Meinung: Sonne versus Wind

2018 soll es erstmals gemeinsame Ausschreibungen für Photovoltaik und Windkraft geben. Leider löst der Schritt keines der drängenden Probleme.

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Gregor Honsel, TR-Redakteur, wünscht sich einen umfassenderen Blick auf die Energiewende.

"Technologieoffen" klingt erst mal gut. Förderungen oder Grenzwerte sollten für alle Technologien gleichermaßen gelten. In diese Kerbe haut auch die EU-Kommission: Sie hat die jüngste Fassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) nur unter der Bedingung erlaubt, dass der Bund den Zubau von erneuerbaren Energien künftig "technikneutral" ausschreibt.

Nachdem der Bundestag dieser Forderung nachgekommen ist, müssen Photovoltaik und Onshore-Windkraft ab 2018 gegeneinander antreten – in gemeinsamen Auktionen über 400 Megawatt pro Jahr. 2020 wird das Konzept evaluiert.

Freunde des Ansatzes hoffen, dass sich so automatisch die effizienteste Option durchsetzt. Allerdings gibt es wenig solcher Freunde außerhalb der EU-Kommission. Selbst das federführende Bundeswirtschaftsministerium gibt zu, eigentlich "technologiespezifische" Ausschreibungen zu bevorzugen. "Das erhöht die Versorgungssicherheit und sorgt für eine bessere regionale Verteilung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien", sagt Staatssekretär Rainer Baake.

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Das Instrument der Ausschreibung an sich hat sich bisher offenbar bewährt: Die erste Auktion für Offshore-Windparks drückte die Einspeisevergütungen auf nahezu null. Allerdings ist noch offen, ob die ganzen Anlagen auch gebaut werden. Auch bei Freiflächen-Solaranlagen und Windkraft an Land sind die Preise stark gefallen.

Was also ist falsch daran, Sonne und Wind in einen Wettbewerb treten zu lassen? Erstens: Die Einspeisevergütung ist nicht alles. Sie verstellt den Blick darauf, dass die beiden Energielieferanten auf vielen Ebenen zu verschieden sind, um sich fair miteinander messen zu können. So sind etwa Solarparks bei der Ausschreibung auf zehn Megawatt beschränkt, Windparks aber nicht. Dafür sind diese räumlich viel stärker eingeschränkt: Sie sind auf Wind und einen leistungsfähigen Netzanschluss angewiesen.

Außerdem dauert es länger, die Projekte zu realisieren. Wer aber glaubt, dass sich solche Vor- und Nachteile schon irgendwie gegenseitig aufheben werden, der hält es auch für ein faires Fußballspiel, wenn eine Mannschaft bergauf und die andere gegen den Wind spielt.

Zweitens verfolgt die Ausschreibung die falschen Ziele und misst sie mit dem falschen Maßstab. Worum geht es denn bei der Energiewende? Doch wohl darum, die negativen Folgen der fossilen Energien zu mindern und dabei möglichst wenig neue Kollateralschäden zu verursachen. Der reine Erzeugungspreis der Erneuerbaren in Cent pro Kilowattstunde ist dabei nur ein Aspekt – und nicht einmal der wichtigste.

Es geht auch um Fragen wie Bürgerakzeptanz, Wertschöpfung, Rohstoffverbrauch, Artenvielfalt, Landschaftsbilder, Stromtrassen, Versorgungssicherheit. Wind, Sonne, Biomasse und Wasserkraft punkten und patzen hier in jeweils anderen Bereichen. Ideal wäre deshalb ein genau austarierter Mix aus den unterschiedlichen Stromquellen.

Aber die Ausschreibung tut nichts, um diesen Mix zu optimieren, denn der ist durch das EEG bereits festgeschrieben. Wenn die Windkraft in der kombinierten Ausschreibung beispielsweise einen Zuschlag über 300 Megawatt bekommt, werden diese 300 Megawatt von den Windkraft-spezifischen Auktionen – die es weiterhin parallel gibt – wieder abgezogen.

Nicht einmal zur besseren Verknüpfung von Erzeugung und Stromnetz trägt die Auktion bei. Es ist umstritten, was volkswirtschaftlich sinnvoller ist: Windräder vor allem in windreichen Gegenden zu bauen, wo es einen hohen Ertrag gibt – selbst wenn dafür das Netz stärker ausgebaut werden muss. Oder sie nahe an den Verbrauchern im Binnenland zu errichten und so am Netzausbau zu sparen – dafür aber Ertragseinbußen hinzunehmen.

Diese Frage ließe sich wenigstens näherungsweise klären, wenn bei der Auktion auch der nötige Netzausbau eingepreist wäre. Tatsächlich ist eine solche "Verteilernetzkomponente" zwar vorgesehen, aber nach Ansicht des Bundesverbands Windenergie (BWE) viel zu niedrig, um wirklich einen Einfluss zu haben. "Faire Zuschlagschancen sind somit bereits innerhalb der Technologie Wind nicht zu erwarten", so der BWE. "Der wünschenswerte Effekt, einen Anreiz zur Errichtung von Anlagen nahe an den Verbrauchszentren zu setzen, um die Netzausbaukosten zu minimieren, wird dadurch nicht erreicht."

Ideal wäre also eine umfassende Bewertung, in die nicht nur der Strompreis, sondern auch weitere Faktoren für Mensch, Umwelt und Wirtschaft einfließen würden. Doch das klingt nach einem gewaltigen bürokratischen Aufwand. Wie also lässt sich die goldene Mitte zwischen Planwirtschaft und planlosem Wettbewerb finden? Eine mögliche Lösung ist zumindest ansatzweise im aktuellen EEG angelegt: die sogenannten "Innovationsausschreibungen".

Hier können auch Gebote für eine Kombination verschiedener erneuerbarer Energiequellen abgegeben werden, die "besonders netz- oder systemdienlich" sein sollen. Allerdings sind nur bescheidene 50 Megawatt jährlich bis 2020 vorgesehen. Die Details sind noch offen. Das EEG lässt dem Gesetzgeber bis zum 1. Mai 2018 Zeit.

(grh)