Was Zuckerketten im Speichel über Krebsveränderungen verraten

Krebs verändert winzige Zuckerschalter auf Zelleiweißen. Bisher ließen sich diese Unterschiede schlecht erkennen, doch eine neue Analyse macht sie sichtbar.​

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(Bild: Malin Arnesson)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Winzige Zuckermoleküle im Speichel könnten verraten, ob und welche Art Krebs jemand hat. Dafür muss man feststellen können, ob die Zuckerketten richtig zusammengebaut sind, sagt Daniel Bojar von der Universität Göteborg. In Tumoren können die Bausteine nämlich falsch zusammengesetzt sein.

Glykane oder Vielfachzucker (Polysaccharide) sind an sich natürliche Anhängsel von Proteinen – an der Zellmembran und in Zellen – und fungieren oft als Abstimmknöpfe: Sie regeln die Aktivität ihrer Proteine, zum Beispiel die von Antikörpern, hoch oder runter. Sind ihre Bausteine aber falsch zusammengesetzt, dann funktionieren sie nicht mehr wie vorgesehen.

Bisher ließ sich ihre Struktur aber nicht genau genug ermitteln und damit kaum Unterschiede zwischen Proben von Gesunden und Kranken feststellen, sagt Bojar. Das soll nun ein neuer KI-Algorithmus erlauben, den sein Team entwickelt und im Fachjournal Cell Reports Methods veröffentlicht hat.

"Sie können sich Glykane als winzige Lego-Häuser vorstellen", erklärt Bojar. So wie Legosteine auf unzählige Arten zusammengesetzt werden können, um verschiedene Gebäude zu erschaffen, so vielseitig können auch die Glykanbausteine zu komplexen Molekülen kombiniert werden.

"Dann wollen wir wissen, ob sich die Häuser in 'Cancer City' von denen in einer normalen Stadt unterscheiden. Aber unsere Berichte stammen bisher von Menschen mit schlechtem Sehvermögen", so Bojar weiter. "Wir müssen also einen Weg finden, um anhand dieser schlechten Beschreibungen oder Daten herauszufinden, was die beiden Städte unterscheidet."

Wie die Glykanketten-Häuser aussehen, in welcher Reihenfolge also ihre Zuckerbausteine zusammengesetzt sind, wird zunächst mithilfe der Massenspektrometrie untersucht. Diese Daten werden anschließend mit statistischen Analysemethoden ausgewertet. Bislang lassen sich auf diese Weise allerdings Unterschiede zwischen den Häusern nicht verlässlich erkennen.

Der neue KI-Algorithmus schärft die ungenauen Beschreibungen sozusagen. Dabei müsse man nicht die gesamten Häuser miteinander vergleichen, sondern es reichen einzelne Merkmale wie Fenster oder Schornsteine, erläutert Bojan den Vergleich. Sein Team untersuchte die Glykan-Daten von 223 gesunden und an Krebs leidenden Probanden aus insgesamt neun Studien. Die Gewebeproben der Krebspatienten stammten aus dem Magen, der Haut, der Leber, der Prostata, dem Dickdarm und den Eierstöcken.

"Wir haben eine sehr zuverlässige Aussage darüber erhalten, was sich bei Krebsglykanen verändert", sagt der Forscher. Bisher half die neue Methode, Veränderungen zu identifizieren, die in allen Krebsarten oder nur in einigen Sorten vorkommen. Damit lassen sich also gesunde Gewebeproben von solchen mit Krebs unterscheiden, beziehungsweise die Zahl möglicher Krebsarten eingrenzen. Einzelne Krebsarten wurden noch nicht unterschieden. Die Forscher hoffen aber, dass das in vier bis fünf Jahren mit Blut- oder Speichelproben möglich sein wird.

Parallel dazu wollen die Forscher auf Basis der bisherigen Ergebnisse billigere Krebstestmethoden entwickeln. Massenspektrometrie sei teuer und nicht weiträumig verfügbar. Günstiger, schneller und verlässlicher seien Tests mit Proteinen, die spezifisch an die identifizierten Krebsabschnitte von Glykanen binden, sagt Bojan. "Das ist nur möglich, weil wir jetzt wissen, wonach wir Ausschau halten müssen."

(jle)