Microsoft und Novell kooperieren

Seite 2: Patente

Inhaltsverzeichnis

Das zweite große Thema der Vereinbarung sind Patente. Seit Jahren schon geht in der Open-Source-Szene die Angst um, Microsoft könnte sein Partentportfolio gegen Open-Source-Software einsetzen. Vor allem rund um das Mono-Projekt wurde (und wird) über diese Gefahr diskutiert – auch wenn bis heute kein einziger Fall bekannt geworden ist, in dem MS mit Patentklagen gegen ein Open-Source-Projekt oder einen Anbieter vorgegangen wäre.

Jetzt haben Novell und Microsoft vereinbart, dass sie keine Patentansprüche gegeneinander oder gegen die Kunden des anderen geltend machen wollen. Dabei geht es vor allem um drei Projekte: OpenOffice, Samba und – natürlich – Mono, dessen Entwicklung als .NET-kompatible Entwicklungsumgebung von Novell massiv vorangetrieben wird. In all diesen Bereichen hält Microsoft einschlägige Patente. Laut Holger Dyroff von Novell ist die Angst vor möglichen Patentansprüchen ein Argument, das (potenzielle) Kunden immer wieder vorbringen – wobei Novell selbst freilich keineswegs mit leeren Händen da steht: Vor allem im Bereich Netzwerke, aber auch bei Office-Anwendungen verfüge sein Unternehmen über wichtige Patente, so Dyroff.

Derartige Vereinbarungen nach dem Motto "Tust du mir nichts, tu ich dir nichts" sind im IT-Markt durchaus üblich, auch wenn meist nicht laut darüber gesprochen wird. Zwischen Novell und Microsoft wird im Rahmen der Patentvereinbarung Geld fließen: Beide Unternehmen leisten eine Vorauszahlung für die gegenseitige Freistellung von Patentansprüchen; und da die Redmonder mit ihren Produkten einen deutlich höheren Umsatz machen, fällt ihre Zahlung höher aus. Andererseits verpflichtet sich Novell zu Lizenzzahlungen für die verkauften Open-Source-Produkte. Wie bei solchen Deals üblich, bewahren beide Seiten Stillschweigen über die genauen finanziellen Details.

Darüberhinaus verspricht Microsoft, weder individuelle "nicht-kommerzielle" Open-Source-Entwickler noch Personen, die zu Novells Open-Source-Distribution OpenSuse beitragen, mit Patentansprüchen zu verfolgen. Dyroff sieht darin eine massive Verbesserung der Lage für die Open-Source-Community insgesamt: "Die Rechtssicherheit für Novell-Kunden hat sich verbessert. Am wichtigsten ist aber der Schutz für Entwickler, die zu Open-Source-Projekten beitragen."

Für niemanden sei die Situation jetzt schlechter als vorher, so Dyroff. Zumindest Novell-Wettbewerber dürften das etwas anders sehen: Red Hat beispielsweise hat schon reagiert und eine erweiterte Entschädigungsregelung für seine Kunden im Fall von Patentklagen angekündigt. Offenbar befürchtet man Wettbewerbsnachteile durch die Vereinbarung zwischen Novell und Microsoft. Und eines zumindest ist klar: Wer mit Open Source Geld verdient und weder bei Novell angestellt ist noch seinen Code in das OpenSuse-Projekt einbringt, profitiert nicht von dem Abkommen.

Der bereits in einigen Kommentaren geäußerten Befürchtung, Microsoft könne jetzt alle anderen Open-Source-Anbieter mit Patentklagen überziehen, tritt Andreas Hartl entgegen: Microsoft habe nicht vor, sein defensives Verhalten in Sachen Patente zu ändern. Allerdings sieht er die Vereinbarung mit Novell als "Präzedenzfall dafür, dass ein Schutz von geistigem Eigentum notwendig ist". Bislang habe die Open-Source-Community dieses Problemfeld ignoriert; Novell habe jetzt anerkannt, dass IP auch bei Open Source ein Thema ist.

An diesem Punkt hagelte es allerdings auch Kritik. Während SCO mit seinen Versuchen, Lizenzgebühren von Linux-Anwendern einzufordern, gerade baden gehe, führe jetzt Novell Lizenzzahlungen für Linux ein, interpretiert beispielsweise der Open-Source-Aktivist Bruce Perens das Abkommen. Groklaw, unermüdlicher Beobachter (nicht nur) des SCO-Prozesses, setzt seinen Bericht über das Novell-Microsoft-Abkommen unter die Überschrift: "Ausverkauf bei Novell".

Eben Moglen, Anwalt der Free Software Foundation, bringt einen ganz anderen Aspekt ins Spiel. Er sieht in der Absprache einen Konflikt mit der GPL, unter der der Linux-Kernel und zahlreiche Linux-Anwendungen stehen. Paragraph 7 der GPL sagt ausdrücklich, dass eine GPL-Software, bei der die durch die GPL garantierten Freiheiten (freie Nutzung und unmodifizierte oder modifizierte Weitergabe) durch andere (beispielsweise Patent-) Ansprüche eingeschränkt werden, gar nicht mehr weitergegeben werden darf. Das heißt: Sobald irgendjemand Patentansprüche gegen eine GPL-Software erhebt, darf niemand mehr diese Software weiterverbreiten – egal, ob ein Freistellungsabkommen existiert oder nicht. (odi)