Macht Kaffee wach oder ist das nur Einbildung?

Viele Menschen setzen auf Koffein als Aufmerksamkeitshilfe. Doch der Wachmacheffekt arbeitet anders als gedacht, sagen Forscher aus der Schweiz.

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Zwei Menschen mit Tassen vor dem Kopf

Zwei müde Menschen mit Kaffeetassen vor dem Kopf.

(Bild: Erzeugt in Midjourney durch MIT Technology Review)

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Deutschland trinkt gerne Kaffee. Im Jahr 2019 lagen wir beim Gesamtverbrauch des schwarzen Pulvers aus der Bohne weltweit auf dem zweiten Platz – nur in den (deutlich größeren) Vereinigten Staaten von Amerika wurde noch mehr konsumiert.

Dabei halten sich gewisse Mythen, die auch damit zu tun haben, dass Kaffee einen Gewöhnungseffekt hat. So glauben viele Konsumenten, dass es das tägliche Koffein sei, dass sie wach mache. Forscher um Dr. Carolin Reichert, der stellvertretenden Leiterin des Zentrums für Chronobiologie der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel (UPK), und Professor Hans-Peter Landolt vom pharmakologischen Institut der Universität Zürich haben auf einem Symposium jetzt allerdings gezeigt, dass das anders läuft. Denn offensichtlich ist der Wachmacheffekt nur dann gegeben, wenn man kein Dauerkaffeetrinker ist.

"Wenn wir müde sind nach einem langen Tag, dann kann uns Koffein schon wach machen. Da muss es nicht zwingend ein Placebo-Effekt sein", erklärt Reichert. "Allerdings gilt auch: Wenn wir morgens gut ausgeschlafen sind und eine richtig gute Nacht hinter uns haben, kann uns Kaffee im Prinzip nicht wacher machen, als wir es sowieso schon sind."

Denn: Wer chronisch konsumiert, also jeden Tag regelmäßig immer die gleiche Menge Koffein zu sich nimmt, befindet sich morgens bei der ersten Tasse womöglich schon in einem leichten Entzug. "Und eines der Entzugssymptome ist Müdigkeit."

Wann genau die Entzugssymptome eintreten, sei schwierig zu sagen, sagt Reichert. "Subjektiv können wir sie schon etwa 12-24 Stunden nach der letzten Dosis Koffein bemerken. Der Peak liegt zwischen 20 und 50 Stunden. Dann können beispielsweise Kopfschmerzen auftreten oder die besagte Müdigkeit."

Wenn Kaffeefans die Wirkung von Koffein wieder mehr spüren wollen oder eine kleinere Dosis eine effektivere Wirkung haben soll, ist es sinnvoll, ab und zu mit dem Koffeinkonsum auszusetzen. "Auch wenn Sie zum Beispiel Ein- und Durchschlafprobleme haben und sich den ganzen Tag angespannt fühlen, lohnt es sich, den Koffeinkonsum für eine Weile zu reduzieren oder auch für ein paar Wochen sein zu lassen. So kann man im Selbsttest schauen, ob das Koffein hier möglicherweise zu den Beschwerden beiträgt."

Zu viel ist auch bei Koffein zu viel. So kann es durchaus zu Koffeinvergiftungen kommen, wenn die Dosis zu hoch ist. "Beispielsweise zeigen die sich darin, dass man dann sehr unruhig und nervös ist, Herzrasen spürt, Magen-Darm-Beschwerden bekommt." Reichert empfiehlt daher, sich an die Richtlinien der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit zu halten, die internationalen Ratschlägen entspricht. "Gemäß dieser Richtlinien sollten wir nicht mehr als 400 Milligramm Koffein pro Tag konsumieren. Das entspricht ungefähr vier Tassen Kaffee. Aber das ist natürlich abhängig von der Braumethode oder auch wie groß der Kaffee ist." Damit man wirklich "clean" ist vom Kaffee, dauert es ungefähr zwei Wochen. Eine echte Abhängigkeit gibt es aber nicht. "Bei einer Abhängigkeit könnte es sein, dass man wegen des Kaffeekonsums andere Vergnügungen oder Interessen vernachlässigt. Das kann man nur selten beobachten bei den Durchschnittskonsumierenden."

(bsc)