Menschliches Intelligenzmodul

Der Crowdsourcing-Dienst MobileWorks will Amazons Mechanical Turk überholen: Menschen sollen dank ausgeklügelter Software-Schnittstellen in Echtzeit Aufgaben lösen, für die Computer noch nicht gut genug sind.

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Von
  • Tom Simonite

Der Crowdsourcing-Dienst MobileWorks will Amazons Mechanical Turk überholen: Menschen sollen dank ausgeklügelter Software-Schnittstellen in Echtzeit Aufgaben lösen, für die Computer noch nicht gut genug sind.

Ebenso alt wie die Bewunderung für Computer ist die Angst vor ihrer Allmacht. Doch obwohl sie heute unseren Alltag prägen, können Menschen manche Probleme nach wie vor besser lösen – etwa die Bilderkennung. Der Online-Händler Amazon baute 2005 auf dieser Erkenntnis den Dienst Mechanical Turk auf: Ein Heer von Nutzern bekommt Aufgaben wie die Verschlagwortung von Bildern zugeschickt und wird dafür mit einem geringfügigen Honorar entlohnt. Bislang war dieser Dienst jedoch nicht sonderlich schnell oder effizient. Das Start-up MobileWorks will diese Form des Crowdsourcings nun in ein Softwaresystem integrieren, das auch in Apps eingebaut werden könnte.

„Die existierenden Crowdsourcing-Dienste haben das Potenzial, einen Menschen innerhalb eines Computerprogramms zu platzieren, noch nicht ausgereizt“, sagt Anand Kulkarni, einer der Gründer von MobileWorks. Er hatte zuvor an der Universität Berkeley daran geforscht, wie sich mittels Crowdsourcing die Navigation von Robotern verbessern ließe. „Hierfür brauchen Sie eine Antwort in Echtzeit – die kann Mechanical Turk aber nicht liefern, weil der Dienst nicht wie ein Computer arbeitet“, bemängelt Kulkarni. Es würde mitunter Tage dauern, bis Mechanical Turk Antworten habe, und die seien dann manchmal auch noch falsch.

Anders als bisherige Crowdsourcing-Dienste lässt MobileWorks Aufgaben, die erledigt werden sollen, nicht zunächst von einem Mitarbeiter über ein Online-Formular Kategorien zuordnen. Stattdesssen werden eingesandte Fragen über Programmierschnittstellen (APIs) automatisch an das Heer der MobileWorks-Zuarbeiter weitergeleitet. Die Ergebnisse werden dann auf dem umgekehrten Weg wieder direkt an den Auftraggeber zurückgeschickt.

Die Bearbeiter stellen in diesem Ablauf quasi eine Software-Komponente dar. „Eine Black Box für menschliche Intelligenz“, formuliert es Kulkarni. „So kann Software uns wie ein anderes Stück Software behandeln, das die Intelligenz eines Menschen hat.“

Die ersten fertigen Schnittstellen ermöglichen, Daten aus Webseiten herauszuziehen oder handschriftlichen in Computertext zu verwandeln. Auch Spracherkennung und Bildverarbeitung seien mit dem Ansatz in Echtzeit möglich, sagt Kulkarni. Sollten zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht genügend Mitarbeiter aus MobileWorks-Crowd online seien, würden weitere per SMS benachrichtigt, sich in die Bearbeitung einzuklinken.

Die Zuarbeiter, mit denen MobileWorks bereits arbeitet, wurden laut Kulkarni in Entwicklungsländern angeheuert, etwa in den Slums von Bombay und anderen Gegenden mit zu wenig Jobs. Ein Drittel von ihnen erledigen ihre Aufgaben per Handy. „Das ist keine anonyme Menge“, betont Kulkarni, „wir sprechen die Leute manchmal auch direkt an.“ Das stärke die Motivation und die Loyalität der Mitarbeiter. Eine angemessene Entlohnung stelle zudem sicher, dass die Menschen ihre Aufgaben gewissenhaft erledigten.

In einem Test ließ Kulkarni seine Crowd gegen Amazons Mechanical Turk antreten: Es ging darum, Email-Adressen auf Webseiten zu finden. Während Mechanical Turk 40 Minuten für die Antworten brauchte – die zur Hälfte falsch waren –, hätten die MobileWorks-Mitarbeiter korrekte Angaben in weniger als einer Minute geliefert.

MobileWorks setze mit seinem Konzept erstmals aktuelle Forschungsansätze in ein kommerzielles Produkt um, sagt Michael Bernstein, ein MIT-Informatiker, der selbst an Crowdsourcing forscht. Im vergangenen Jahr entwickelte er eine Textverarbeitung namens „Soylent“. Sie verkürzt Sätze, indem sie sich bei Mechanical Turk einklinkt und desse Zuarbeiter neue Formulierungen finden lässt.

„Bei Mechanical Turk kann es aber passieren, dass eine Aufgabe ungelöst bleibt, weil nicht genug Leute zur Verfügung stehen“, hat Bernstein beobachtet. Zudem habe der Amazon-Dienst den Ruf, ungenau zu sein. Er selbst schickt seine Anfragen in der Regel drei bis fünfmal dorthin, um sicher zu gehen, dass auch eine sinnvolle Lösung herauskomme. Die SMS-Kommunikation von MobileWorks mit dessen Crowd mache den Dienst nun viel leistungsfähiger, lobt Bernstein. (nbo)