Hohe Renditen mit ICOs

Der Verkauf digitaler Münzen ist vielen Regulatoren ein Dorn im Auge, weil sie Betrug wittern. Doch eine Studie zeigt, dass sich mit solchen ICOs bislang im Durchschnitt viel Geld verdienen ließ.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Sascha Mattke
Inhaltsverzeichnis

So genannte Initial Coin Offerings (ICOs), bei denen Nutzungsrechte oder Anteile an technischen Projekten in Form von digitalen Münzen verkauft werden, gelten den einen als moderne Form der Finanzierung, den anderen als bloße Abzocke.

Mehr Infos

Tatsächlich ist es bereits vorgekommen, dass die Initiatoren von ICOs mit dem eingesammelten Geld verschwunden sind. Doch eine umfassende Studie zum Thema kommt insgesamt zu einem ganz anderen Ergebnis: Mit den bisher erfolgten ICOs ließen sich bemerkenswert hohe Gewinne einfahren.

„Fälle von Betrug gibt es zwar reichlich, aber gemessen am gestohlenen Kapital sind sie weniger bedeutend, weil die Anleger geschickt genug sind, sie zu erkennen (und nicht zu finanzieren)“, schreiben die Autoren, Hugo Benedetti und Leonard Kostovetsky vom Boston College, im Fazit ihrer Studie. Selbst unter restriktiven Annahmen kommen sie zu dem Ergebnis, dass ein durchschnittlicher Anleger mit einer Beteiligung an jedem ICO seit Anfang 2017 auf eine Rendite von 82 Prozent gekommen wäre ­– und zwar innerhalb von nur 16 Tagen.

Für ihre Berechnungen haben Benedetti und Kostovetsky mittels spezialisierten Websites, Twitter und Google-Recherchen zunächst Daten über alle ICOs bis Ende April 2018 zusammengetragen. Demnach gab es bislang 4003 solcher digitalen Münz-Angebote, von denen 2390 bis zum Stichtag abgeschlossen waren, sodass sie in die Auswertung der Forscher aufgenommen wurden. Zusammen konnten diese ICOs Kapital im Volumen von 12 Milliarden US-Dollar einsammeln, wobei sich der deutliche Großteil der Aktivität ab dem Jahr 2017 ereignete.

Und wer geglaubt hat, dass man mit solchen Engagements nur Geld verlieren kann, muss offenbar umdenken. Bei 609 der untersuchten ICOs folgte auf den Verkauf der Münzen eine Notierung an der Krypto-Börse CoinMarketCap, sodass ihre weitere Preisentwicklung beobachtet werden konnte. Innerhalb dieser Gruppe war der Wertzuwachs geradezu spektakulär: Wer in der Angebotsphase kaufte und am ersten Handelstag zur Eröffnung wieder ausstieg, kam auf eine durchschnittliche Rendite von nicht weniger als 273 Prozent.

Wie die Autoren einräumen, ist dies sozusagen der Optimalwert: Darin berücksichtigt sind nur ICOs, die in einer Börsennotierung mündeten, also nur solche, die weder auf Betrug angelegt waren noch trotz möglicherweise guter Absichten scheiterten, und die machen nur etwa 25 Prozent aller Fälle aus. Allerdings entfällt der überwältigende Großteil des gesamten Finanzvolumens in ICOs auf sie, sodass Betrug und Scheitern laut der Studie für das Gesamtergebnis eine relativ geringe Rolle spielen.

In Zahlen sieht das so aus: Unter der Annahme, dass ICOs ohne anschließende Börsen-Notierung einen Verlust von 50 Prozent bedeuten, ergibt sich eine Durchschnittsrendite von 98 Prozent. Wenn man sie als Totalverlust abschreibt, bleiben immer noch 90 Prozent übrig. Dies erklärt sich durch die erwähnte Tatsache, dass die erfolglosen ICOs nur ein geringes Volumen aufweisen. Und wie die Autoren erklären, kann selbst hier ein Handel abseits der Börse oder eine verspätete Notierung möglich sein. Ehrliche, aber nicht erfolgreiche ICO-Initiatoren würden zudem das eingesammelte Geld oft schlicht zurückzahlen.

Damit ergibt sich ein deutlich positiveres Gesamtbild, als warnende Medienberichte und das Verbot von ICOs in mehreren Ländern erwarten lassen. „Die Ergebnisse widersprechen direkt vielen Regulatoren und Staaten, die Token-Verkäufe als Betrug zulasten von naiven Anlegern betrachten“, schreiben Benedetti und Kostovetsky denn auch.

Wie sie allerdings einschränken, hat ihre auf die Vergangenheit bezogene Betrachtung wenig Aussagekraft für die Zukunft. Tatsächlich haben sie auch festgestellt, dass die Überrenditen von ICOs im Lauf der Zeit bereits zurückgegangen sind, wenn auch bislang nur leicht. Darüber hinaus haben Benedetti und Kostovetsky auch untersucht, welche Faktoren bei einzelnen ICOs mit besonders hohen Renditen einhergehen. Deutlich positiv wirkte sich ein hohes Finanzierungsvolumen aus, was aber für die Zukunft nicht sehr hilfreich ist, weil darüber zum Zeitpunkt einer Investition nur die Planung, nicht aber das tatsächliche Ergebnis bekannt ist.

Mehr Aussagekraft könnte ein anderer Zusammenhang haben: Je mehr Follower das Twitter-Konto eines ICO-Initiators hat, desto höher fällt tendenziell die Rendite aus. Und wenn ein Token bereits an einer Krypto-Börse notiert ist, wirken sich regelmäßige Twitter-Nachrichten des Teams dahinter ebenfalls deutlich positiv auf den Kurs aus – „keine Nachrichten sind schlechte Nachrichten“, schreiben die Autoren dazu.

Natürlich lässt die bislang im Durchschnitt positive ICO-Entwicklung immer noch die Möglichkeit offen, dass es sich hier um eine Blase handelt, die nur noch nicht geplatzt ist, räumen Benedetti und Kostovetsky ein. Auf der anderen Seite passe sie aber auch zu der Theorie, dass hohe Risiken an den Kapitalmärkten für die Mutigen, die sie eingehen, eben großzügig belohnt werden: Die Risiken sind derzeit wohl nirgendwo größer als bei ICOs, aber das Gleiche scheint zumindest einstweilen auch für die Renditen zu gelten.

(sma)