Missing Link: Am Boden - nachhaltige Landwirtschaft und die Ernährung der Welt

Seite 2: Was der Boden alles kann

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Der größte Freund des modernen Menschen ist der Boden. Ein gesunder Boden speichert Wasser. Er schützt vor Erosion. Er beherbergt ein reichhaltiges Biotop kleiner Lebewesen, von denen größere Lebewesen abhängig sind (darunter Homo Sapiens). Er stärkt die Pflanzengesundheit. Er bindet Nährstoffe. Er bunkert sogar Kohlenstoffdioxid (CO2) – wenn man ihn lässt. Beim Pflügen emittieren Böden CO2: Der kohlenstoffreiche Humus baut ab. Das war schon beim ersten Pflug in der Jungsteinzeit so. Der Mensch kann also in kurzer Zeit eine Humusschicht zerstören, die vorher tausende von Jahren stabil war (siehe unter anderem Persistence of soil organic matter as an ecosystem property).

GrĂĽndĂĽngung (4 Bilder)

GrĂĽndĂĽngungs-Mischungen nennen Laien gelegentlich "natĂĽrlich", weil sie wie eine bunte Wiese aussehen.
(Bild: Clemens Gleich)

Biomasse ersetzt üblicherweise den beim Pflügen in die Atmosphäre entwichenen Kohlenstoff: Der Bauer pflügt Erntereste, ausgebrachten Tierkot oder eine Ernteperiode lang angebaute und nicht geerntete Pflanzen, die sogenannte "Gründüngung", in die Ackerkrume. Im Optimalfall sollte der Verlust und Eintrag von CO2 in den Boden ausgeglichen sein, dennoch verlieren weltweit bewirtschaftete Böden Bodenkohlenstoff im Oberboden und damit die Grundlage für einen nachhaltigen Pflanzenbau.

Dazu kommen Bodenerosion, der Abbau des kohlenstoffreichen Torfs durch die Trockenlegung von Mooren und die Rodung von Wäldern, die alle direkt mit der historischen Intensivierung der Landwirtschaft im Zusammenhang stehen. Eine Metastudie des WWF kommt auf 20 Tonnen Verlust pro Hektar bewirtschaftetes Land im globalen Durchschnitt. Deutschland steht mit 10 t / ha noch vergleichsweise gut da.

Pilze verstoffwechseln einen Baumstumpf. Wälder bunkern Kohlenstoff auf längere Zeit, weil Holz langsam verrottet. Naturnahe Wälder (es gibt in Deutschland keine Urwälder) können daher eine recht dicke Schicht Humus bilden, die Wald-Läufer als diesen "federnden" Waldboden kennen.

(Bild: Clemens Gleich)

Trotz allen Schimpfens sieht der Ackerboden in Deutschland gar nicht so schlecht aus: Die Bodenzustandserhebung prognostiziert 90 Prozent unserer Ackerböden keine signifikanten Veränderungen des Humusgehalts. 9 Prozent sind mit Verlust prognostiziert, 1 Prozent sogar mit einem Humusaufbau. Hierin liegt eine Hoffnung: Was, wenn die Landwirtschaft in einem ersten Schritt einen Teil ihrer CO2-Emissionen durch Humusaufbau kompensieren könnte? Was, wenn sogar mehr ginge?

Frankreich machte mit der 4-Promille-Initiative auf sich aufmerksam, die vorschlägt, 4 Promille pro Jahr mehr organischen Kohlenstoff in landwirtschaftlich genutzten Böden aufzubauen. Diese 4 Promille entsprechen über alle Äcker gerechnet nämlich in etwa den aktuellen anthropogenen Treibhausgasemissionen.

Das Problem ist natürlich komplexer als eine einzelne Zahl. In Deutschland etwa wären die wirksamsten CO2-bindenden Bodenmaßnahmen der Schutz bestehender Moore, die Wiedervernässung trockengelegter Moore und Altholz im Wald zu lassen, statt es zu verbrennen. Davon sollte das Potenzial im Ackerbau nicht ablenken (siehe die Bewertung der 4 Promille in Impact of tropical land use change on soil organic carbon stocks – A meta-analysis). Dazu kommt, dass Humus sich nur bis zu einem jeweils lokalen Equilibrium langsam aufbaut und bei Änderungen der Bodennutzung schnell wieder entfleucht. Dennoch ist das Potenzial erstens groß und zweitens hat angemessene Humusversorgung für den Acker sowieso hauptsächlich Vorteile. Wie könnte man mehr davon aufbauen?