Mini-Schweine an der Börse

An der Shenzhen Stock Exchange können Anleger jetzt Aktien von BGI kaufen, des größten Genomik-Unternehmens Chinas.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Michael Standaert
  • Su Dongxia
Inhaltsverzeichnis

Das größte Genomik-Unternehmen Chinas geht an die Börse. Aber keine Aufregung: Ab dieser Woche dürften Anleger nach dem Börsengang im Volumen von 251 Millionen Dollar tatsächlich in der Lage sein, Aktien von BGI zu kaufen. Aber wer darauf hofft, für 1400 Dollar ein mittels Gen-Editierung geschaffenes Mini-Schwein von BGI kaufen zu können, wird noch warten müssen – vielleicht ewig.

Im September 2015 hatten Mitarbeiter von BGI für Schlagzeilen gesorgt: Auf dem Shenzhen International Biotech Leaders Summit verkündeten sie ihre Absicht, Bama-Schweine zu verkaufen, die nur halb so groß sind wie normale, und einen Markt für genmanipulierte Haustiere in individuellen Farben und Größen zu schaffen.

Jetzt aber sagen Vertreter des Unternehmens, dass keine Vermarktung von Schweinen an Verbraucher geplant ist. "Wir haben keine Pläne für den Verkauf von Mikroschweinen", sagte Yong Li, ein wichtiger Mitarbeiter im Tierwissenschaft-Programm von BGI, der US-Ausgabe von Technology Review.

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Warum die Pläne aufgegeben wurden, ist unklar. Dazu beigetragen haben offenbar ablehnende Presseberichte, die negative Stimmung der chinesischen Bevölkerung gegenüber genmanipulierten Lebewesen und Unsicherheit über den Umgang der Behörden damit.

Gen-Editierung ist eine elegante Methode, um exakte Veränderungen an Tier-Embryos vorzunehmen. Häufig werden dabei Gene deaktiviert oder DNA so verändert, dass Eigenschaften einer anderen Rasse aus derselben Gattung übernommen werden. China ist bei dieser Technologie schnell vorangeschritten. In dem Land wurden bereits langhaarige Ziegen und extrem muskulöse Hunde geschaffen.

Manche Wissenschaftler hofften darauf, dass der Verkauf von genmanipulierten Tieren, ob als Lebensmittel oder für andere Zwecke, in China nicht reguliert werden würde. Der Grund dafür ist, dass beim Gen-Editieren keine DNA von einer Gattung zu einer anderen übertragen wird.

Trotzdem scheinen die Behörden vorsichtig zu sein. Die US-Gesundheitsaufsicht FDA verkündete in diesem Januar, dass sie solche Tiere als genetisch veränderte Lebewesen behandeln werde. Für Wissenschaftler, die an Rindern ohne Hörner arbeiten oder Hunde vor Krankheiten schützen wollen, kann das Jahre an Formalitäten und Verzögerungen bedeuten. Li von BGI sagt, die chinesische Regierung nehme eine ähnliche Haltung ein.

Das bedeutet, dass Pläne für Designer-Haustiere – wie Hunde ohne genetische Probleme oder Schweine mit speziellem Fell – erst einmal auf Eis liegen dürften. "Das Mikroschwein-Projekt wird noch geprüft, und es gibt keinen kommerziellen Verkauf", sagt Siqi Gong von der BGI-Pressestelle. Genauere Informationen dazu werde es nicht geben.

Im Mai hatte BGI den Börsengang an der Shenzhen Stock Exchange angemeldet, der dem Unternehmen rund 250 Millionen Dollar einbringen sollte. Ein erster Versuch im Jahr 2016 war noch an Problemen mit den Formalitäten gescheitert.

Begonnen hat BGI, zunächst unter dem Namen Beijing Genomics Institute, als Spezialist für Gen-Sequenzierung. Sein fabrikähnliches Labor mit tausenden Mitarbeitern machte durch die Decodierung der DNA von Riesenpandas und durch die Suche nach der DNA von Genies, um die genetischen Ursachen von Intelligenz zu entschlüsseln, auf sich aufmerksam. Außerdem bot das Unternehmen billige Gen-Sequenzierungen für Wissenschaftler in aller Welt an.

Seitdem hat sich BGI Anwendungsmärkten zugewandt, zum Beispiel pränatalen DNA-Tests, die inzwischen ungefähr die Hälfte des Umsatzes ausmachen. Laut Nature wird BGI das erste börsennotierte Genomik-Unternehmen Chinas sein und wird damit die zunehmende Bedeutung des Landes bei Präzisionsmedizin demonstrieren.

Für die Mini-Schweine nutzten seine Wissenschaftler laut BGI eine Technologie namens TALENs, um in Embryos ein Gen für einen Wachstumshormon-Rezeptor zu deaktivieren. Die so geschaffenen Schweine wiegen nur etwa 15 Kilogramm, ungefähr so viel wie ein Cockerspaniel.

In den 607 Seiten Unterlagen zum Börsengang ist jetzt allerdings nirgendwo von genveränderten Haustieren die Rede. Der Grund dafür könnte sein, dass Eingriffe ins Genom in China zu einem heiklen Thema geworden sind. Zum Teil liegt dies an jahrelangen Lebensmittel-Skandalen und allgemeinem Misstrauen gegenüber der Arbeit der Regulierungsbehörden.

Die Regierung will jedoch, dass sich das ändert. Im Juni beuftragte sie die Tsinghua University mit einer Umfrage zur Einstellung der Bevölkerung gegenüber genetisch veränderten Lebensmitteln wie transgenen Sojabohnen. Das Ziel dahinter ist, herauszufinden, wie schnell und wie weit sich die Technologie vorantreiben lässt. Denn die Regierung ist daran interessiert, dass chinesische Unternehmen global führend bei innovativer Biotechnologie werden.

Als Haustiere dürften die Mini-Schweine von BGI nicht verkauft werden, doch die Tierforschung auf der 800.000 Quadratmeter großen Anlage namens "The Ark", gelegen im tropischen Küsten-Hochland östlich von Shenzhen, geht weiter. Laut Li vergrößert das Unternehmen seinen Tierbestand und testet Zuchtmethoden, aus denen robustere Exemplare hervorgehen sollen, unter anderem durch die Kreuzung mit Wildschweinen. (sma)