Künstliche Intelligenz trifft Datenschutz

Seite 3: Intervenierbarkeit bei einer KI

Inhaltsverzeichnis

Je smarter ein Automat assistiert, desto dringlicher stellt sich eine normative Frage: Soll die Maschine letztlich den Piloten oder der Pilot die Maschine führen (instruktiv die sechsstufige Automationsskala bezüglich automatisierten Fahrens)? Die aus der Antwort ableitbare Regel hängt abstrakt vom Prüfkriterium ab und lautet konkret: Systeme sind so einzurichten, dass bei wechselnden Anforderungen die Steuerung beziehungsweise Assistenz wechseln kann.

Aus Datenschutzsicht gilt dabei dogmatisch zu fordern, dass sich ein KI-System mit Personenbezug ausschalten lässt, ohne das Vorgehen als Notfall zu gestalten oder dem Nutzer besondere Haftungskosten aufzubürden. Ein Ausschaltknopf operationalisiert perfekt die Einwilligung für den unmittelbar Betroffenen. Dabei kann die Skala der Intervention beim nachträglichen Ausfüllen eines Beschwerdeformulars beginnen und über den Ausschaltknopf an jedem KI-System bis zur Totmannschaltung reichen, mit der eine KI nur dann läuft, wenn ein Mensch diese aktiv fortlaufend überwacht.

Intervenierbarkeit muss zudem für Organisationen und die Gesellschaft insgesamt sichergestellt sein. Dabei reicht die Skala von Maßnahmen zur obligatorischen Prüfung und Freigabe riskanter KI durch Kontrollbehörden beispielsweise analog zur Freigabe von Medikamenten oder aus dem Umweltschutz- und Kartellbereich, bis zu einer KI-"Feuerwehr" oder der Polizei, die passende rechtliche Befugnisse erhalten müssen.

Auch für solche Interventionen müssen die KI-Systeme den Akteuren entgegenkommen. Wieder lohnt ein Blick in die Autofahrautomation, denn dort werden derzeit überzeugend skalierbare Maßnahmen entwickelt und getestet, um KI-Systeme allseits verträglich herunterzufahren. Derart starke Grundrechtseingriffe sollten staatlichen Institutionen vorbehalten sein und keinesfalls privaten Interessenten wie Herstellern oder Versicherungen zugestanden werden.

Bei der Gestaltung von KI sollten Nutzer sowohl an der Festlegung der Risikomodelle als auch beim Kuratieren der Daten beteiligt werden, um unter anderem das Risiko von Diskriminierungen zu verringern. Das heißt konkret, dass bei Architekturentscheidungen im Kontext der KI tatsächlich alle gesellschaftlich relevanten Interessenverbände zu beteiligen sind. Und bei persönlichen Asisstenzsystemen sollte das Paradigma "nutzerkontrolliertes Kuratieren" gelten, wonach das Training der Systeme mit den Nutzerdaten unter ausschließlicher Kontrolle der Betroffenen erfolgt.

Ein in der Praxis bewährtes Framework zur systematischen Durchführung einer DSFA gemäß Artikel 35 DSGVO hat das Privacyforum entwickelt. Es gliedert den Prozess zur Durchführung einer DSFA in vier Abschnitte:

  • Abschnitt A fordert zur Klärung der Voraussetzungen auf wie das Durchlaufen rechtlicher Prüfungen oder den Aufbau eines Projektmanagements, denn gemäß DSGVO sind die Datenschutzbeauftragten nicht für die Durchführung einer DSFA verantwortlich.
  • Abschnitt B strukturiert die Durchführung der eigentlichen Risikoabschätzung entlang der sechs Schutzziele des Datenschutzes, die im DSFA-Bericht für die Leitungsebene mündet.
  • Artikel 35 verlangt darüber hinaus die Implementierung von Schutzmaßnahmen, die Gegenstand des Abschnitts C ist.
  • Abschnitt D umfasst Maßnahmen, mit denen die Verfahrensverantwortlichen die Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen und damit auch die Compliance der Verarbeitung insbesondere gegenüber Datenschutz-Aufsichtsbehörden nachweisen können.