Kurznachrichtendienst: Drittanbieter erweitern Mastodon um innovative Funktionen
Nachdem Reddit und Twitter Drittanbieter-Apps ausgesperrt haben, kann man jetzt bei Mastodon sehen, wie innovativ solche Anwendungen sein können.
Zwar ist seit der Twitter-Übernahme durch Elon Musk Bewegung in den Markt der sozialen Netzwerke gekommen, dabei geht es aber mehr darum, wer dem Kurznachrichtendienst ähnlich genug ist, um ihn zu beerben. Während es dabei aber zumeist darum geht, welcher Dienst wie viele Nutzer und Nutzerinnen hat, geht es seltener um technische Innovationen und Versuche, das ursprüngliche Konzept von Twitter zu erweitern. Dabei ebbt die Kritik an algorithmischen Timelines, automatischen Empfehlungen und Maßnahmen zur Verlängerung der Nutzungszeit nicht ab. Vor allem für Mastodon gibt es aber längst einige interessante Konzepte. Verschiedene Anwendungen nutzen die Offenheit der Twitter-Alternative im Fediverse, um auch Grundlegendes anders zu machen.
Ruhig auch mal weglegen
Besonders ungewöhnlich sieht Mastodon beispielsweise in der App Rodent aus, zumindest wenn man das möchte. Zwar kennt die nur für Android verfügbare Anwendung die üblichen Modi, wie jenen mit einer chronologischen Timeline, in der die Beiträge aller gefolgten Accounts hintereinanderstehen, ungewöhnlich ist aber ein anderer. Dabei werden lediglich die aktivsten dieser Accounts untereinander aufgelistet und daneben stehende Zahlen zeigen an, wie viele Beiträge sie abgesetzt oder geteilt haben. Das ermöglicht es, direkt zu den Beiträgen jener Nutzer oder Nutzerinnen zu springen, die besonders interessieren und mindert zugleich die Angst, etwas zu verpassen ("FOMO"). Außerdem kann die Ansicht verdeutlichen, wie wenige Accounts eigentlich die eigene Timeline befüllen.
Eine andere Neuerung führt dagegen Phanpy ein, eine schicke Oberfläche für Mastodon, die zwar nur als Weboberfläche verfügbar ist, auf dem Smartphone aber auch als PWA installiert werden kann. Scrollt man hier, wie von Twitter gewohnt, von oben nach unten durch die Timeline, wird die immer wieder von kleinen Galerien aufgebrochen. In denen werden Beiträge gesammelt, die nur über die Teilen-Funktion in der Timeline gelandet sind und nicht zwangsläufig von Accounts stammen müssen, denen man selbst folgt. Das lockert die ansonsten sehr starre Timeline merklich auf und hebt gleichzeitig Beiträge, die tatsächlich von gefolgten Accounts stammen, von jenen ab, die in die eigene Timeline geteilt wurden.
Eine andere interessante Funktion nennt Phanpy "Catch-up", also in etwa "Aufholen". Dabei lassen sich – bis zu maximal 800 – Beiträge der letzten ein bis zwölf Stunden in einer speziellen Ansicht zusammenfassen. Hier kann man nach bestimmten Accounts und anderen Kriterien filtern – darunter auch nach "Informationsdichte", also bevorzugt kurze Beiträge. Außerdem kann man sich direkt jene Links – meist zu Nachrichtenseiten – auflisten lassen, die in dem Zeitraum besonders oft geteilt wurden. Die Funktion soll es ermöglichen, nach einer Auszeit von Mastodon leicht wieder einen Überblick zu bekommen, was man so alles verpasst hat. Genau wie bei Rodent geht es also darum, dass Mastodon ohne Angst etwas zu verpassen eine Weile zur Seite gelegt werden kann.
Trunks (für iOS, Android und den Browser) wiederum setzt auf noch mehr Filter als die Konkurrenz: Hier kann man nicht nur direkt in der Timeline auswählen, welche Art von Beiträgen – also originale, geteilte, als Antwort abgesetzt oder alle – man sehen will, auch unter Beiträgen gibt es eigene Möglichkeiten, Ordnung in die Vielfalt zu bringen. Über dort auswählbare Filter kann man sich unter anderem die "besten" oder die "kontroversesten" Antworten zu einem Beitrag zuerst anzeigen lassen, die klassische chronologische Ansicht gibt es ebenfalls. Die kontinuierlich weiterentwickelte App kann man außerdem mit Themes visuell individualisieren.
Unterschiedliche Zugangsarten
Für die klassischen sozialen Netze ungewohnt, aber für Mastodon als Teil des sogenannten Fediverse völlig normal sind obendrein die großen Unterschiede, die bezüglich der Darstellung zwischen den verschiedenen Zugriffsmöglichkeiten bestehen. So gibt es nicht nur viele verschiedene Möglichkeiten, die Anwendung so aussehen zu lassen wie Twitter. Unterschiedliche Apps legen auch verschiedene Schwerpunkte: So kann man etwa aus der Instagram-Alternative Pixelfed problemlos Mastodon-Accounts folgen, nur werden dort deren Beiträge mit Bildern in den Vordergrund gerückt. Die Magazin-App Flipboard wiederum kann ebenfalls mit Mastodon verknüpft werden, legt dann aber den Fokus auf Onlinemeldungen, zu denen von dort verlinkt wird.
Die Beispiele zeigen, wie man auf Mastodon davon profitiert, dass die zugrundeliegende Software frei und für Drittanbieter offen ist. Wer Clients dafür entwickeln will, muss nicht befürchten, plötzlich ausgesperrt zu werden, wie es im vergangenen Jahr etwa bei Reddit und Twitter passiert ist. Zudem gilt die von Mastodon selbst bereitgestellte Software nicht unbedingt als die visuell ansprechendste oder inhaltlich umfangreichste – man kann damit beispielsweise keine Beiträge zeitsteuern. Das sorgt dafür, dass alternative Zugriffsarten ausprobiert werden, wovon diese Anwendungen profitieren. Wenn der Kurznachrichtendienst Threads von Meta hierzulande mit Mastodon verbunden wird, dürfte das Interesse an solcher Software noch einmal ansteigen. Es lohnt sich also, weiter die Augen aufzuhalten.
(mho)