Insekten mit durchschnittlich 16 verschiedenen Pestiziden belastet

Die als "Krefeld-Studie" bekannte Untersuchung setzt die Forschung zum Insektenschwund in Schutzgebieten fort und gibt Einblicke in die Ursachen des Rückgangs.

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(Bild: Ayşenur / Unsplash)

Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Christian Schwägerl
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Insekten in deutschen Naturschutzgebieten sind mit einer Vielzahl von Pestiziden belastet. Das ist das Ergebnis einer im Wissenschaftsjournal "Scientific Reports" veröffentlichten neuen Studie, an der unter anderem der Entomologische Verein Krefeld beteiligt war. Der Untersuchung zufolge sind Insekten in deutschen Naturschutzgebieten mit durchschnittlich 16 verschiedenen Pestiziden kontaminiert. Da die Wirkstoffe Insektenbestände verringern und damit die Funktionsfähigkeit von Ökosystemen beeinträchtigen können, plädieren die Forscherinnen und Forscher dafür, weiträumige Pufferzonen um Naturschutzgebiete einzurichten, in denen die Verwendung von Pestiziden drastisch eingeschränkt wird. Diese Forderung wird vom Umweltbundesamt unterstützt. "Das ist eine gute Idee", sagte Dirk Süßenbach, UBA-Experte für Pflanzenschutzmittel, auf Anfrage.

Für die Untersuchung unter Leitung des Agrarforschers Carsten Brühl von der Universität Koblenz, an der auch das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung, der Entomologische Verein Krefeld und ein Mitarbeiter der Umweltorganisation Nabu mitgewirkt haben, wurden zwischen Mai und August 2020 in 21 deutschen Schutzgebieten des sogenannten Natura2000-Netzwerks Insekten nach einer einheitlichen Methode gesammelt und anschließend auf 92 handelsübliche Pestizide hin untersucht.

Insgesamt fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den Naturschutzgebieten 47 verschiedene chemische Wirkstoffe, die eingesetzt werden, um im landwirtschaftlichen Anbau unerwünschte Wildpflanzen, Insekten und Pilze zu bekämpfen. Davon waren 13 Herbizide zum Einsatz gegen Wildpflanzen, 28 Fungizide gegen Pilze und 6 Insektizide. In 16 der 21 Gebiete wurde auch ein inzwischen verbotener Wirkstoff aus der Klasse der Neonikotinoide gefunden, was die Forscherinnen und Forscher auf einen verstärkten Einsatz kurz vor Inkrafttreten des Verbots zurückführen.

Der Entomologische Verein Krefeld sieht in den Ergebnissen eine Warnung, dass bisherige Anstrengungen zum Schutz der Insektenwelt nicht ausreichen. "Fortschreitende, regionale Artenverluste" würden toleriert. Dass ausgerechnet Schutzgebiete, in denen sich Populationen der regional oder bundesweit vom Aussterben bedrohten Insektenarten befänden, mit derart vielen Wirkstoffen belastet seien, beurteilte Martin Sorg vom Entomologischen Verein Krefeld als alarmierend.

Eine Analyse der landwirtschaftlich genutzten Flächen rund um die Schutzgebiete ergab, dass die dort entdeckten Wirkstoffe nicht nur aus der unmittelbaren Nähe stammten, sondern aus einem Radius von zwei Kilometern.

Der Krefelder Verein war treibende Kraft hinter einer in Fachkreisen als "Krefeld-Studie" bekannten Langzeitstudie, die zu dem Ergebnis kam, dass innerhalb von 27 Jahren die Biomasse fliegender Insekten in deutschen Schutzgebieten um knapp 80 Prozent zurückgegangen war. Die 2017 veröffentlichte Studie hatte weltweit zu Diskussionen über die Gefahren einer dramatischen Verarmung der Insektenwelt ausgelöst.

Insekten sind wichtige Bestandteile aller Ökosysteme an Land. Sie nehmen wichtige ökologische Funktionen wahr, von der Bestäubung von Pflanzen – darunter auch Nahrungspflanzen des Menschen – über den Abbau abgestorbener Organismen bis zur Rolle als Nahrung größerer Tiere wie etwa von Vögeln. Nimmt die Vielfalt und Biomasse von Insekten ab, hat dies weitreichende negative Wirkungen in der Natur, die zu einer allgemeinen Verarmung führen können.

In der industriellen Landwirtschaft wird eine Vielzahl von Wirkstoffen eingesetzt, mit denen sowohl Wildpflanzen als auch Insekten, Würmer und Pilze gezielt getötet werden, um den Ernteerfolg für Nahrungsmittel zu erhöhen oder die Bearbeitung zu erleichtern.

Dazu werden auf Feldern durch Herbizide Wildpflanzen beseitigt, die den Kulturpflanzen Licht und Ressourcen wegnehmen und die Ernte verunreinigen könnten, Insekten bekämpft, da einige von ihnen direkt die Nahrungspflanzen attackieren und Mittel ausgebracht, um das Wachstum von Pilzen auf den Pflanzen oder im Wurzelwerk zu unterbinden.