Large Hadron Collider: Supersymmetrie auf dem Prüfstand

Seite 3: Ausblick

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Das Standardmodell liefert auf grundlegende Fragen wie die Natur der Dunklen Materie oder den Ursprung der Materie-Antimaterie-Asymmetrie keine Antworten; die Suche nach Physik jenseits des Standardmodells ist daher ein zentraler Teil des Forschungsprogramms am LHC. Da bisher keine supersymmetrischen Teilchen gefunden wurden, sind andere Ansätze für die Suche nach neuer Physik wie effektive Feldtheorien, vereinfachte Modelle oder auch die Suche nach Anomalien durch Methoden des maschinellen Lernens stärker in den Fokus gerückt.

Die Supersymmetrie spielt allerdings weiterhin eine wichtige Rolle bei der Planung und Interpretation experimenteller Analysen. So sind viele Suchen nach supersymmetrischen Teilchen sensitiv auf generische Effekte neuer Physik, beispielsweise auf die Existenz von Leptoquarks als eine mögliche Erklärung für Hinweise auf die Verletzung der Flavor-Symmetrie in der B-Physik [].

Supersymmetrische Modelle motivieren zudem die Analyse von bisher wenig untersuchten und experimentell anspruchvollen Signaturen. Die hier beschriebene Suche nach den supersymmetrischen Partnern der elektroschwachen Eichbosonen führt zu neuen, verfeinerten Methoden, um damit langlebige Teilchen nachzuweisen. Neben der Supersymmetrie sagen auch viele alternative Ansätze für Dunkle Materie solche Teilchen voraus.

Schließlich zeigt sich, dass eine theoretisch konsistente Formulierung der vereinfachten Modelle, die in den letzten Jahren vermehrt zur Interpretation experimenteller Analysen dienten, häufig zu theoretischen Strukturen führt, die aus der Supersymmetrie bekannt sind. Nur im Rahmen solch konkreter und theoretisch konsistenter Modelle lassen sich die am LHC gewonnenen Ergebnisse mit den Suchen nach neuer Physik in niederenergetischen Präzisionsexperimenten oder der Astroteilchenphysik und Kosmologie in Beziehung setzen.

Die Forschungsprogramme des LHC und des geplanten Upgrades zum High-Luminosity LHC sind nicht darauf ausgerichtet, ein spezielles Modell zu überprüfen, sondern haben einen weitgehend explorativen, ergebnisoffenen Charakter. Supersymmetrische Modelle sind aufgrund ihrer reichhaltigen und teils experimentell herausfordernden Signaturen als Motivation und Interpretationsrahmen für die Suche nach neuer Physik am LHC unerlässlich.

Im Fokus zukünftiger Messphasen stehen Suchen nach seltenen Prozessen, die aufgrund ihrer geringen Ereignisrate oder komplexer Signaturen schwer nachzuweisen sind. Daher besteht z.B. bei Suchen nach Charginos und Neutralinos großes Entdeckungspotenzial mit weiteren LHC-Daten. Sollte die neue Physik bei Energien weit oberhalb der TeV-Skala auftreten, sind neue Hochenergiebeschleuniger nötig, um die Sensitivität der Suchen signifikant zu erhöhen. So könnten Präzisionsmessungen an Elektron-Positron-Collidern Quanteneffekte schwererer Teilchen aufspüren oder Proton-Proton-Beschleuniger mit höherer Schwerpunktsenergie neue Teilchen direkt erzeugen.

Michael Krämer, Jeanette Lorenz und Isabell Melzer-Pellmann. "Supersymmetrie auf dem Prüfstand“ Physik Journal. 2020. 11. 44 ff. Copyright Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA. Reproduced with permission.

(mho)