Internet vom Kirchturm

Die evangelische Kirche in Berlin und Brandenburg will Gläubige mit WLAN in ihre Gotteshäuser locken. IT-Leiter Fabian Kraetschmer erklärt die Idee.

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Technology Review: Mit dem Projekt "Godspot" will die evangelische Kirche WLAN in Gotteshäusern anbieten. Wieso?

Fabian Kraetschmer: Kirchen waren schon vor Jahrhunderten Orte der Kommunikation, des Zusammenkommens und des vertraulichen Austausches. Heutzutage bewegen sich Menschen mehr und mehr im digitalen Raum. Das Ziel ist, dass die Kirche auch in diesem digitalen Raum sichtbar wird und auch hier einen Ort der vertraulichen Kommunikation schafft. Gleichzeitig fügen wir dem Kirchturm eine weitere Funktion hinzu.

Das Godspot-Paket für die Gemeinden ist "gebrandet".

(Bild: EKBO)

TR: Wie viele Kirchen wollen Sie vernetzen?

Kraetschmer: Die Pilotphase, die von der Kirchenleitung mit 100.000 Euro für zwei Jahre finanziert wurde, ermöglicht uns die Ausstattung von 220 Gemeinden und anderen kirchlichen Organisationen. Gleichzeitig wollen wir bis zum Evangelischen Kirchentag 2017 in Berlin alle Kirchen in Berlin und Potsdam ausstatten, die sich beteiligen wollen. Das wären etwas über 1000 Standorte.

TR: Wie kommt die Idee in den Gemeinden an?

Kraetschmer: Natürlich wird Godspot auch kontrovers diskutiert. Bisher haben wir aber noch jede Gemeinde, die sich für Godspot interessiert, überzeugen können.

TR: Darf man auch während des Gottesdienstes surfen?

Kraetschmer: Unsere Kirche hat Kommunikation nie eingeschränkt und wird das auch nie tun. Godspot soll und darf auch während des Gottesdienstes verwendet werden, wenn es um den Abruf von Texten oder Liedern geht. Auch eine mediale Unterstützung des Gottesdienstes durch Godspot ist denkbar.

Das Godspot-Paket ist leicht zu installieren.

(Bild: EKBO)

TR: Und wenn sich die Menschen im Gottesdienst ablenken lassen?

Kraetschmer: Dann haben wir eher ein Predigt- und Gottesdienst-Problem und kein Godspot-Problem. Gleichzeitig bieten wir allen Kirchen an, Godspot manuell oder zeitlich gesteuert abzuschalten, wenn digitale Stille gewünscht ist. Das kann jede Kirchengemeinde für sich selbst entscheiden.

TR: In Deutschland gibt es seit vielen Jahren die Debatte um die Störerhaftung in offenen WLANs – etwa wenn ein böswilliger Mensch illegal Filme zum Download anbietet. Fürchten sich Ihre Priester und Gemeinden nicht davor, dass ihre Schäfchen auf Abwege geraten könnten?

Kraetschmer: Unsere Kirche möchte daran arbeiten, insbesondere junge Menschen in Sachen Medienkompetenz fortzubilden. Dazu gehört es auch, darauf hinzuweisen, wenn etwas anrüchig oder gar illegal ist. Zensur wird bei uns nicht stattfinden. Gleichzeitig ist es aber selbstverständlich so, dass wir im Rahmen der technischen und rechtlichen Möglichkeiten ermittelnde Behörden unterstützen, wenn an uns herangetreten wird.

Godspot-Login auf einem Tablet

(Bild: EKBO)

TR: In Berlin versucht die Stadtverwaltung seit vielen Jahren, öffentliche WLANs einzurichten – ein Fest der Pleiten, Pech und Pannen. Kann die Evangelische Kirche das besser?

Kraetschmer: Wir tauschen uns regelmäßig mit unseren Kolleginnen und Kollegen der Berliner Senatskanzlei zu unseren beiden WLAN-Projekten aus. Die Beziehungen sind gut und wir freuen uns, gemeinsam an einer freien Kommunikationsinfrastruktur für Berlin, und im Falle unserer Kirche darüber hinaus, arbeiten zu können.

Organisatorisch und technisch helfen wir uns dort, wo es möglich und sinnvoll ist, ohne dass unsere Kirche dabei ihr Ziel aus den Augen verliert: Verkündigung des Evangeliums und Seelsorgearbeit für Menschen. (bsc)