KI-Tools für Entwickler: Wie Microsoft-Boss Nadella sie voranbringen will

Verantwortung, Produktivität, Programmierkenntnisse: Satya Nadella gibt einen Einblick in die Veränderungen, die seiner Meinung nach für Programmierer anstehen.

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Microsoft-Chef Satya Nadella

Microsoft-Chef Satya Nadella.

(Bild: Microsoft)

Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Mat Honan

Vergangene Woche in San Francisco machte Satya Nadella den Überraschungsgast. Auf dem DevDay von OpenAI, der ersten Veranstaltung des KI-Unternehmens für Entwickler, die dessen Plattform in ihre Programme einbauen wollen, gesellte sich der Microsoft-Chef zu OpenAI-CEO Sam Altman auf die Bühne. OpenAI und Altman hätten "etwas Magisches geschaffen", schwärmte er.

Zwei Tage später, auf einer anderen Bühne, an einem anderen Ort, auf einer anderen Entwicklerkonferenz, hatte Nadella schon seinen zweiten unangekündigten Auftritt in dieser Woche – diesmal bei GitHub Universe. Dort stellte Thomas Dohmke, CEO der Developer-Plattform, die selbst eine Microsoft-Tochter ist, eine neue Version des KI-Programmiertools Copilot vor, das Code aus natürlicher Sprache generieren kann. Nadella gab sich auch hier begeistert: "Ich kann endlich wieder programmieren", rief er aus. Am Mittwoch sprach Nadella dann auf der hauseigenen Entwicklerkonferenz Ignite, wo der Softwareriese noch mehr KI-basierte Entwickler-Tools ankündigt. Darunter: das "Azure AI Studio", mit dem Entwickler zwischen verschiedenen Sprachmodellen nicht nur von Microsoft, sondern auch von Unternehmen wie Meta, OpenAI und Hugging Face wählen können. Zusätzlich gab es neue Tools zur Anpassung von Copilot für Microsoft 365.

Nadella scheint vom Thema KI und Softwareentwicklung besessen zu sein. Er will den Menschen zeigen, wie sie eine neue Generation von KI-gestützten Tools nutzen können, darunter besagtes GitHub Copilot. Auch Microsofts Partner OpenAI, dem der Konzern bis zu 13 Milliarden US-Dollar zur Verfügung gestellt haben soll, wird von Nadella mit dessen Entwickler-Tools beworben. Zwischen seinem Veranstaltungs-Hopping fand Nadella dennoch Zeit für ein 20-minütiges Gespräch mit der US-Ausgabe von MIT Technology Review. Es wird dann auch dominiert von einem Thema: Entwickler. Nadella betonte wiederholt, dass Microsoft schon lange auf Entwickler setzt. Und er hatte noch eine Botschaft: Die Art und Weise, wie die Menschen Software erstellen, ändert sich grundlegend.

Nadella ist davon überzeugt, dass hier ein "Plattformwechsel" im Gange ist, der sich als ebenso bedeutsam erweisen wird wie der Wechsel vom Mainframe zum Desktop oder vom Desktop zum Handy. Diesmal geht es um KI-Tools für natürliche Sprache, von denen einige seiner Ansicht nach die Einstiegshürde für die Softwareentwicklung senken, die Produktivität bestehender Entwickler erhöhen und letztlich zu einer neuen Ära der Kreativität führen werden. Unter den folgenden Stichpunkten geben wir Nadellas Ansichten wieder. Seine Äußerungen wurden zur besseren Lesbarkeit leicht gekürzt.

    Die Beziehung zu OpenAI

Ein Kritikpunkt an OpenAI ist, dass das Unternehmen nur durch Microsoft existieren kann. Es hat dem KI-Start-up Milliarden von Dollar und Zugang zu seinen Ressourcen gewährt, die OpenAI für seine rechenintensive Sprachmodelle benötigt. Microsoft ist jedoch auch selbst in hohem Maße von der Technologie von OpenAI abhängig, um Dienste wie GitHub Copilot, Bing und Office 365 zu betreiben. Altman scherzte auf der Bühne sogar über diese Partnerschaft. Doch was sagt Nadella zu der Beziehung zu OpenAI?

"Ich war schon immer der Meinung, dass Microsoft ein Unternehmen ist, das auf Plattformen und Partner setzen muss. Das ist also nicht neu für uns. Und deshalb sind wir also beide praktisch voneinander abhängig. OpenAI verlässt sich auf uns, wenn es darum geht, die besten Modelle zu bauen – und wir verlassen uns auf OpenAI, wenn es darum geht, die besten Modelle zu entwickeln. Und wir gehen gemeinsam auf den Markt."

    Verantwortung gegenüber von Entwicklern

Nadella glaubt auch, dass sich der aktuelle Plattformwechsel in der Softwareentwicklung sehr von früheren unterscheidet. Er habe das Gefühl, dass das Unternehmen den Entwicklern nicht nur Tools zur Verfügung stellen muss, sondern auch eine klare Botschaft darüber vermitteln sollte, was es vorhat und wie die Entwickler dabei mitmachen können. Bei jedem Plattformwechsel müsse sichergestellt werden, dass damit alles möglich ist. "Für uns besteht die wichtigste Aufgabe also darin, die Entwicklerwerkzeuge, die Entwicklerplattformen, allgemein verfügbar zu machen", so Nadella.

Die zweite Aufgabe bestehe darin, dass Microsoft auch Licht in dieses Dunkel bringe, das sich dabei auftut. "Sei es, dass OpenAI ein ChatGPT entwickelt und dann darauf aufbaut, oder dass wir Copilot entwickeln und darauf aufbauend Innovationen schaffen." Das werde Entwicklern die Möglichkeit geben, ihre Anwendungen auf den Markt zu bringen. "Das Wichtigste bei der Entwicklung einer Plattform ist also, dass sie überall verfügbar ist, und sie den Entwicklern hilft, ihr Publikum zu erreichen." Das verfolge der Konzern auch mit seinen Konferenzteilnahmen.

    Über Produktivität und Veränderungen für Entwickler

Die Produktivitätszuwächse in den Vereinigten Staaten verliefen in den letzten 15 Jahren eher schleppend. Der letzte große Plattformwechsel in der Softwarebranche – hin zu mobilen Apps – scheint kaum zu mehr allgemeinem Wohlstand geführt zu haben. Nadella ist der Meinung, dass es bei der KI diesmal anders sein wird – vor allem, weil der Einsatz eine "kreative Revolution" auslösen werde. Jeder könne Neues schaffen, einschließlich Code.

Andererseits gilt, dass das Programmieren heute eine hoch qualifizierte, gut bezahlte Arbeit ist. Entsprechend besteht die Sorge, dass KI diese Arbeitsplätze tatsächlich automatisieren könnte. Nadella argumentiert hier, dass Programmierer mit Know-how auch in Zukunft gefragt sein werden, dass sich ihre Aufgaben jedoch ändern und sogar noch mehr Arbeitsplätze entstehen werden. Nadella stellt sich vor, dass bald eine Milliarde Entwickler auf den Microsoft-Plattformen arbeiten werden, viele von ihnen mit "wenig oder gar keiner" Erfahrung im Programmieren. Jedes Mal, wenn etwas so Umwälzendes geschieht, muss über die Veränderungen gesprochen werden, die das mit sich bringt. Und das bedeute auch, dass es um mehr Qualifizierung und Umschulungsmaßnahmen geht. "Interessanterweise ähnelt das eher dem, was passierte, als Textverarbeitungsprogramme und Tabellenkalkulationen aufkamen. Natürlich hat sich die Situation für eine Schreibkraft drastisch verändert. Aber gleichzeitig ermöglichte es einer Milliarde Menschen, Textverarbeitungsprogramme zu nutzen, Dokumente zu erstellen und miteinander auszutauschen."

Er glaube nicht, dass professionelle Entwickler künftig für den Markt weniger wertvoll sein werden als heute. "Es ist nur so, dass wir viele, viele Abstufungen von Entwicklern haben werden. Jedes Mal, wenn Sie einen Austausch mit Bing-Chat oder ChatGPT starten, programmieren Sie im Wesentlichen ja. Die Konversation selbst steuert ein Modell." Er denke, es würden dadurch viele neue Arbeitsplätze entstehen, "viele, viele neue Arten von Wissensarbeit oder sogenannter Frontline-Work, bei denen die heutige Plackerei wegfällt." Es erinnert ihn an das Zeitalter der Mobiltelefone. "Das war fantastisch. Sie ermöglichte die allgegenwärtige Nutzung von Dienstleistungen." Allerdings seien dabei eben nicht dauernd neue Dienste entstanden. Und das erwartet Nadella nun von KI.

"Das letzte Mal, dass es in den Vereinigten Staaten und darüber hinaus aufgrund der Informationstechnologie eine breite Produktivitätssteigerung gab, war das [Aufkommen des] PC. Selbst Kritiker der Informationstechnologie und der damit verbundenen Produktivität – wie Robert Gordon von der Northwestern University –, haben eingeräumt, dass der PC, als er zum ersten Mal am Arbeitsplatz auftauchte, tatsächlich zu weitreichenden Veränderungen der Produktivitätsstatistiken geführt hat."

Als Beispiel nennt er die Autoindustrie. Dort könne nun auch ein Anfänger Copilot nutzen, um Code zu schreiben. "Ich denke, wir werden eine echte Veränderung in der Produktivität der Autoindustrie erleben. Das Gleiche gilt für den Einzelhandel, für besagte Frontline-Arbeit und Wissensarbeit. Die Einstiegshürde ist sehr niedrig." Da es sich um natürliche Sprache handelt, könnten Fachleute Anwendungen oder Arbeitsabläufe entwickeln, auch wenn sie bislang nicht programmieren. "Das ist, glaube ich, das Spannendste an der Sache. Es geht hier nicht nur um den reinen Konsum und nicht um elitäre Kreation." Stattdessen werde Kreativität demokratisiert. "Ich bin sehr, sehr zuversichtlich, dass wir die Produktivitätsgewinne auf breiter Basis sehen werden."

    Urheberrecht und die Absicherung der Nutzer

Allerdings gibt es noch rechtliche Probleme. So sind zahlreiche Klagen von Eigentümern geistigen Eigentums in den USA anhängig, die die KI-Industrie stoppen wollen – oder zumindest einen Anteil sehen möchten. In mindestens einem Fall geht es speziell um den GitHub Copilot, wo behauptet wird, dass die generativen Tools von Microsoft und OpenAI, die auf Open-Source-Code trainiert sind, Softwarepiraterie darstellen. Es gibt die Befürchtung, dass Menschen, die diese Tools verwenden, anschließend selbst Ansprüche auf geistiges Eigentum erheben könnten. Microsoft versucht, diesen Problemen mit rechtlichen Maßnahmen zu begegnen. So sollen Nutzer von Copilot & Co. von Forderungen freigestellt werden. Auch OpenAI strebt dies an.

"Im Grunde genommen crawlen diese großen Modelle das Internet und holen sich Inhalte, auf die sie dann trainiert werden. Wenn jemand nicht möchte, dass seine Inhalte gecrawlt werden, haben wir tolle granulare Kontrollen in unseren Crawlern, die es jedem ermöglicht, das Crawlen zu verhindern." Bei Microsoft könne man sogar einstellen, dass nur für die Suche gecrawlt wird, aber nicht für das Training großer Sprachmodelle. "Das ist heute möglich. Wer also wirklich sicherstellen will, dass seine Inhalte nicht für das KI-Training verwendet werden, kann dies jetzt tun." Ansonsten müssten nun die Gerichte und der Gesetzgeber entscheiden, was "Fair Use" ist und was nicht.

Nadella betont, dass Microsoft sehr genau darauf geachtet habe, dass nur Daten zum Trainieren von Modellen verwenden werden, für die eine Genehmigung vorliegt. "Und von denen wir glauben, dass sie rechtlich zulässig sind. Wenn es aber dazu kommt, werden wir die Sache vor Gericht ausfechten." Das Unternehmen werde diese Lasten schultern, damit sich die Nutzer keine Gedanken darüber machen müssten. "So einfach ist das: Wir übernehmen die Haftung und übertragen sie von unseren Nutzern auf uns. Und natürlich werden wir sehr, sehr genau darauf achten, dass wir uns auf der richtigen Seite des Gesetzes befinden."

(bsc)