ICANN-Chef hält Sicherheit und Internationalisierung des DNS für dringend

Der neue Chef der Corporation for Assigned Names and Numbers lässt sich zur Zukunft der Netzverwaltung im Interview nicht in seine Karten schauen, gerade was das international sensible Thema US-Aufsicht anbelangt. Er verweist lieber auf das "Wunder Internet" und die Notwendigkeit, dessen Freiheiten zu erhalten.

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Von
  • Monika Ermert

Rod Beckstrom, neuer CEO der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN), ist in Sachen "Charme-Offensive" unterwegs, nun auch in Deutschland. Er stattete dem Bundeswirtschaftsministerium in Berlin einen Besuch ab und ließ sich auch bei einem von mehreren deutschen Verbänden und dem BMWI organisierten Forum zur Einführung neuer Domains kurz blicken. Beckstrom lässt sich zur Zukunft der Netzverwaltung nicht in seine Karten schauen, gerade was das international sensible Thema US-Aufsicht anbelangt. Er verweist im Interview mit heise online lieber auf das "Wunder Internet" und die Notwendigkeit, dessen Freiheiten zu erhalten.

Frage: Als Paul Twomey ICANN-Präsident wurde, feierte man ihn als ersten nicht US-amerikanischen hauptamtlichen Chef der Netzverwaltung. Jetzt wurden Sie eingestellt, ein ehemaliger Mitarbeiter des Department of Homeland Security (DHS). Wird die ICANN dadurch wieder amerikanischer?

Beckstrom: Ich liebe Amerika, aber ich bin auch ein Weltbürger. Vor allem kommt es mir darauf an, dass die ICANN offen und transparent ihre Aufgabe wahrnimmt. Ich verstehe aber, dass es meine Wahrnehmung als ehemaliger DHS-Mitarbeiter gibt. Aber man sollte mich einfach nach meinem Handeln beurteilen.

Immerhin wird der US-Kongress Sie nicht wie Paul Twomey in der letzten Anhörung fragen, wie viele Arbeitstage Sie in den USA sind.

Beckstrom: Vielleicht haben die mich deshalb angeheuert. Vielleicht kann ich gerade deshalb ein guter Anwalt für die ICANN sein. Ich habe meine Kontakte in der US-Verwaltung. Auch wenn ich die meiste Zeit als privater Unternehmer und für Nichtregierungsorganisationen im Ehrenamt tätig war.

Wollen Sie diese Kontakte für die ICANN nutzen?

Beckstrom: Absolut.

Wenn Sie sagen, man solle Sie – auch international – nach ihren Handlungen beurteilen, welchen Weg in Richtung Internationalisierung befürworten sie? Wie geht es nun nach dem Auslaufen des Joint Project Agreement mit dem neuen Affirmation of Committment weiter? Wie international wird ICANN?

Beckstrom: Der "Affirmation"-Prozess hat ja gerade erst begonnen. Die beiden mit der Leitung betrauten Persönlichkeiten kommen aus der internationalen Gemeinschaft. ICANN-Vorstandschef Peter Dengate-Thrush ist Neuseeländer, der Chef des Regierungsbeirates, Janis Karklins, kommt aus Lettland. Ich denke, die beiden werden für den Prozess ein internationales Team aufstellen. Das wird ein wichtiger, fortlaufender und auch lange dauernder Prozess werden. Übrigens war der Vorstand der ICANN insgesamt immer sehr international und der internationale Blickwinkel hat die Aktivitäten der ICANN immer bestimmt.

Der Vertrag für den Betrieb der Internet Assigned Numbers Authority (IANA), die sich unter anderem um die Rootserver kümmert, sichert den US-Behörden immer noch die Aufsicht über das Herzstück des DNS, die Rootzone. Diplomaten verschiedener Länder haben kürzlich gesagt, man wolle bei der Internationalisierung auch in diesem Punkt weiterkommen. Befürworten Sie Änderungen im IANA-Vertrag? Sollte eine unabhängige ICANN nun den nächsten Schritt tun?

Beckstrom: Ich denke, dass alle betroffenen Parteien sich die verschiedenen Positionen, die es in der Community dazu gibt, wie die ICANN sich weiterentwickeln sollte, genau anhören.

Sind sie zufrieden mit der Aufgabenverteilung zwischen VeriSign und der ICANN bei der DNSSEC-Signierung der Rootzone?

Beckstrom: Ich denke, zu allererst ist es wichtig, dass wir die Rootzone signiert bekommen. Das ist vorrangig. Ich gehe davon aus, dass die Partner zufriedenstellend zusammenarbeiten. Man sollte auch nicht vergessen, dass DNSSEC nicht das endgültige Nirwana ist. Es sorgt für substanziell mehr Sicherheit. Aber einen Sicherheitsmechanismus, der alle Probleme löst, gibt es nicht.

Fürchten Sie nicht, dass die Betrauung von VeriSign als einem privaten US-Unternehmen die Bedenken hinsichtlich der US-Lastigkeit der ICANN noch weiter vermehrt?

Beckstrom: Wichtig ist, zu sehen, dass die ICANN funktioniert. Das Internet mit seinen wachsenden Nutzerzahlen funktioniert. Das ist doch das Wunder. Kritik an der ICANN gab es von Anfang an. Aber die Organisation arbeitet gut zusammen mit der IETF, den IP-Adressverwaltern der Regionalen Internet Registries, den Verwaltern der Länderadresszonen und auch den Betreibern der Rootzone. Eine zentrale Koordination für Namen und Nummern brauchen wir, um die Eindeutigkeit der Namen und auch der Nummern zu gewährleisten. Die ICANN funktioniert, denn das Internet funktioniert. Darauf kommt es an.

Ohne die ICANN also kein Internet?

Beckstrom: Unser Hunger nach Konnektivität würde sicherlich dafür sorgen, dass es weiter Konnektivität gibt. Aber es würde zunehmend Barrieren geben. Mehr und mehr Freiheit im Netz würde verloren gehen.

Zurück zur Frage nach dem besonderen Einfluss der USA, was halten sie für die wirksamere Einflussmöglichkeit? Die besondere Aufsichtsrolle der National Administration and Telecommunications Administration (NTIA) oder die Chance für große US-Unternehmen, die Entscheidungen der ICANN durch Druck auf die US-Politik mit zu bestimmen?

Beckstrom: Es gibt sicher viele Parteien, die die Unabhängigkeit der ICANN untergraben wollen, und es ist wichtig, darauf mit der entsprechenden Wachsamkeit zu reagieren. Die Organisation muss als Ganzes entsprechenden Bestrebungen entgegentreten.

Sie haben bei ihrem Amtsantritt gesagt, dass DNSSEC, also die kryptographische Absicherung von Antworten der DNS-Server zur Vermeidung nicht autoritativer Antworten, nicht-lateinische Domains (IDNs) und generell die Sicherheit des Internet von zentraler Bedeutung seien. Was ist mit den neuen TLDs. In Deutschland hoffen viele auf einen Zeitplan. Was sagen Sie denen?

Beckstrom: Die ICANN entwickelt ihre Verfahren bottom-up und nicht top-down, die Direktoren im Vorstand müssen den Start verabschieden. Es gibt immer noch eine Reihe von Fragen, die die verschiedenen Interessensgruppen und die Direktoren überdenken. Die hauptamtlichen Mitarbeiter unterstützen beide Gruppen bei der Entwicklung von Verfahren. Daher können die hauptamtlichen Mitarbeiter (deren Chef Beckstrom als CEO ist, die Red.) auch keine Termine festlegen, denn wir kontrollieren weder die Verfahren noch können wir sie verabschieden. Das hauptamtliche Büro der ICANN sorgt lediglich dafür, dass die Entscheidungsverfahren laufen. Und es sind noch einige wichtige Entscheidungen zu treffen. (anw)