Make hat 'ne Meise: Tagebuch aus einem Online-Nistkasten
Neun Eier liegen nun in unserem Kamera-Meisenkasten hoch über den Dächern Hannovers. Hier erfahren Sie, was seine Bewohner so alles machen.
- Heinz Behling
Meisen brauchen Höhlen in alten Bäumen, die es aber in den heutigen Wäldern nur selten gibt. Vielen anderen Vogelarten geht es ähnlich. Grund genug, etwas fürs Wildgeflügel zu tun.
In Make 2/18 stellten wir einen selbstgebauten Nistkasten vor, der sogar online geht. Ein wenig Elektronik (Raspberry Zero W plus Kamera) im Dach des Vogel-Einfamilienhauses genügt, und wir können die zwitschernde Familie bequem von zu Hause aus beobachten. Dieses Jahr ist es an der Zeit, mal zu schauen, was Bewohner eines solchen Nistkastens anstellen. Lesen Sie hier das Tagebuch von Famile Meisenkaiser.
26. April: Nummer 1 ist da!.
Seit knapp zwei Wochen saß Frau Meisenkaiser nun nahezu ohne Unterbrechung auf dem Nest. Daher gab es nicht viel zu berichten.
Bis heute um 12:30 Uhr: Da wurde die Dame sehr lebhaft auf dem Nest.
Und als Sie dann den Blick einmal frei gab, da bewegte sich etwas zwischen den Eiern: Küken Nummer 1 ist da.
Und da liegt der kleine Racker. Noch ziemlich müde, aber Schnabel und Flügel sind deutlich zu sehen.
13. April: Frau Meisenkaiser muss sitzen
Stolze Leistung: Neun Eier liegen inzwischen im Nest. Jedes Ei hat etwa 1 cm Durchmesser und ist ungefähr zwölf Millimeter lang. Geschätzt wird es so um 1-1,2 Gramm Gewicht haben. Das ergibt zusammen zwischen 9 und 11 Gramm. Ein Meisenweibchen wiegt knapp 12 Gramm. Sie hat also innerhalb einer Woche in etwa ihr Körpergewicht in Eiform gelegt.
Nun scheint Sie mit dem Brüten zu beginnen: Sie sitzt tief geduckt auf dem Nest, damit sie die Eier mit ihrer Brust wärmen kann. Meist verbringt sie die Zeit schlafend, den Kopf unter einem Flügel versteckt und gut wärmeisoliert durch die aufgestellten Daunen.
6. April: EIns, zwEI
Frau Meisenkaiser war gestern früh kurz nach 10 Uhr ausgeflogen und hat offenbar den warmen Frühlingstag in jeder Hinsicht ausgenutzt. Bis nach 17 Uhr blieb das Nest leer.
Die Nacht war für die Meisendame recht unruhig. Immer wieder wachte sie auf, drehte sich und suchte eine bequeme Position im gut gepolsterten Nest.
Am Morgen zeigte sich dann die Ursache der Unruhe: Zwei Eier liegen im Nest. Die müssen der Vogeldame wohl buchstäblich im Traum entwichen sein.
Jetzt beginnt noch nicht die heiße, aber die warme Phase der Brut: Meisen legen meist 3 bis 6 Eier, in Ausnahmefällen sollen es auch schon mal 12 gewesen sein. Die Eiablage erfolgt in der Regel im Abstand von einem bis zwei Tagen. Das Brüten beginnt jedoch erst, wenn das letzte Ei gelegt wurde. So schlüpfen später die Küken nahezu gleichzeitig. Andernfalls würden Nachzügler kaum genug Futter bekommen, weil die Geschwister schon deutlich größer und somit kräftiger wären. Bis die Brut aber beginnt (das macht das Weibchen, während Ihr Gatte sie mit Futter versorgt), werden die Eier nur so warm gehalten, dass der Embryo darin nicht abstirbt, aber nicht so warm, dass er sich weiterentwickelt.
1. April: Die Federung
Heute mal ein technischer Tipp, während Frau Meisenkaiser fleißig Federn anschleppt, als ob sie eine Taube erbeutet hätte. Auf das erste Ei wartet ich aber immer noch.
Alle Bilder und Videos, die von der Kamera aufgenommen werden, landen auf der Speicherkarte des Raspberry Pi Zero. Ist der Platz dort komplett belegt, dann streikt die Kamera, weil nichts mehr auf die Karte geschrieben werden kann. Lassen Sie es nicht soweit kommen, denn dann müssen Sie die Speicherkarte ausbauen und dazu müssen Sie den Nistkasten öffnen. Das kann die Meise so übel nehmen, dass sie das Nest aufgibt.
Löschen Sie die Bilder und Videos daher rechtzeitig, indem Sie sich das Bild-/Videoverzeichnis anzeigen lassen und dann auf Delete all klicken.
Falls Sie die Dateien aufbewahren möchten, dann benutzen Sie den Samba-Server der Kamera und verschieben Sie die Dateien auf Ihren Computer.
25.März: Sie treibt sich herum
Den ganzen Montag war Frau Meisenkaiser fleißig. Doch am Abend dann der Schock: Auch um 19 Uhr, als es schon dunkel war und Meisen nicht mehr fliegen, war sie nicht im Nest. Die ganze Nacht über verbrachte das lose Ding außerhäusig.
Erst gegen halb sieben am Dienstag Morgen kehrte sie nach Haus zurück. Die Kälte der Nacht steckte ihr noch in den Flügeln. Deshalb machte sie zunächst einige Streckübungen, um die Tragflächen wieder gangbar zu machen.
Danach begann die Hausherrin damit, weicheres Polstermaterial, vor allem Federn, heranzubringen. Sie macht sich anscheinend das Bett, in dem sie bald 2 Wochen sitzen und brüten muss.
Auch Papierschnitzel scheinen ihr zu gefallen, auch wenn die sich nur widerspenstig in das Nest einweben lassen.
Die nächste Nacht blieb sie zu Hause. Die frostigen Temperaturen draußen haben ihr diese Entscheidung vielleicht erleichtert.
23.März: Erste Besichtigung
Nur vier Tage hing der Nistkasten an der Balkonbrüstung, da fand bereits die erste Wohnungsbesichtigung durch Herrn Meisenkaiser statt. Bei den Kohl- und Blaumeisen suchen nämlich die Männchen nach geeigneten Nistplätzen und präsentieren sie dann dem Weibchen. Sie entscheidet dann über die künftige Wohnung.
Nachdem Herr Meisenkaiser die Auslegeware etwas geglättet hatte, war die Wohnung bereit für Ihren Auftritt.
Kurze Zeit später erschien dann auch Frau Meisenkaiser im Nistkasten und schaute sich die Lage der Behausung genau an.
Geschafft, er hat sie überzeugt. Sie allein beginnt daraufhin mit dem Heranschaffen von Nistmaterial, vor allem Grashalme und Moosstengel. Der Teppichboden wird schon etwas dichter.
Doch dann wurde es merkwürdig: die in Gründung befindliche Familie Meisenkaiser musste feststellen, dass ihr Nest an Schwindsucht litt. Wohin war das Nistmaterial verschwunden?
Des Rätsels Lösung: Die Nachbarschaft baute ebenfalls und bediente sich bei Abwesenheit der Wohnungsinhaber am Nistmaterial. Die Kamera im Nistkasten jedoch erwischte die diebische Meise auf frischer Tat.
Einen Tag später war die Wohnung komplett leergeräumt.
Aber eine Meise, die was auf sich gibt, lässt sich davon nicht entmutigen. Jetzt legte Frau Meisenkaiser richtig los. In den kommenden drei Tagen brachte sie in über 600 Starts und Landungen eine Menge neues Baumaterial herbei.
Die Nachbarn hielten sich zurück. Vermutlich war ihr Nest komplett.
Ein Tag später dann kam Herr Meisenkaiser und brachte seiner Holden Futter (siehe Bild ganz oben), ein untrügliches Zeichen, das bald das Brüten beginnt. Das übernimmt nämlich Frau Meise, während er für die Nahrungsversorgung zuständig ist. Wir können also demnächst das erste Ei erwarten.
Morgen lesen Sie hier, wie es bei Familie Meisenkaiser weitergeht.
(hgb)