Dokumentation: Interview zu "Watching You – Die Welt von Palantir und Alex Karp"

Die Firma Palantir ist genauso umstritten wie undurchsichtig. In einem Film skizziert Regisseur Klaus Stern die Pläne und Verbindungen des CEOs.

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Alex Karp am Rauchen einer Zigarre.

Alex Karp in jungen Jahren. Er rauchte gerne besonders teure Zigarren.

(Bild: Real Fiction Filmverleih)

Lesezeit: 7 Min.
Inhaltsverzeichnis

Palantir will mit seiner umstrittenen Datenanalyse- und Überwachungssoftware in möglichst alle staatlichen und privatwirtschaftlichen Bereiche eindringen und die "schwierigsten Probleme der Welt" lösen. Allein im ersten Quartal 2024 hat Palantir einen Gewinn von 106 Millionen US-Dollar erwirtschaftet und damit "den größten Quartalsgewinn in der zwanzigjährigen Geschichte unseres Unternehmens", schreibt Palantir-Chef Alex Karp Anfang Mai in einem Brief an Investoren.

"Software ist für uns eine Kunst. Und nur in der Kunst entfesselt sich die Kraft der menschlichen Kreativität und Gestaltungsfähigkeit", wirbt Palantir auf seiner Website. Sich selbst sieht das Unternehmen als Weltverbesserer. Palantirs Plattformen ermöglichen "Sicherheit und Datenschutz auf konkurrenzlosem Niveau", ist sich das Unternehmen sicher. Mit "Hessendata" gibt es in Hessen bereits eine abgewandelte Variante von Palantirs Software "Gotham", weitere Bundesländer prüfen deren Einsatz.

Künftig will Palantir der führende Softwarehersteller sein, der die zentralen Plattformen liefert, mit denen Daten aus kritischen Strukturen wie dem Gesundheitswesen, Geheimdienste, Energie, Verkehr, Telekommunikation, Finanzen, Polizei und Militär gesammelt und analysiert werden. "In diesem Jahrhundert wird sich die Kriegsführung durch Software weiter verändern", ist Karp überzeugt.

Dokumentarfilmer Klaus Stern macht gerne Filme über Größenwahn.

(Bild: Andrea Scheffer)

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber, Bayerns Landesdatenschutzbeauftragter Thomas Petri, Mitglieder des Chaos Computer Clubs, Bürgerrechtler und weitere können die zunehmende Verbreitung von Palantirs Software nicht gutheißen. Der Film veranschaulicht das Vorhaben der Firma und die Beziehungen von Karp jetzt, die manch einen schaudern lassen. Wir haben mit Klaus Stern, dem Regisseur von "Watching You – Die Welt von Palantir und Alex Karp", gesprochen.

heise online: Was war Ihre Motivation für den Film?

Klaus Stern: Ich war 2017 mit einem Freund, dem Dokumentarfilmer und Kameramann Thomas Giefer, in einem Biergarten in Berlin verabredet. Dabei erzählte er mir, er habe einen ehemaligen Protagonisten, nämlich den "Alex", mit dem er mal 1997 in New York gedreht hatte, kürzlich auf dem Titelbild des Forbes-Magazins gesehen. Der sei nun Milliardär und habe irgendeine obskure Firma. In den Neunzigerjahren war er ein Doktorand aus Frankfurt mit wenig Geld.

Ich hatte nie von Palantir gehört, Alex Karp war mir kein Begriff. Ich hatte dann aber gelesen, er wolle die "wichtigste Softwarefirma der Welt" erschaffen. Ich mag Menschen mit Ambitionen. Das war mein Mann.

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Was war für Sie während der Produktion des Films die überraschendste Erkenntnis?

Mich überrascht natürlich, in welche unterschiedlichen Bereiche Palantir überall eindringt und schon eingedrungen ist. Und was für ein hervorragender Verkäufer Alex Karp ist. Die Software ist keineswegs eine Luftnummer. Sie funktioniert.

Gibt es Aspekte, die während der Produktion entstanden sind, bei denen Sie dachten, diese gerne einbeziehen zu wollen, es aber aus bestimmten Gründen, wie Zeitmangel oder rechtlichen Beschränkungen, nicht getan haben?

Ich habe viel in den USA und auch viel mit Vertretern von Polizeibehörden gedreht. Dort habe ich erfahren, dass Palantir bereits seit einigen Jahren in einigen Polizeibehörden eingesetzt wird. Die Software sei wirksam und viele waren da auch relativ zufrieden, sagten aber, das sei viel zu teuer und sie würden sich nun andere Anbieter suchen.

Wir haben in den USA auch zum Beispiel Soldaten gesprochen, auch welche, die Palantir im Afghanistan-Einsatz genutzt haben und die waren durchaus von der Wirkungsweise von Palantir "überzeugt".

Überraschend fand ich dann doch, wie Palantir bei Terrorismus und im Krieg zum Targeting und anschließendem Töten genutzt wird; so wie es Michael Hayden, der ehemalige Chef der National Security Agency (NSA) auch ganz klar formuliert: "Wir töten Menschen auf Basis von Metadaten".

Wie haben Sie eigentlich eine Drehgenehmigung bei der Polizei in Hessen erhalten?

Ich habe mehrmals angefragt und bin zunächst abgelehnt worden. Das war nicht einfach. Die haben auf jeden Fall nicht "Hurra" geschrien, als ich mit ihnen drehen wollte. Geklappt hat es dann wahrscheinlich auch, weil sie dann doch gesehen haben, dass ich doch "einigermaßen seriös" arbeite.

Palantir-Mitarbeiter haben Sie dort nicht getroffen, oder?

Die Mitarbeiter von Palantir waren seltsamerweise ausgerechnet an dem Tag nicht da.

Haben Sie die Hessendata auch selbst nutzen können?

Ich habe gefragt, ob sie meinen Namen eingeben können, damit ich die Verbindungen und das Netzwerk um mich herum ansehen kann. Große Lacher um mich herum. "Nein", aus "Datenschutzgründen" könne man das auch nicht zu Demonstrationsgründen machen. Das wäre aber wirklich interessant gewesen.

Wieso hat es bis zum Erscheinen des Films eigentlich sieben Jahre gedauert?

Tatsächlich wurden nur vier bis fünf Jahre gedreht, aber von der ersten Idee bis zur Erstaufführung sind es tatsächlich 7 Jahre.

Das lag unter anderem an Corona und dann ist es wirklich auch so, dass die Zugänge zu Karp und Palantir sehr schwierig sind. Es gab niemals offizielle Antworten auf unsere Anfragen. Wie seriöse Pressearbeit wirkt das jedenfalls nicht.

Aber es ist nicht so, dass er gar nicht in die Öffentlichkeit tritt. Wem gibt er denn Interviews?

Er lässt sich gerne von Milliardären interviewen, ob das auf dem World Economic Forum in Davos ist – oder vom Vorstandsvorsitzenden der Axel-Springer SE, Mathias Döpfner. Aber auch mit anderen, besonders militärischen, Eliten spricht er gerne. Bei Maischberger war er jedenfalls noch nicht.

War es schwierig für Sie, Leute zu finden, die sich zu Palantir äußern wollen?

Ich habe keine aktuellen Mitarbeiter bei Palantir gefunden, die sich mir gegenüber äußern wollten. Und auch Leute, die sich nur beworben haben, mussten vor dem Bewerbungsprozess ein NDA unterschreiben.

Ich versuche kein schwarz-weißes Bild zu zeichnen, sondern auch die Grautöne und neben wertneutralen, auch die positiven Dinge zu dokumentieren. Alex Karp gibt selbst an, differenzierte Meinungen gut zu finden. Aber auf meinen Dokumentarfilm lässt sich das scheinbar nicht übertragen. Aber es ist natürlich sein gutes Recht, nicht mitmachen zu wollen.

Wie hat Palantir denn auf den Film reagiert?

Alex Karp hat sich bei mir jetzt noch nicht gemeldet. Ich weiß nicht, ob er ihn gesehen hat.

Welche Fragen an Alex Karp hatten Sie?

Ich hätte gerne mehr über seinen inneren Zwiespalt erfahren.

Zum einen, sagt er, kennt er Washington D.C. früher nur vom Protestieren gegen Reagan; gemeinsam mit seinen Hippie-Eltern. Heute sitzt er regelmäßig auf dem Panel des "Reagan National Defense Forums". Das ist schon eine spannende Entwicklung.

Was ist Ihr persönliches Fazit nach dem gesamten Entstehungsprozess?

Wir müssen als Gesellschaft diskutieren, was es für uns heißt, Software von Palantir einzusetzen. Was heißt es, wenn ein Unternehmen perspektivisch so tief in unseren Alltag – und auch in den Staat – eindringt. Wenn "Watching You" dazu beiträgt, dass über Palantir mehr gesprochen – und auch gestritten wird, fände ich das gut.

(mack)