Kann der modernste Nanoröhrchen-Chip Moores Gesetz erhalten?

MIT-Forscher haben hartnäckige Probleme bei der Herstellung von Prozessoren aus Kohlenstoff-Nanoröhrchen gelöst. Mit ihnen könnte sich die gewohnt schnelle Transistor-Verdopplungsrate bei neuen Chips wiederbeleben lassen.

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Kann der modernste Nanoröhrchen-Chip Moores Gesetz erhalten?

Kohlenstoff-Nanoröhrchen.

(Bild: NASA / PD)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Martin Giles
Inhaltsverzeichnis

Ein Team von Wissenschaftlern am Massachusetts Institute of Technology (MIT) hat Ende August den weltweit modernsten Chip vorgestellt, der aus Kohlenstoffnanoröhren besteht. Die Wände dieser Zylinder sind gerade mal ein Kohlenstoffatom weit. Der neue Mikroprozessor, auf dem ein herkömmliches Softwareprogramm laufen kann, könnte ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Suche nach Alternativen für Silizium-basierte Computer sein.

Die Elektronikindustrie kämpft mit einer Verlangsamung des Moore'schen Gesetzes, wonach sich die Anzahl der Transistoren, die auf einen Siliziumprozessor gepackt werden können, alle paar Jahre verdoppelt. Dieser Trend stößt inzwischen an seine physikalischen Grenzen: Da die Größe der Bauelemente auf wenige Atome geschrumpft ist, beginnt elektrischer Strom aus den metallischen Kanälen zu lecken, die ihn durch die Transistoren transportieren. Die freigesetzte Wärme beeinträchtigt die Energieeffizienz der Halbleiter und kann sogar zu ihrem Ausfall führen.

Transistoren aus Kohlenstoffnanoröhren könnten die perfekte Lösung sein. Sie sind nicht nur schneller als Siliziumtransistoren. Studien zufolge können aus Nanoröhrchen hergestellte Chips bis zu zehnmal energieeffizienter. Diese Effizienzsteigerung könnte die Batterielebensdauer von elektronischen Geräten erheblich verlängern.

Forscher arbeiten seit Jahrzehnten an alternativen Chips mit Kohlenstoffnanoröhrchen. Doch wegen Herstellungsproblemen haben die Prozessoren die Forschungslabors bisher nicht verlassen können. Wie das MIT-Team im Fachjournal „Nature“ schreibt, könnte es einige der größten Hürden bei der Produktion in großem Maßstab endlich überwinden.

Eines der Probleme ist zum Beispiel, dass bei der Herstellung von Kohlenstoffnanoröhren zwei Typen miteinander vermischt werden: Der erste Typ ist ein Halbleiter, der sich perfekt für die Herstellung integrierter Schaltkreise eignet; der zweite leitet elektrischen Strom wie ein Draht, nimmt dabei allerdings mehr Energie auf und kann sogar die Leistungsfähigkeit eines Schaltkreises mindern. Um die Chips wirtschaftlich rentabel zu machen, ist ein kostengünstiger Weg zur Minimierung der Auswirkungen der letzteren Gruppe erforderlich.

Ein weiteres Problem besteht darin, dass zur Herstellung der Chips eine gleichmäßige Monoschicht aus Kohlenstoffnanoröhren über einem Wafer abgeschieden werden muss. Dies hat sich jedoch als schwierig erwiesen, da Nanoröhren eine ärgerliche Tendenz haben, sich zusammen zu lagern. Landet ein solches Bündel auf einem Transistor, kann es ihn außer Gefecht setzen.

Diese und andere Herausforderungen faszinierten Max Shulaker am MIT, der schon an anderen bemerkenswerten Projekten auf diesem Gebiet gearbeitet hat und von der US-Forschungsagentur für Verteidigungsprojekte (DARPA) Finanzmittel für die Entwicklung von Nanoröhrchentechnologie erhalten hat.

Shulakers Forschungsgruppe hat nun einen funktionierenden 16-Bit-Mikroprozessor aus mehr als 14.000 Kohlenstoffnanoröhrentransistoren entwickelt. Laut Shulaker ist er der komplexeste, der jemals vorgestellt wurde.

Die neuen Herstellungstechniken könnten mit Geräten zur Herstellung herkömmlicher Siliziumchips umgesetzt werden. Das bedeutet, dass die Chiphersteller nicht in teure neue Ausrüstung für die Nanoröhrenprozessoren investieren müssen.

Bei der Untersuchung des Vermischungsproblems stellten die Forscher fest, dass einige Logikgatter-Arten, die grundlegenden Bausteine ​​digitaler Schaltkreise, widerstandsfähiger gegenüber Problemen durch metallähnliche Nanoröhren sind als andere. Dies führte zur Entwicklung eines neuen Schaltungsdesigns, das diese Gatter bevorzugt und gleichzeitig die Verwendung empfindlicherer metallischer Gatter minimiert.

Um das Problem der Zusammenlagerung zu lösen, beschichteten die Forscher einen Wafer mit einem Polymer und wuschen ihn dann vorsichtig schrittweise wieder ab. Dadurch wurden die Nanoröhrchenklumpen entfernt. Zurück blieb die Monoschicht, die erforderlich ist, damit der Chip möglichst effizient arbeitet. Der neue MIT-Chip kann ein einfaches Programm ausführen, das die Meldung „Hallo Welt“ ausgibt.

Um Siliziumprozessoren zu verdrängen, werden Kohlenstoffnanoröhren letztendlich Milliarden von Transistoren benötigen, damit fortschrittliche Software auf ihnen laufen kann. Der IBM-Konzern, der vor einigen Jahren angekündigt hatte, bis 2020 Silizium-Chips durch Kohlenstoffnanoröhrchen-Chips ablösen zu wollen, arbeitet ebenfalls an solchen Technologien. Bisher ist IBM jedoch nicht gelungen, Durchbrüche im Labor in die praktische Fertigung zu übertragen. Die neuen Fortschritte könnten das nun erleichtern.

(vsz)