Keine Gelegenheit zu sterben: Wie James Bond den Viren trotzt

Wie schützt sich James Bond gegen Infektionskrankheiten? Zwei Forscher meinen: Aus epidemiologischer Sicht ist der Geheimagent wahrlich eine Doppel-Null.

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(Bild: Graumans, Stone, Bousema / Travel Medicine and Infectious Disease)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Boris Hänßler

Der eine oder andere Mann wird sich schon einmal gefragt haben: Was hat dieser James Bond, was ich nicht habe? Die Antwort ist: ein übernatürliches Immunsystem. Denn der britische Geheimagent bereist seit Jahrzehnten die Welt, um Schurken zur Strecke zu bringen und verzichtet dabei auf alle Vorsichtsmaßnahmen.

Bond hat ungeschützten Sex, wäscht sich selten die Hände, genießt ungewaschene Früchte und verzichtet auf jegliches Impfen. In einer amüsanten Studie haben der Forscher zu Infektionskrankheiten Wouter Graumans und der Epidemiologe Teun Bousema von der Radboud Universität in Nijmegen, Niederlanden, sowie William J.R. Stone von der London School of Hygiene & Tropical Medicine, die Gesundheitsrisiken, die Bond eingeht, untersucht – mit allerdings ernstem Hintergrund: Nach wie vor verzichten viele Menschen bei Reisen auf Krankheits-Prävention und riskieren damit ihr Leben.

Technology Review: Wie kamen Sie auf die Idee, sich mit den Gesundheitsrisiken von James Bond zu beschäftigen?

Wouter Graumans: Als Epidemiologen sind wir viel auf Reisen und werden dabei hin und wieder krank. Ich bin zudem ein James-Bond-Fan und so habe ich darüber nachgedacht: Wie schafft es dieser Mann so viel herumzureisen und überhaupt nicht krank zu werden? Wenn wir reisen, müssen wir recherchieren, welchen Krankheiten wir in dem entsprechenden Land ausgesetzt sein könnten und wie wir uns schützen können, etwa durch Impfung oder bestimmte Verhaltensregeln und trotzdem sind wir nicht völlig immun. James Bond scheint viele davon zu ignorieren – also wollten wir wissen, welches Risiko er damit eingeht. Dafür haben wir je 3.113 Minuten Bond-Filme angeschaut – und mussten Kommentare aushalten, die uns vorwarfen, Steuergelder zu verschwenden. Dabei taten wir das in unserer Freizeit.

Teun Bousema: Es gab aber auch positive Rückmeldungen von Forschern, die uns sagten, dass sie endlich mal wieder Freude daran hatten, eine Studie zu lesen. Aber bei allem Witz: Das Schlimme ist, dass sich viele Menschen tatsächlich nicht gut auf Reisen vorbereiten. Durchschnittlich fast jede Woche gibt es in den Niederlanden jemanden, der mit Malaria ins Krankenhaus eingeliefert wird. Das ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die Menschen Prävention nicht ernst nehmen.

Einer von Bonds offensichtlichen Risikofaktoren für eine Ansteckung mit Infektionskrankheiten ist der häufige Sex mit wechselnden Partnern. Wie gefährlich lebt Bond damit?

Graumans: Bond hatte insgesamt 59 sexuelle Begegnungen – das sind im Mittelwert 2,4 mal Sex pro Film. Zeit zum Kennenlernen seiner Partnerinnen nimmt er sich eher nicht. Da in einem Film im Hintergrund eine Uhr zu sehen war, konnten wir die Zeitspanne zwischen dem ersten Kennenlernen und dem Geschlechtsverkehr auf 20 Minuten schätzen. Einmal war diese Zeitspanne noch kürzer, als Bond versehentlich mit dem Fallschirm einer Luxusyacht landete. In der realen Welt würde er damit zu den etwa 20 bis 34 Prozent der internationalen Reisenden gehören, die Gelegenheitssex haben und von denen etwa die Hälfte kein Kondom benutzt.

Bousema: Damit drohen ihm Chlamydien, Gonorrhö, Hepatitis, Aids, Syphilis und einiges mehr. Allerdings hatte er anscheinend nichts davon. Stattdessen haben wir bei den Sexualpartnerinnen ein hohe Sterblichkeitsrate festgestellt, wobei Infektionen dabei keine Rolle spielten. Im übrigen gibt es keinen Zusammenhang zwischen der Popularität des Films und der Häufigkeit von Sex. Das nur am Rande.

Wenn ich an Reisekrankheiten denke, dann denke ich zuerst an Diarrhö. Müsste man Bond nicht ab und zu zur Toilette rennen sehen?

Graumans: Es wäre schwierig, bei den Verfolgungsjagden eine Toilette aufzusuchen. Und obwohl Durchfall die häufigste reisebedingte Erkrankung ist, haben wir nur bei zwei Gelegenheiten gesehen, wie er sich die Hände wäscht, einmal nach einer Mahlzeit und einmal, nachdem er einen Gegner in einem Schlammbad getötet hat. Meist ist es aber eher so, dass sich Reisende nicht gründlich genug die Hände waschen. Damit es etwas bringt, muss man sicherstellen, dass alle kontaminierten Stellen mit Seife in Berührung kommen, und sie zudem die notwendige Zeit hat, ihre Wirkung zu entfalten.

James Bond nutzt einmal sogar rohes Hühnchen, um Krokodile abzulenken – müsste er sich danach auch die Hände waschen?

Bousema: Auch da hat er dies versäumt. Ihm droht eine Ansteckung mit Campylobacter, Salmonellen oder Clostridien. Durch seine häufige Nähe zu der Perserkatze des Bösewichts Ernst Stavro Blofeld ist er auch einer Infektion mit Toxoplasma gondii ausgesetzt. Er isst zudem regelmäßig ungewaschenes Obst, obwohl auf der Schale Bakterien gedeihen, und seine Vorliebe für ungekochte Austern birgt das Risiko einer Vibriose-, Norovirus- und Hepatitis-Infektion. Champagner hat unseres Wissens keine schützende Wirkung.

Aber hilft es wirklich, die Bakterien loszuwerden, wenn man Früchte nur mit Wasser ab wäscht?

Bousema: Die Früchte werden nicht steril, aber Sie werden einige Krankheitserreger los. Es ist eine gute Praxis, sie zu waschen oder zu schälen. Aber es spielt natürlich auch eine Rolle, wie verbreitet die Flora ist. Es sind oft die Bakterien, denen man zuhause nicht ausgesetzt ist, die einen krank machen.

Wie kommt diese allgemeine Nachlässigkeit zustande?

Bousema: Es ist interessant zu sehen, dass in den frühen Bond-Filmen viel Wert auf die exotischen Schauplätze gelegt wird, während in den späteren Filmen dies nicht mehr im Vordergrund steht. Und ich denke, das illustriert, wie sich das Reisen verändert hat. Damals war Reisen teurer und entsprechend reisten die Leute weniger und bereiteten sich besser darauf vor. Hinzu kommt, dass die Leute einfach in einer guten Stimmung sind. Wenn man in den Urlaub fährt, hat man das Gefühl, unverwundbar zu sein.

Als Malaria-Forscher haben Sie sicher auch Mängel in der Prävention dieser Krankheit bei Bond ausgemacht?

Graumans: Nicht nur Malaria, auch Dengue und Chikungunya sind in Bonds Reisezielen präsent, etwa auf den Bahamas, in Jamaika und Indien. Natürlich kann es sein, dass uns die Filmemacher Impfungen einfach vorenthalten, aber Bond versäumt es auch, die grundlegendsten Vorsichtsmaßnahmen gegen Insektenstiche zu ergreifen. Er schläft nicht nur mit offenen Fenstern. In Jamaika empfiehlt ein Bekannter Salzwasser zur Abwehr von Stechmücken am Tag. Die Verwendung eines Insektizids mit nachgewiesener Wirksamkeit, zum Beispiel Diethyltoluamid, wäre eine bessere Maßnahme. Und Bonds Alkoholkonsum erhöht die Konzentration von flüchtigen Stoffen, die für weibliche Anopheles-Mücken attraktiv sind.

Also macht James Bond bei seinen Reisen so ziemlich alles falsch, was man falsch machen kann?

Bousema: Ich glaube, das tut er. Er rettet allerdings ein paar Mal die Welt. Das ist nützlich.

(jle)