KĂĽnstliche Intelligenz: Voicebots von Verstorbenen sollen Trost spenden

Start-ups arbeiten an Technologien, mit denen wir mit unseren toten Angehörigen "sprechen" können. Das wirft ethische Probleme auf.

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(Bild: Collage: Najeebah Al-Ghadban)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Charlotte Jee
Inhaltsverzeichnis

Mehrere Start-ups arbeiten an digitalen Abbildern von Menschen, mit denen man sich über deren Tod hinaus unterhalten kann. Das berichtet das Magazin MIT Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe 1/2023 (ab sofort im heise shop bestellbar oder im Handel erhältlich). Diese digitalen Repliken sollen Hinterbliebenen Trost spenden und die Nähe zu den Verstorbenen schaffen. Ermöglicht werden sie durch die Fortschritte der künstlichen Intelligenz.

Das kalifornischen Start-up HereAfter AI hat einen Voicebot entwickelt, der auf Interviews mit den zu verewigenden Menschen beruht. Die Interviews werden wiederum ebenfalls von einem Bot geführt. Darum geht es unter anderem um Jugenderinnerungen oder persönliche Überzeugungen. Ihre Angehörigen können eigene Fragen ergänzen, um die Befragung persönlicher zu machen. Das Ergebnis ist eine Alexa-App, mit der man sich über ein Amazon-Echo-Gerät unterhalten kann. Die Themenauswahl ist allerdings auf das begrenzt, was in den Interviews zur Sprache kam.

Das fünf Jahre alten Start-up StoryFile verspricht, die Dinge auf die nächste Stufe zu heben – mit Video statt nur mit Stimme. Dabei kann man aus Hunderten von Fragen auswählen, die man einer Person stellen möchte. Die Antworten lassen sich mit jedem Gerät aufnehmen, das Kamera und Mikrofon hat, wobei das Ergebnis umso besser ist, je hochwertiger die Aufnahme ist. Aus den hochgeladenen Dateien baut das Unternehmen einen Avatar, mit dem man sprechen kann. Auch er kann allerdings nur die Fragen beantworten, für die er programmiert wurde.

Dieser Text stammt aus: MIT Technology Review 1/2023

Der Energieverbrauch muss runter. In der neuen Ausgabe stellen wir einige Ansätze der Energiewende und technischen Effizienzsteigerungen vor. Das neue Heft ist ab dem 22.12. im Handel und ab dem 21.12. bequem im heise shop bestellbar. Highlights aus dem Heft:

Der CEO von StoryFile, Stephen Smith, erzählt, dass seine Mutter an ihrer eigenen Beerdigung "teilnahm": "Am Ende sagte sie: 'Das war's dann wohl von mir ... auf Wiedersehen!', und alle brachen in Tränen aus." Ihre digitale Teilnahme sei von Familie und Freunden gut aufgenommen worden. Und, das wohl Wichtigste: Es tröstet ihn, dass er etwas von seiner Mutter mit der Kamera festhalten konnte, bevor sie starb.

HereAfter und StoryFile zielen darauf ab, die Lebensgeschichte einer Person zu bewahren. Allerdings können sie nicht auf den jeweiligen Gesprächspartner reagieren. Jeder kann mit ihnen reden, und sie antworten immer gleich.

You, Only Virtual will noch weiter gehen und einen personalisierten Bot schaffen. Die erste Version soll Anfang 2023 starten und es Menschen ermöglichen, einen eigenen Bot zu erstellen, indem sie die Textnachrichten, E-Mails und Telefongespräche einer Person hochladen. Das Unternehmen baut derzeit eine Kommunikationsplattform auf, über die Kunden ihren Angehörigen Nachrichten schicken und mit ihnen sprechen können, während sie noch leben. Auf diese Weise stehen alle Daten nach dem Tod automatisch zur Verfügung. Die maßgeschneiderte virtuelle Persona spricht mit den Hinterbliebenen in dem individuellen Stil, wie es zu Lebzeiten der Fall war.

Ein digitales Abbild einer Person ohne deren Mitwirkung zu erstellen, wirft komplexe ethische Fragen zum Datenschutz auf. Manche mögen zwar argumentieren, dass die Zustimmung weniger wichtig ist, wenn jemand nicht mehr lebt. Aber sollten die Gesprächspartnerinnen oder -partner, die an der Erzeugung der Daten beteiligt waren, nicht ebenfalls ein Mitspracherecht haben?

Und was ist, wenn die digital geklonte Person gar nicht tot ist? Es gibt wenig, was Menschen daran hindert, mit Hilfe von Trauertechnologie virtuelle Versionen von lebenden Personen ohne deren Zustimmung zu erstellen – zum Beispiel von einem Ex-Partner. Die Trauertechnologie-Dienstleister versprechen, die Daten einer Person zu löschen, wenn diese es verlangt. Sie sind jedoch nicht verpflichtet, vorab zu überprüfen, ob Personen ihr Einverständnis gegeben haben oder überhaupt gestorben sind. Kein Gesetz verbietet es, Avatare von anderen Menschen zu erstellen.

(grh)