"Isoliert und unkoordiniert": Studie untersucht weltweite Klimaanpassungen

Eine Meta-Studie zeigt, dass es an Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren mangelt, wenn es um Maßnahmen zur Anpassung an Klimafolgen geht.

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(Bild: fizkes/ Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Hanns-J. Neubert
Inhaltsverzeichnis

Mindestens 145 Milliarden Euro des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gingen Deutschland zwischen 2000 und 2021 aufgrund von Klimafolgeschäden verloren, die häufigere und intensivere Unwetter, Hitzewellen und Dürren verursachten. Diese Zahl ermittelte ein Forschungsprojekt im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).

Das abschließende Diskussionspapier des Projekts prognostiziert bis 2050 Einbußen von mindestens 280 Milliarden Euro für Deutschland. Im schlimmsten Fall könnten es sogar 910 Milliarden Euro sein, was dem derzeitigen jährlichen BIP von fast 20 Millionen Einwohnern entspricht. Diese Zahlen berücksichtigen noch nicht einmal die Verluste durch gesundheitliche Beeinträchtigungen, Todesfälle, den Rückgang der Artenvielfalt und eine schlechtere Lebensqualität.

Angesichts der zunehmenden Klimaschäden rücken deshalb Anpassungsmaßnahmen immer mehr in den Fokus. Sie können schützen, sind jedoch kein Freibrief, um Treibhausgasemissionen nicht drastisch zu senken. Anpassungen helfen nicht dabei, klimabedingte Wetterkatastrophen zu vermeiden, sondern lediglich die Kosten für Aufräumarbeiten zwischen den Katastrophen zu verringern. Außerdem gibt es eine Grenze, an der Anpassungen nicht mehr ausreichen.

Doch überall auf der Erde, nicht nur in Deutschland, fehlen übergreifende Konzepte. Denn ganze Gesellschaften, umfangreiche Infrastrukturen und das Risikomanagement müssen sich grundlegend verändern. In Deutschland ist die Klimaanpassung weitestgehend Aufgabe der Bundesländer. Weil aber relevante Infrastruktur wie Straßen oder Kanalisation in kommunaler Hand liegt, sind auch die Kommunen gefragt. Doch nach einer Umfrage des NDR gibt es allein in Norddeutschland deutliche Unterschiede bei der Umsetzung einzelner Maßnahmen. Die Bundesregierung will bis Ende 2024 eine Anpassungsstrategie mit messbaren Zielen vorlegen. Einen strategischen Rahmen für eine vorsorgende Klimaanpassung auf allen Verwaltungsebenen in Deutschland gibt es bereits. Somit zeigt allein der Blick auf Deutschland in puncto Klimaanpassungen derzeit einen Flickenteppich an Maßnahmen mit unterschiedlicher Tragweite.

Ein internationales Team von 30 Wissenschaftlern des Exzellenzclusters Klimaforschung in Hamburg und der Universität München hat nun auf die globale Situation geschaut. Ihre Studie zeigt, dass es weltweit an umfassenden Kooperationen zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren mangelt, um Gesellschaften besser vor den Auswirkungen des Klimawandels zu schützen. In ihrer Studie werteten die Wissenschaftler über 1.400 wissenschaftliche Publikationen aus, um sich einen Überblick über die Fortschritte bei den Anpassungsmaßnahmen weltweit zu verschaffen.

"Unsere Studie deutet darauf hin, dass Anpassung an den Klimawandel immer noch eher isoliert und unkoordiniert stattfindet", sagt Kerstin Jantke, Co-Autorin und Umweltwissenschaftlerin im Klima-Exzellenzcluster der Universität Hamburg. "Das steht in keinem Verhältnis dazu, wie dringlich und wichtig diese große Aufgabe ist."

Die Studie zeigt, dass es vor allem Einzelpersonen und Haushalte im globalen Süden sind, die versuchen, sich auf die drohenden Klimafolgen vorzubereiten. Dabei bleiben sie – unter ihnen beispielsweise Landwirte – weitgehend auf sich selbst gestellt. Sie bauen beispielsweise hitze- und trockenresistente Getreidesorten an, konstruieren Hochwasserdämme oder bohren tiefere Brunnen.

In den Städten sind es dagegen Politiker und Verwaltungen, die sich um Anpassungsmaßnahmen bemühen. Regierungen und deren Behörden schaffen die Rahmenbedingungen durch neue Gesetze, Landesplanung und finanzielle Unterstützung von Einzelmaßnahmen. Nur in reichen Regionen, wie in Europa, Nordamerika und Australien, mischen sich Regierungen auch direkt in den Umbau und den Schutz von Infrastrukturen und besonders gefährdeten Gebieten ein.

In Mittel- und Südamerika werben zivilgesellschaftliche Organisationen für Anpassungsmaßnahmen und unterstützen auch bei deren Umsetzung.

Kleine Inselstaaten, die vom steigenden Meeresspiegel betroffen sind, erhalten häufig von internationalen oder multinationalen Regierungsinstitutionen Unterstützung für Schutzinitiativen.

Die Privatwirtschaft, von Kleinunternehmen bis zu Konzernen, ist in der Regel nicht in diese gesellschaftliche Vorsorge eingebunden. Sie sichert in erster Linie nur ihre Produktionsstätten, Lagerräume, Energieversorgung und Transportwege ab. Auch Wissenschaftler, die als Berater oder Experten zur Verfügung stehen könnten, sind wenig beteiligt.

Solche getrennten Strukturen und unkoordinierten Aufgabenverteilungen führen letztendlich nur zu lokal begrenzten Anpassungen mit geringer Tiefe.

Um Gesellschaften effektiv zu schützen, sind jedoch oft tiefgreifende Veränderungen erforderlich. Dazu gehören der klimagerechte Umbau von Wäldern oder die Umwidmung von Agrarflächen in Überflutungsgebiete. Städte müssen neue Infrastrukturen schaffen, und manchmal ist es sogar notwendig, dass ganze Küstenorte umziehen.

All dies können nur umfassende Konzepte erreichen, bei denen alle gesellschaftlichen Ebenen zusammenarbeiten. Eine enge Kooperation zwischen Politik, Wirtschaft, Verwaltung bis hin zu Landwirten und Kleinbäuerinnen ist deshalb wichtig.

"Wenn sich weltweit vorwiegend Einzelpersonen wie Landwirtinnen und Kleinbauern engagieren, dann zeigt das auch, dass Kooperationen zwischen verschiedenen Akteursgruppen fehlen. Für nachhaltige Anpassungsprojekte wäre dies aber Voraussetzung", sagt Jan Petzold, Hauptautor der Studie und Geograph an der Universität München

Eine breite Zusammenarbeit auf allen Ebenen hat aber auch den Vorteil, dass unerwünschte Folgen von Anpassungsmaßnahmen vermieden werden können, weil mehr Wissen und unterschiedliche Erfahrungen zusammenkommen. Deiche und Dämme schützen zwar Menschen und Siedlungen gegen Sturzfluten und Hochwasser, können aber gleichzeitig Küstenlinien und Feuchtgebiete zerstören, dabei Artenvielfalt reduzieren und die natürliche CO₂-Bindung durch Pflanzen beeinträchtigen. Beispiele sind geschädigte Seegraswiesen, Mangrovenwälder und Korallenriffe aufgrund von Küstenschutzbauten. Auch können unbedacht eingeführte Baumarten, die besser mit heißerem Klima zurechtkommen, invasiv werden, einheimische Pflanzen vollständig verdrängen und neue Krankheiten einschleppen.

Letztendlich müssen aber alle Treibhausgasemissionen auf Null. Die bereits in der Atmosphäre vorhandenen Gase bestimmen das Klima noch für Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte. Wetterkatastrophen werden also weiterhin auftreten. Anpassungen helfen nur, in Zukunft irgendwie mit dem neuen Normal umzugehen.

(jle)