Kryptowährungen von der Zentralbank

Im Rahmen der Diskussion um Facebooks Libra stellt sich die Frage, ob es nicht angebracht wäre, wenn die Währungshüter selbst im Kryptogeschäft mitmischen.

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Geld, Münzen, Währung, Kryptowährung, Bitcoin

(Bild: Steve Buissinne, gemeinfrei (Creative Commons CC0))

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Mike Orcutt
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Zentralbanken in aller Welt behaupten seit Jahren steif und fest, sich (auch) für Kryptowährungen zu interessieren und sie eines Tages vielleicht selbst auf den Markt zu bringen. Getan hat sich bislang nichts. Doch der Druck durch Facebooks Versuche mit einem eigenen Coin namens Libra bringen nun Bewegung in die Debatte.

In einem kürzlich veröffentlichten Bericht riefen so beispielsweise die Ökonomen Tobias Adrian und Tommaso Mancini-Griffoli vom Internationalen Währungsfonds (IWF) politische Entscheidungsträger zu "schnellen regulatorischen Handlungen" auf, um die "beträchtlichen Risiken" zu adressieren, die vom Trend zu sogenannten Stablecoins, privat emittierten digitalen Währungen, die dahingehend entwickelt wurden, dass sie ihren Wert beständig beibehalten, ausgingen. Libra selbst will ein solcher sein. Wichtiger noch: Die Zentralbanken müssten vielleicht selbst ins Stablecoin-Geschäft einsteigen.

Die Möglichkeit, dass wir demnächst staatlich unterstützte digitale Währungen sehen, schien Anfang des Jahres noch in weiter Ferne. Augustin Carstens, Geschäftsführer der Bank of International Settlements, die sogenannte Zentralbank der Zentralbanken, zeigte sich in einer Rede im März wenig enthusiastisch: "Forschung und Experimentieren sind bisher daran gescheitert, einen überzeugenden Fall vorzulegen", sagte er. "Heute sehen Zentralbanken keinen Wert darin, sich ins Neuland zu wagen."

Im Juli machte Carstens jedoch eine Kehrtwende. "Es könnte viel früher passieren, als wir denken, dass es einen Markt gibt, und wir müssen in der Lage sein, digitale Währungen der Zentralbanken zur Verfügung zu stellen", sagte er der "Financial Times".

Was hat sich verändert? Im Juni enthüllte Facebook seine Pläne, einen Stablecoin namens Libra auszugeben, der durch Rücklagen, die sich aus unterschiedlichen Staatswährungen zusammensetzen, gedeckt werden wird. Die Aussicht auf eine nicht-staatliche Währung, die sofort weltweit Milliarden von Menschen, die Facebook-Produkte nutzen, erreichen könnte, drängt die Zentralbanker plötzlich in den Verteidigungsmodus.

Ganz vorn dabei ist die People's Bank of China. Die PBOC meint es ernst in Sachen digitale Währungen, seit 2014 untersucht sie die Technologie: Sie hat ein eigenes Forschungsinstitut, das sich darauf spezialisiert hat. Wang Xin, Direktor des Research Bureau der PBOC, sagte im Juli, dass die Bank Libra "große Aufmerksamkeit" schenke – obwohl Facebook in China zensiert wird. Facebook will Libra im kommenden Jahr auf den Markt bringen. Im August sagte Mu Changchun, Vizedirektor des Bereichs für Zahlungsverkehr der PBOC, dass eine digitale Version der chinesischen Währung als "Medium für Endkundenzahlungen" kurz vor der Veröffentlichung stehe.

Libra hat nicht nur in China für Aufsehen gesorgt. Die Regierungen in Frankreich und Deutschland neigen dazu, die Kryptowährung zu blockieren. Ihre Vertreter nannten Libra eine potenzielle Bedrohung für "Währungssouveränität". Benoît Coeure, Aufsichtsratsmitglied der Europäischen Zentralbank, sagte jüngst, dass Stablecoins "ernsthafte Risiken" hervorbringen. Libra sei ein "Weckruf", meinte er und fügte hinzu: "Wir müssen unser Nachdenken über eine digitale Zentralbanks-Währung intensivieren." Zwei US-Politiker führten kürzlich von Libra hervorgerufene Risiken in einem Brief auf und drängten die US-Notenbank dazu, die Entwicklung einer digitalen Version des Dollars zu erwägen.

Doch was genau sind die Risiken von privaten Stablecoins? Neben Standardbedenken bezüglich Geldwäsche und Terror-Finanzierung läuft vieles in dieser Diskussion darauf hinaus, ob man sein Geld einer Technikfirma anvertrauen will.

Private Stablecoin-Anbieter könnten Banken, die in der Regel mit strengen Verbraucherschutzregeln konfrontiert sind, als Hauptvermittler zwischen Zentralbank und Verbraucher ersetzen. Das könnte laut Adrian and Mancini-Griffoli vom IWF unvorhergesehene Konsequenzen haben. "Tech-Riesen könnten ihre Netzwerke nutzen, um Konkurrenten auszuschalten und Informationen zu monetarisieren, indem sie den firmeneigenen Zugang zu Kundentransaktionen nutzen", schreiben sie.

Die zwei Ökonomen weisen darauf hin, dass Stablecoins finanzielle Sicherheit untergraben könnten und dass Stablecoin-Nutzer riskieren, ihr Geld zu verlieren: "Ob Stablecoins tatsächlich stabil sind, ist fragwürdig." Es komme auf die Sicherheit und Verfügbarkeit der zugrunde liegenden Vermögenswerte an und darauf, ob sie "vor anderen Gläubigern geschützt sind, falls der Stablecoin-Anbieter in Konkurs geht".

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Adrian und Mancini-Griffoli sagen, dass Regierungen Stablecoin-Anbieter eventuell dazu verpflichten sollten, "Stablecoins vollständig mit Zentralbank-Reserven zu decken – die sichersten und zahlungsfähigsten Vermögenswerte, die zur Verfügung stehen". Sie verweisen darauf, dass China dies bereits von den beliebten Zahlungsplattformen Alipay und WeChat Pay verlangt. Dieser Ansatz könne genutzt werden, um das Geld der Konsumenten zu schützen, falls der Stablecoin-Anbieter in Konkurs geht, schreiben sie.

Die Angst vor potenziellen Gefahren ist jedoch nicht der einzige Grund, warum Zentralbanker sich für Libra interessieren. Der Direktor der Bank of England, Mark Carney, hat vor kurzem in einer Rede vorgeschlagen (pdf-Download), dass eine sicherere Alternative zu Libra eine öffentliche Version sein könnte.

Wie Libra könnte diese durch verschiedene Staatswährungen gedeckt sein, aber das Netzwerk würde von Zentralbanken statt von Firmen betrieben werden. "Selbst wenn die anfängliche Variante der Idee noch zu wünschen übrig lässt, ist das Konzept faszinierend", sagte Carney.

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