Linus Torvalds: Quellcode lese ich nicht mehr

Seite 3: Ein anderes Tool? Tablets und Clouds.

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Glyn Moody: Bedeutet das, dass du jetzt die Gelegenheit hättest ein ähnliches Tool wie Git zu schreiben – aber dann eins zum Managen von Menschen statt Quellcode?

Linus Torvalds: Ich glaube nicht, dass wir das tun werden. Eventuell werden wir tatsächlich ein paar Tools erstellen, aber im Prinzip befasse ich mich mit der Interaktion zwischen Menschen. Wir haben bereits Werkzeuge, die uns helfen, den Zuständigen ausfindig zu machen. Wenn es in einem bestimmten Bereich Probleme gibt, können wir damit feststellen, wer den Code zuletzt "angefasst" hat und wer der Verwalter des entsprechenden Subsystems ist. Ein gewisses Maß an Automatisierung ist einfach notwendig, wenn so viele Menschen involviert sind. Gleichzeitig besteht die Arbeit selbst daraus, mit den Leuten zu reden und zu interagieren. Gerade auch weil Menschen verschieden sind und verschiedene Arbeitsweisen haben, sollte man darauf achten, nicht zu viel zu automatisieren.

Wir machen unseren Job richtig gut. Bestimmte Schwierigkeiten, mit denen wir vor zehn Jahren kämpften, gibt es jetzt einfach nicht mehr. Das hat viel damit zu tun, dass wir diese flachen Hierarchien hatten. Wir haben unsere Werkzeuge verbessert, und unsere Arbeitsweise ebenso. Und das betrifft nicht nur mich; im ganzen Kernelbereich gibt es niemanden, der einen bestimmten Workflow behindert.

Ich erhalte sehr viele E-Mails, aber ich fühle mich dadurch nicht überfordert. Wenn ich unterwegs bin, lese ich zum Beispiel gerne Mails auf meinem Smartphone. Auch während der Pausen mache ich das so, denn in neunzig Prozent der Fälle betrifft es Informationen, die ich einfach nur lesen muss und dann ablegen kann. Es besteht für mich kein Handlungsbedarf; ich stand im CC weil es irgendein Problem gab, über das ich Bescheid wissen muss, aber um die Lösung kümmert sich jemand anders. Das bedeutet, dass ich auf Reisen neunzig Prozent meiner Arbeit erledigen kann, sogar ohne Computer. Abends, wenn ich zurück im Hotel bin, befasse ich mich dann mit den übrigen zehn Prozent.

Glyn Moody: Vor sechzehn Jahren hast du gesagt, dein wichtigster Antrieb wären die Wünsche der Anwender. Angesichts des enormen Erfolgs von Smartphones und Tablets würde ich gerne wissen, wie diese Geräte die Kernelentwicklung beeinflusst haben.

Linus Torvalds: Bei den Tablets ist das Powermanagement das beherrschende Thema, weil sie einfach größer sind als Smartphones. Sie haben zwar größere Akkus, aber Leute erwarten entsprechend eine längere Laufzeit. Auch haben sie größere Displays, die dafür sorgen, dass der Akku schneller leer ist. Für uns als Kernelentwickler ist ein Tablet sowohl aus der Hardware- als auch aus der Nutzungsperspektive weitestgehend das gleiche wie ein Smartphone. Und von Smartphones verstehen wir eine Menge – in erster Linie durch Android.

Der problematische Aspekt bei Tablets ist oft das Nutzerinterface – aber das ist weit genug vom Kernel entfernt. Auf einem Smartphones ist oft kein vollwertiger Browser installiert sondern eine mobile Version. Auf einem Tablet erwarten Benutzer einen echten Browser – einen, womit sich Links vernünftig anklicken lassen. Smartphones haben uns im Kernel jede Menge Kopfzerbrechen bereitet. Bei den Tablets ist uns viel Arbeit erspart geblieben.

Glyn Moody: Wie sieht es mit Cloud Computing aus? Was hat sich dieses Phänomen auf die Kernelentwicklung ausgewirkt?

Linus Torvalds: Den größten Einfluss hat Cloud Computing auf die Serverlandschaft gehabt. Hier geht es in erster Linie um den Stromverbrauch – einen Aspekt, der ursprünglich vor allem bei Embedded-Geräten und Handys im Vordergrund stand. In den letzten drei oder vier Jahren ist das ein echtes Thema geworden, vor allem dort, wo viele Server zusammen in einem Rechenzentrum stehen. Oft gibt es Spitzenbelastungen, die weit über die normale Auslastung hinausgehen. Amazon ist ein gutes Beispiel. In der Vorweihnachtszeit wird dort so viel verkauft wie in allen restlichen Monaten zusammen. Der Punkt ist, dass Amazon seine Hardware-Infrastruktur auf diese Spitzenbelastung ausrichten muss, auch wenn in der übrigen Zeit vielleicht nur ein Zehntel dieser Kapazität genutzt wird. Deshalb ist es wichtig, mit weniger Strom auszukommen, denn Elektrizität ist ein bedeutender Kostenfaktor für große Server-Betreiber.