Kindle Oasis im Test: Handlich, aber ohne Ausdauer
Leichter und schlanker ist der Kindle Oasis geworden, einfach zu halten und bequem bedienbar. Doch dafĂĽr geht Amazons 290 Euro teurer E-Book-Reader einen schmerzhaften Kompromiss bei der Laufzeit ein.
Oh, der ist aber klein. Die erste Begegnung mit dem Kindle Oasis läuft immer ähnlich ab. Denn im Vergleich zu anderen E-Book-Readern und selbst Amazons bisherigen Top-Modell Kindle Voyage fällt der Oasis ziemlich kompakt aus. Das weiterhin ein 6 Zoll großes Display drinsteckt, mag man zunächst kaum glauben. Doch geschrumpft ist lediglich das Gehäuse drumherum.
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Fast zwei Zentimeter kürzer ist der neue Kindle durch die oben und unten schmaleren Displayränder geworden und er wirkt nun beinahe quadratisch. An der dünnsten Stelle ist er nur noch 3,4 Millimeter dünn – der dickere Teil mit der Hardware nimmt ein Drittel des Gehäuses ein und formt so an der rechten Seiten eine Art Griff. Das verschiebt auch den Schwerpunkt des ohnehin mit gut 135 Gramm sehr leichten Geräts weiter an den Rand.
An der Griffseite ist auch der Displayrand deutlich breiter gestaltet, so dass der Daumen und Handballen darauf bequem Platz finden, ohne Gefahr zu laufen, den Touchscreen versehentlich auszulösen. Mitten auf der großen Auflagefläche und damit in Daumennähe befinden sich auch die beiden Hardwaretasten zum Blättern. Im Vergleich zu Sensortasten sind sie gut erfühlbar, das lästige Suchen der richtigen Fläche beim Verrutschen und Umgreifen entfällt.
All das sorgt dafür, dass der Kindle Oasis so gut in einer Hand liegt wie bisher kein anderer E-Book-Reader. Das klappt gleichermaßen gut mir der rechten wie linken Hand: Dreht man das Gerät, um es mit der anderen Hand zu halten, wechselt der Bildschirminhalt und die wählbare Tastenbelegung ebenfalls passend dank eines Lagesensors. Wer allerdings eine andere als die vorgesehene Handhaltung bevorzugt, hat das Nachsehen. Denn die schmalen Ränder oben und unten schränken auch die Möglichkeiten zum bequemen Anfassen dort ein.
Mit dem dicken Griffteil des Kindle Oasis hält man den E-Book-Reader in einer Hand sehr angenehm. (Bild: c't)
Doch das radikale abgespeckte Gehäuse ist nur die halbe Wahrheit des Oasis. Durch das Design hat der Reader kaum noch Platz für einen angemessenen Akku, der bisher den größten Teil der Innereien ausgemacht hat.
[Update:] Das sorgte beim ersten Testen für ein äußerst kurzes Lesevergnügen: Selbst bei abgeschalteter Beleuchtung und Funkverbindung hielt der Reader bei zweimal Umblättern pro Minute keine fünf Stunden durch, mit mäßiger Beleuchtung (50 cd/m²) gar nur drei. Einen Tag nach Veröffentlichung erreichte uns allerdings ein Update auf Firmware 5.7.4, mit dem der Akku deutlich länger lief: Eine erste Messung kam ohne Beleuchtung auf knapp 12 Stunden. Das ist zwar mehr als doppelt so lange wie dir ursprüngliche Messung, für einen E-Book-Reader aber immer noch sehr schwach. Zum Vergleich: In unseren Labortests hielten die anderen Kindle-Modelle ohne Beleuchtung beim Lesen zwischen 50 und 80 Stunden. [/Update]
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Amazon legt dem Oasis daher grundsätzlich eine Hülle bei, in der ein zweiter und deutlich größerer Akku steckt. Die Hülle hält mit Magneten sicher am Gerät fest und kann ohne viel Kraftaufwand entfernt werden. Über Pogo-Pins an Gerät und Cover läuft die Energieversorgung.
Steckt man den leeren Reader in die Hülle, lädt ihn diese in unter 2 Stunden auf. Für rund fünf vollständige Aufladungen reicht der Saft in der Hülle. Sie kann dauerhaft am Gerät verbleiben und hält den Akku des Readers selbstständig geladen. Aus Zeitgründen konnten wie die Laufzeit mit Hülle noch nicht messen. Die liefern wir in der c't-Ausgabe 11/16 nach.
Zusammen mit dem Einband wird der Oasis schwerer und dicker: Rund 240 Gramm Gewicht und 10 Millimeter Dicke liegen klar über den Werten anderer Reader ohne Hülle. Geladen wird diese nur über das Gerät, einen eigenen Micro-USB-Anschluss hat sie nicht. Eine LED im Einschaltknopf gibt Auskunft, wenn der Reader am Netz lädt, jedoch nicht wenn der Zweitakku aktiv ist. Das geht immerhin über das Hauptmenü des Kindle, in dem nun auch erstmals Prozentangaben zum Ladestand erscheinen.
Abseits der dringend notwendigen Laufzeitverlängerung macht die Hülle so einiges her. Die Oberseite ist aus schwarzem, roten oder braunem Leder, die jeweils über eine andere Struktur verfügen. Besonders die braune Wildledervariante gefällt mit ihrer griffigen Struktur. Allerdings lassen alle drei Versionen ein Teil der Gehäuserückseite und drei Kanten frei.
Die innen mit Filz beschichtete Front öffnet sich wie ein Buch und kann komplett umgeklappt werden. Dort wie sie von Magneten gehalten und schlackert nicht herum. Insgesamt wirkt die Akku-Hülle hochwertig, ist aber auch für den exorbitant hohen Preis des Gesamtpakets verantwortlich. Mit Hülle kostet der Kindle Oasis mindestens 290 Euro. Für 350 Euro gibt es die UMTS-Version mit kostenfreiem weltweiten Zugang.
Insgesamt wirkt das Gerät stabil und gut verarbeitet. Das mit Metall verstärkte Kunststoffgehäuse lässt sich vergleichsweise weit verwinden, überstand in unseren Versuchen aber auch recht grobe Biegeversuche unbeschadet.
Bekanntes Display mit hellerer Beleuchtung
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Das E-Ink-Display ist mit 300 dpi (1080 × 1440 Pixel) sehr scharf und entspricht den Bildschirmen von Voyage und Paperwhite 2015. Hässliche Treppen an Buchstaben und Symbolen sieht man auf ihm nicht. Das Schriftbild ist insgesamt sehr fein und auch kleine Schrift einwandfrei lesbar. Der Kontrast mit Beleuchtung liegt mit 17:1 auf dem guten Niveau des Paperwhite, aber hinter dem Voyage und den Tolino-Readern.
An der Hintergrundbeleuchtung hat Amazon geschraubt, sie schafft mit nun 10 LEDs 160 cd/m². Heller ist bisher kein E-Book-Reader. Nötig wäre das nicht unbedingt, denn auch im Sonnenlicht bleibt E-Ink ohne Beleuchtung wie gehabt sehr gut lesbar. Die LEDs strahlen nun von der langen Seite, ihre Positionen sind wie bisher mit bloßem Auge durch eine leichte Schattenbildung gerade noch auszumachen. Insgesamt fällt die Ausleuchtung jedoch sehr gleichmäßig aus. Die Reflexionen des über die gesamte Front laufenden Display-Glases halten sich in Grenzen, sind aber ebenso wie Fingerabdrücke nicht völlig vermeidbar.
Die praktische automatische Helligkeitsanpassung der anderen Modelle hat Amazon gestrichen. Will man abends im Bett nicht geblendet werden, hilft nur noch lästiges manuelles Nachjustieren in den Schnelleinstellungen. Dort kann man die Helligkeit auch komplett abschalten.
Im Gerät stecken ein Freescale-Prozessor mit 1 GHz, 512 MByte RAM und 4 GByte interner Speicher. Davon stehen knapp 3 GByte für den Nutzer zur Verfügung. Die Oberfläche reagiert flott für einen E-Book-Reader und der kapazitive Touchscreen reagiert zuverlässig. Geblieben ist die WLAN-Anbindung, die zwar n-WLAN unterstützt, aber immer noch keine 5-GHz-Netze.
Neue Schrift, überarbeitete Oberfläche
Die größten Unterschiede
Kindle Oasis
Kindle Voyage
Kindle Paperwhite 2015
Kindle 2014
Display
hohe Auflösung (300 dpi), sehr helle LED-Beleuchtung
hohe Auflösung (300 dpi), helle LED-Beleuchtung
hohe Auflösung (300 dpi), helle LED-Beleuchtung
niedrige Auflösung (167 dpi), keine LEDs
Gehäuse
neues, leichtes Design mit dünnem Gehäuse, das zu einer Seite in einem dickeren Griff endet
plane Vorderseite, gegenĂĽber dem Paperwhite leichtes und kompaktes Design
Plastik, Display liegt leicht vertieft
bullig und etwas schwerer als die ĂĽbrigen Modelle
Bedienung
Touchscreen + mechanische Tasten zum Blättern
Touchscreen + Sensortasten zum Blättern
Touchscreen
Touchscreen
Laufzeit
ohne Hülle sehr kurz (bei 50 cd/m²: 3 Stunden), mit Hülle noch nicht gemessen
lang (bei 50 cd/m²: 23 Stunden, ohne Beleuchtung: 74 Stunden)
lang (bei 50 cd/m²: 29 Stunden, ohne Beleuchtung: 50 Stunden)
sehr lang (83 Stunden)
Preis
ab 290 Euro
ab 190 Euro
ab 120 Euro
ab 60 Euro
Neu hinzugekommen ist die serifenlose Schrift Amazon Ember, die die mit dem aktuellen Paperwhite eingeführte Schriftart Bookerly ergänzen soll. Entfallen ist dafür die Schriftart Futura als Option, auf den älteren Geräten soll der neue Font nachgeliefert werden. Weitere Vorteile beim Schriftbild bringt sie nicht. Das ist seit dem Kindle-Software-Update aus dem vergangen Jahr ohnehin sehr fein. Dank sauberem Kerning (Abstand zwischen den Buchstaben), gleichmäßiger Wortabstände und Silbentrennung sehen die meisten E-Books schon fast wie das gedruckte Buch aus.
Vom Paperwhite und Voyage ist bereits die ĂĽberarbeitete UI bekannt, die heller und moderner daherkommt. Die neue optionale Startseite zeigt nun auĂźer den aktuell gelesenen BĂĽchern und den Empfehlungen aus dem Amazon-Store auch eine Leseliste, auf der Leseproben und vorgemerkte BĂĽcher gefĂĽhrt werden. Schaltet man die Startseite ab, erscheint direkt die eigene Bibliothek.
Trotz Lagesensor dreht das Gerät den Inhalt nicht automatisch ins Querformat, das muss wie gehabt über das Menü angestoßen werden. Keine Überraschung ist die weiterhin starke Bindung an das Amazon-Ökosystem. Andere DRM-Formate als Amazons eigenes werden nicht unterstützt; man kann aber kopierschutzfreie E-Books in Formaten wie PDF, AZW oder Mobi per USB auf den Reader laden sowie Office-Dokumente über Amazon konvertieren und per Mail an den Reader schicken.
Fazit
Der Kindle Oasis ist ein faszinierendes Gerät, denn mit seinem ungewöhnlichen Design bringt er neuen Schwung in die festgefahrene Kategorie der E-Book-Reader. Das asymmetrische Layout funktioniert, der Reader liegt gut in der Hand und die kompakten Abmessungen machen ihn auch unterwegs zu einem unauffälligen Begleiter. An der Software gibt es ebenfalls wenig zu bemäkeln.
Doch die Magerkur führt zu kurzen Laufzeiten. Schon bei der Fahrt in den Urlaub ist die Hülle zwingend nötig und in der Ferne erst recht. Man muss sich mit dem Oasis im Gepäck ernsthaft Gedanken über die Laufzeit machen – das nimmt ihm viel von der Einfachheit, die E-Reader sonst auszeichnen.
Das an sich schicke und clevere Cover macht wiederum einige Vorteile des Readers zunichte. Für eine brauchbare Laufzeit bleibt es unerlässlich und aus Bequemlichkeit wird die Akku-Hülle wohl häufiger als nötig am Gerät bleiben. Die Kombi ist dann aber schwerer als viele herkömmliche Reader, die ähnlich lange halten.
Für 290 Euro ist der neue Kindle zudem sehr teuer, selbst wenn man ihm die mitgelieferte Hülle zugute hält. Ob nun Kindle Paperwhite oder Voyage, beide sind bei vergleichbarer Technik deutlich günstiger und die Software ist auf dem gleichen Stand.
[Update vom 29.4.2016, 10:07] Nach einem Firmware-Update lief der Kindle Oasis deutlich länger als im ursprünglichen Text angegeben. Das ist nun korrigiert. [/Update]
Amazon-Reader im Vergleich
Kindle Oasis
Kindle Voyage
Kindle Paperwhite 2015
Kindle 2014
Hardware
MaĂźe / Gewicht
14,3 cm x 12,2 cm x 0,4 ... 0,9 cm / 136 g (Cover: 100 g)
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