Microsoft und Open Source: Microsofts Abkehr von der Geheimniskrämerei

Seite 2: Feldzug gegen GPL und Patente als Wegbereiter zu Open Source

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Die Open-Source-Szene hatte zuvor die Halloween-Dokumente seziert. Das waren Microsoft-interne Memoranden, in denen die Autoren diskutierten, welche Gefahren für Microsoft aus Open-Source-Software erwachsen könnte. Eric S. Raymond, der sich in seinem Thesenpapier "The Cathedral and the Bazaar" mit Open Source befasst hatte, veröffentlichte die ihm zugespielten Microsoft-Memos.

Das Papier adelte Open Source: Microsoft hatte verstanden, dass Qualität und Komplexität der freien Software mit kommerzieller Software mithalten konnte und eine ernste Gefahr sei; auch zeigten die Papiere, dass bei Microsoft intern schon darüber nachgedacht wurde, wie man die Stärken freier Software-Entwicklung übernehmen kann.

Nach außen agierte das Unternehmen weiter eher ungeschickt, etwa mit der Mindcraft-Studie, die Windows NT eine deutliche höhere Leistung als Linux im Servereinsatz bescheinigte. Sie war von Microsoft bezahlt und die Ergebnisse technisch zweifelhaft. Später ging Microsoft dazu über, der IT-Branche vorzurechnen, dass bei Windows die Total Cost of Ownership (TCO) geringer sei und das System einfacher zu administrieren.

Schließlich holte der Konzern die juristische Keule heraus: Ballmer argumentierte mit der Rechtssicherheit, die Käufer von Microsoft-Lizenzen genössen. Er spielte darauf an, dass sein Unternehmen die Nutzer vor den Rechtsansprüchen Dritter schütze – um gleichzeitig Unsicherheit zu schüren, ob das auch Linux-Firmen leisten könnten. Er nutzte damit die Stimmungslage aus, die aufgrund der rechtlichen Auseinandersetzung um die gestrandete x86-Unix-Grande SCO für Unsicherheit im Unix-Lager sorgte.

Krankheiten, mutierte Pinguine, juristische Winkelzüge – eine Zeit lang war Microsoft jedes Mittel recht, Open-Source-Software im Allgemeinen und GPL-Code im Speziellen zu diskreditieren.

Bevor Microsoft Vernunft annahm, war sich Ballmer nicht zu schade, auch noch Softwarepatente ins Feld zu führen. Allein 2005 hatte das Unternehmen 3000 weitere Patente zu den bereits vorhandenen 4000 eintragen lassen. Darunter triviale Dinge wie das FAT-Dateisystemformat und den Button-Doppelklick. Die Open-Source-Firmen sahen sich gezwungen, selbst Patentpools zur Abwehr eventueller Streitigkeiten einzurichten und Garantien anzubieten, die Kunden vor Ansprüchen Dritter freihielten.

Kurz danach begann sich Microsofts Verhältnis zu Open Source zu entspannen. Das Open Source Lab nahm Fahrt auf. Auf einer eigenen Website dokumentierte Microsoft seine Open-Source-Bemühungen. Auch pekuniär wurde Linux für Microsoft interessant: Im Rahmen eines Patentabkommens mit Novell (dem damaligen Suse-Eigner), in dem sich die Unternehmen gegenseitig von Ansprüchen freistellten, zahlte Microsoft zwar 240 Millionen US-Dollar für Gutscheine für Suse Linux Enterprise Server, aber erzielte damit auch zusätzliche Support-Umsätze.