Hochpräzise Straßenkarten für autonomes Fahren in Tokio
Der japanische Konzern Softbank will die 14-Millionen-Metropole zentimetergenau erfassen. Zum Einsatz kommt preiswerte Technik aus Südkorea.
- Martin Kölling
Auf Japans Autobahnen nutzen einige Automodelle bereits zentimetergenaue dreidimensionale Straßenkarten, um autonomer zu fahren. Der Mobilfunkanbieter Softbank, eine Tochter des gleichnamigen Tech-Investors, will dies nun auch für die Hauptstadt Tokio ermöglichen. Bis zum Ende des laufenden Geschäftsjahres 2023 möchte das Unternehmen hochauflösende dreidimensionale (3D) digitale Karten aller 23 Bezirke Tokios erstellen. Die Fehlerquote gegenüber der Realität soll bei nur fünf Zentimetern liegen, die Kosten drastisch unter den bisherigen Methoden.
Ein Ziel ist die Entwicklung von Karten für die neuen automatisierten Fahrdienste des Mobilitätsanbieters Monet Technologies, einem Joint Venture von Softbank, Toyota und anderen japanischen Automobilherstellern. In immer mehr Regionen Japans wird das Selbstfahren erlaubt, ohne dass die Fahrer die Hände am Steuer haben müssen. Dies öffnet die Tür für wirklich autonomes Fahren.
Unterstützung aus Südkorea
Softbank greift dabei auf bestehende Kontakte zum südkoreanischen Internetkonzern Naver zurück. Die beiden Unternehmen haben die in Asien populäre japanische Chat-App Line, die zu Naver gehörte, mit Softbanks Internetkonzern Z Holdings fusioniert. Softbank investiert auch in verschiedene Projekte der Koreaner, darunter die Ausweitung von Navers Metaverse-Plattform in Asien. Nun bringt Softbank Navers Konzept zur Kartierung von Metropolen nach Japan.
Die Technologie "Alike" der Naver-Tochter Naver Labs unterscheidet sich von bisherigen Methoden. Normale Karten werden auf der Basis von Satellitenfotos erstellt. Für hochpräzise Karten ist diese Methode aber bislang nicht genau genug. Sie herzustellen ist daher sehr aufwendig: Das von japanischen Kartenanbietern und Autoherstellern gegründete Unternehmen Dynamic Map Platform (DMP) hat für die Kartografierung der japanischen Autobahnen beispielsweise Fahrzeuge eingesetzt, auf die Laserscanner und Videokameras montiert waren.
Zur Kalibrierung nutzt das Unternehmen ein japanisches Netz von Ortungssatelliten, die die Regierung in den vergangenen Jahren ins All geschossen hat. Es bietet zentimetergenaue Ortung auch dort, wo bisherige GPS-Satelliten manchmal Schwierigkeiten haben: in den Häuserschluchten Tokios oder in den vielen tiefen Tälern des bergigen Inselreichs.
Luftbilder helfen
Navers Technik setzt für seine Karten hingegen auf eine neue Methode: Sie setzt sie aus Zehntausenden von Luftbildern zusammen, die Flugzeuge aus rund 4000 Metern Höhe aufnehmen. Tunnel, Bereiche unter Brücken und andere tote Winkel, die so nicht erfasst werden können, werden wie bei DMP durch Lidar-Systeme auf Autos ergänzt. Ein Vorteil sind die geringeren Kosten, ein anderer die höhere Geschwindigkeit, mit der größere Gebiete vermessen werden können. Im Fall von Tokio sind das immerhin 12.000 Straßenkilometer.
Auch das Innere von Gebäuden könnte mit Robotern oder tragbaren Systemen digitalisiert werden. Denn das Ziel reicht über das autonome Fahren hinaus. Naver Labs will digitale Kopien von Städten erstellen, sogenannte digitale Zwillinge. Sie können zum Beispiel helfen, die Stadtplanung zu verbessern, indem in den virtuellen Städten Baustellen, Großprojekte oder Evakuierungsmaßnahmen nach Erdbeben durchgespielt werden können.
Softbank und DMP demonstrieren derzeit in einem Stadtteil von Tokio außerdem, wie die Navigation von Lieferrobotern verbessert werden kann. Die Stadtregierung von Tokio hat noch größere Pläne: Bis 2030 will sie ein digitales Modell ihrer selbst erstellen. Erste Teile der Idee können die Japaner schon heute in ihrem Alltag sehen. Im Internet gibt es eine 3D-Karte, die in Echtzeit die Position von S- und U-Bahnen anzeigt. Wer will, kann sogar ausgewählte Überwachungskameras live sehen – inklusive Ton der vorbeirauschenden Züge.
(bsc)