Kompromissvorschlag in Sachen Netzneutralität
Seite 2: Kompromissvorschlag in Sachen Netzneutralität
Chiang meint, dass genau diese Art von Misstrauen dazu geführt habe, dass die Industrie falsche Entscheidungen trifft. Die Netzneutralität wirke derzeit wie die einzige Alternative gegenüber wettbewerbsfeindlichem Verhalten, bei dem die Netzwerkbesitzer ihren eigenen Inhalten oder denen ihrer Partner den Vorzug erteilten. Doch es gäbe auch einen gemeinsamen Weg, glaubt der Wissenschaftler. Eines der Hauptprobleme dabei sei noch, dass es so unendlich schwer sei, genau zu bestimmen, wo die Kosten und Vorteile lägen, wenn es unterschiedliche Arten der Informationsübermittelung zwischen Inhalteanbietern und Netzwerkbetreibern gäbe.
Chiang hat deshalb ein mathematisches Grundgerüst erstellt, das eine solche Kosten-Nutzen-Analyse durchführen kann. "Man denkt immer im Sinne von Kapazität einer Leitung wie im Comcast-Netzwerk oder im Sinne von Kapazität, die man zur Verteilung von Inhalten nutzen kann – etwa durch Peer-to-Peer-Netze. Eine Gesamtbetrachtung für beides zusammen gibt es noch nicht."
Für den Spezialfall der Video-Übertragung haben Chiang und seine Kollegen diesen Wert laut eigenen Aussagen bereits berechnet. "Wir besitzen hier bereits eine exakte Antwort darauf, was volle Kapazität bedeutet. Und wie man einen Algorithmus zur besseren Knoten-Auswahl erstellen könnte, der beliebig nahe an diesen Wert herankommt." Die Forscher haben außerdem ein zweites Modell entwickelt, das die wirtschaftlichen Interaktionen zwischen den Parteien, die im Internet-Inhalte-Verteilgeschäft agieren, beschreibt – und zwar nicht nur bei den Entwicklern von Dateitauschborsen und den Providern, sondern auch bei den Inhalte-Produzenten (wie Hollywood-Studios), den Verkäufern von Netzwerkhardware und den Endkunden.
Chiang räumt ein, dass seine Arbeit nur der erste Schritt in einem langen Prozess ist. "Die wahre Kapazität des Netzwerkes zu ermitteln, wird viele Jahre harter Arbeit für Computerwissenschaftler und Mathematiker bedeuten." Doch mit der riesigen Popularität, die bandbreitenintensive Dienste wie Internet-Videos oder Peer-to-Peer-Netze inzwischen erreicht haben und mit den Begehrlichkeiten, auch Fernsehprogramme in HD über das Netz zu schicken, wäre es wohl ein solches Modell eine echte Erleichterung. Die komplexe Dynamik müsse unbedingt wirklichkeitsgetreu abgebildet werden, meint Chiang. (bsc)