Hype um NFTs: „Die Krypto-Szene zieht eine neue Art von Künstlern an“

Der Computergrafiker und Designer Andreas Wannerstedt verkauft seine Werke als Non-fungible-Token. In dem Geschäft werden bereits Millionen verdient.

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Screenshot eines Videos von Andreas Wannerstedt.

(Bild: Andreas Wannerstedt)

Lesezeit: 8 Min.

Technology Review: Sie sind ein bekannter Designer und Grafiker. Wie sind Sie in der Welt der NFTs gelandet?

Andreas Wannerstedt: Drei der größten NFT-Plattformen, SuperRare, Nifty Gateway und Makersplace haben sich im Herbst 2020 an mich gewandt und gefragt, ob ich interessiert daran wäre, Kunst auf ihren Plattformen zu veröffentlichen. Mir war aufgefallen, dass einige Künstler, denen ich auf Instagram folgte, in dieser Zeit davon sprachen, Krypto-Kunst zu verkaufen – also war ich neugierig und entschied mich, es auszuprobieren. Nach dem Onboarding war ich bei Makersplace im späten Oktober mit meinem ersten „Drops“ erstmals dabei – und seitdem habe ich meinen Fokus auf NFTs gelegt.

Waren Sie überrascht, wie sich das Ganze entwickelt hat und wie lukrativ es mittlerweile ist?

Um ehrlich zu sein war ich anfangs etwas skeptisch, als ich davon gehört hatte. Doch nach etwas Recherche begann ich, die Möglichkeiten zu sehen und bekam das Gefühl, dass es sich hierbei tatsächlich um die Zukunft digitaler Kunst handeln könnte. Im Dezember hatte der Künstler Beeple einen riesigen Erfolg bei Nifty Gateway [Anmerkung der Redaktion: Ein einziges Kunstwerk seiner Kunstwerke wurde mittlerweile für 69 Millionen US-Dollar über das Auktionshaus Christie's versteigert.]. Er hat den Weg geebnet. Da habe ich das wahre Potential der NFT-Bewegung realisiert.

Was für Künstler halten sich in der Szene auf? Eher klassisch geschulte Menschen wie Maler oder vor allem digitale Künstler?

Vor allem digitale Künstler, würde ich sagen. Die Krypto-Szene zieht eine neue Art von Künstlern an, aber auch eine neue Art von Sammlern, was ich ziemlich erfrischend finde. Es gibt zudem verschiedene Typen von Künstlern, die Teil der Szene werden. Viele Musiker, Bands, Modedesigner und so weiter suchen derzeit nach Kooperationen mit digitalen Künstlern, um ein Stück von dem Hype abzubekommen.

War digitale Kunst vor der Entwicklung der NFTs schwer verkäuflich?

Es war ziemlich unmöglich, vor dem Aufstieg der NFTs digitale Kunst zu verkaufen. Ohne die Technik, mit der man das Eigentum am Werk belegen konnte, hat das Sammler und die große Masse nicht angezogen. Ich habe meine Kunst zuvor für kommerzielle Zwecke lizensiert und das mache ich noch immer, aber das ist kein Vergleich zum Verkauf von Kunst.

Können Sie erklären, was genau es ist, das Sie da verkaufen? Die Video-Loops mit Musik, die die eigentliche Kunst zu sein scheinen, kann sich ja jeder kostenfrei im Netz ansehen.

Ich verkaufe das Eigentum an meiner Kunst. Eine einzigartige Datei mit meiner digitalen Signatur, die weder kopiert noch gelöscht werden kann. (Klar, man kann die eigentliche Videodatei kopieren, genauso wie man auch ein Foto von einem Bild in einer Galerie machen kann, aber das wird keine digitale Signatur tragen.)

Was ich an NFTs wirklich mag, ist, dass jeder sie sehen kann, aber nur eine Person kann sie wirklich besitzen. Darin ähnelt die Technik traditioneller Kunst: Man kann zu vielen Museen gehen und wunderschöne Kunst kostenfrei betrachten, aber wenn man ein Werk besitzen möchte, müsste man es kaufen. Dann gehört einem auch das Verkaufsrecht. Auch das ist eine der Hauptmotivationen für Sammler.

Viele der „Drops“ werden direkt wieder auf Nifty Gateway eingestellt, manche davon nur ein paar hundert Dollar teurer. Ist das nicht so eine Art „Bigger Fools“-Spiel, bei dem man als Käufer einfach hofft, möglichst schnell wieder für eine noch größere Summe zu verkaufen?

Wir konnten in den letzten Monaten irrsinnige Verkäufe auf Zweitmärkten beobachten. Ich denke, das ist alles eine Frage der Geduld. Leute, die sich des schnellen Geldes wegen für NFTs interessieren, werden wahrscheinlich nicht sehr erfolgreich damit sein. Man verdient dann vielleicht ein paar Hundert Dollar mit ein paar sofortigen Verkäufen, aber die wahren Gewinner werden die Sammler sein, die auf lange Sicht fahren.

Woher stammt das teils irrsinnige Geld Ihrer Meinung nach? Gibt es da einen unmittelbaren Zusammenhang mit anderen Krypto-Hypes?

Ich glaube definitiv, dass viele derjenigen, die sich früh mit Krypto-Währungen beschäftigt haben, sich auch für den NFT-Markt interessieren. Ich denke, das geht Hand in Hand, da die Kunst in der Blockchain „lebt“. Aber klar: Da NFTs inzwischen zu einem richtigen Trend geworden sind, denke ich, dass viele Investoren mit gesundem Geschäftssinn aus vielen verschiedenen Bereichen den Markt spannend finden und das Potential erkennen, das mit dieser Technik einhergeht.

Eines Ihrer Werke, „The Open Hand“, wurde über 80 Mal für jeweils 1500 US-Dollar über Nifty Gateway verkauft. Andere gingen noch teurer weg. Kann man von einem Goldrausch sprechen?

Na ja, verglichen mit dem nichtdigitalen Kunstmark ist das wirklich nicht so abgefahren, wie es aussieht, aber ich glaube schon, dass es sich ein wenig beruhigen wird, sobald der Hype zurückgeht. Viele Künstler, die NTFs gerade erst entdeckt haben, leiden derweil unter FOMO, haben also die Angst, etwas zu verpassen. aber ich glaube nicht, dass irgendein Künstler, der für schnelles Geld jetzt in digitale Kunst einsteigt, um den NFT-Markt mitzunehmen, großen Erfolg haben wird. Viele der Künstler, die jetzt am meisten verkaufen, haben ihre Arbeit seit einigen Jahren „umsonst“ auf anderen digitalen Plattformen wie Instagram zur Verfügung gestellt.

NFTs ermöglichen es Künstlern auch, mit Werken Geld zu verdienen, die weiterverkauft werden – ganz im Gegensatz zum regulären Kunstmarkt. Wird es dadurch auch für etablierte Künstler attraktiv? Und wie funktioniert das?

Ja, als Künstler erhält man eine Art von Lizenzgebühr auf Zweitverkäufe, oft 10 Prozent, zumindest bei einigen der NFT-Plattformen. Das wird definitiv viele digitale Kreative anlocken, die wegwollen vom kommerziellen Arbeiten und sich stattdessen auf künstlerische Projekte konzentrieren und trotzdem davon leben wollen.

Kann jeder Künstler dazukommen und sich erfolgreich vermarkten auf Plattformen wie Nifty Gateway oder gibt es Gatekeeper wie Gallerien, nur eben in digitaler Form?

Es gibt aktuell viele verschiedene NFT-Plattformen, manche davon werden nicht kuratiert, aber die Großen wie Nifty Gateway und SuperRare schon. Da muss man sich bewerben und angenommen werden, bevor es dort überhaupt möglich ist, Kunstwerke einzustellen.

Ich hatte das Glück, Teil davon zu werden, aber ich weiß, dass es jetzt aufgrund des Hypes mehrere Monate dauern kann, bis man auf den großen Plattformen zugelassen wird. Jedenfalls ist es definitiv auch außerhalb von ihnen möglich, NFTs zu kreieren und zu verkaufen, doch es ist schwieriger, ein großes Publikum zu erreichen und sich von der Masse abzuheben.

Welche technischen Schwierigkeiten gibt es noch?

Beim Minting oder Erstellen von NFTs nutzen Künstler die Ethereum-Blockchain und müssen eine dem Netzwerkverkehr entsprechende “Tankgebühr” zahlen. In Zeiten, in denen es viel Traffic gibt, kann dieser Preis sehr drastisch steigen, sodass weniger etablierte Künstler Schwierigkeiten bekommen könnten, ihre Verkäufe profitabel zu betreiben.

Die größte technische Hürde, die aktuell diskutiert wird, ist jedoch die wahnsinnige Menge an Strom, die vom NFT-Markt konsumiert wird – und der ökologische Fußabdruck, der damit einhergeht. Das ist hoffentlich etwas, das Leute angehen werden, die sehr viel klüger sind als ich. Ich für meinen Teil liebe es einfach, Kunst zu machen. (bsc)