz damit tatsächlich zusammenhängt.

Zu den Fragen, die sich die Forscher stellen, gehört, welche Rolle die mangelhafte Blutversorgung des Gehirns dabei spielt. "Werden vom kranken Herzen vielleicht Stoffe freigesetzt, die auf die Histone wirken? Das wollen wir an Patienten mit Herzproblemen untersuchen", so Fischer. Den Fragen soll dabei interdisziplinär nachgegangen werden. Die Mäuse-Studie wurde in "EMBO Molecular Medicine" veröffentlicht.

(bsc)