Missing Link: Fluchtpunkt Afrika - Kontinent technologischer Visionen und Innovationen

Seite 2: Elektronischer Kolonialismus

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Auf diese blutigen Erfahrungen verweist auch der Film "Deep Down Tidal" von Tabita Rezaire, wenn er feststellt, dass die am Meeresboden verlegten Glasfaser- und Kupferkabel den einstigen Routen der Sklavenhändler folgen. Deren Segelschiffe legten mit dem atlantischen Dreieckshandel (Waffen, Sklaven, Rum) damals die Grundlage für den Reichtum und die jahrhundertelange Vorherrschaft Europas. Das Internet stehe in dieser Tradition und sei "eine große Lüge", meint Rezaire. Es schaffe keine Freiheit, sondern einen neuen "elektronischen Kolonialismus". Wasser hinterlasse immer Spuren, sagt er am Ende des Films und fordert: "Lasst uns eine Spur der Heilung hinterlassen."

Soda_Jerk, „Astro Black: We are the Robots“, 2012

(Bild: Soda_Jerk / Ausstellung „Afro-Tech and the Future of Re-Invention", HMKV im Dortmunder U, 21.10.2017 - 22.04.2018)

Nicht alle Künstler dürften Rezaire in seiner radikalen Kritik am Internet folgen. Gleichwohl legen sie einen anderen Umgang mit Technik nahe. So hat der italienische Künstler Jaromil ein Betriebssystem auf der Basis der Rastafari-Philosophie entworfen und erklärt dazu: "Diese Software ist kein Business. Diese Software ist frei wie die Rede. Diese Software ist Patrice Lumumba, Marcus Garvey, Martin Luther King, Steve Biko, Walter Rodney und Malcolm X gewidmet; und sie ist solidarisch mit Mumia Abu Jamal und all denen, die sich der Sklaverei, dem Rassismus und der Unterdrückung widersetzen, all denen, die gegen den Imperialismus kämpfen und die eine Alternative zum Kapitalismus in unserer Welt suchen."

In dem Film "The Sun Ra Repatriation Project" von Kapwani Kiwanga, in dem es über weite Strecken um interstellare Kommunikation mit außerirdischer Intelligenz geht, wird an einer Stelle Musik als die "höchste Stufe der Wissenschaft" bezeichnet. Auch in vielen anderen Filmen steht Musik im Mittelpunkt. Mehrere Installationen beziehen sich auf das legendäre Techno-Duo Drexciya aus Detroit, das in den 1990er-Jahren diesen Musikstil entscheidend mit prägte. Dieser musikalische Blick auf die Welt dürfte zum Wertvollsten gehören, was afrikanisch geprägte Künstler zur Debatte über Technologie beigetragen haben und weiterhin beitragen. Hip Hop helfe, die potenzielle Energie in der Technologie freizusetzen, heißt es in "The Last Angel of History". Dabei verwandelten wir uns mehr und mehr in Cyborgs. Warum? "Um hier herauszukommen."

Wangechi Mutu, The End of Eating Everything, 2013

(Bild: Wangechi Mutu, Courtesy of the artist, Gladstone Gallery, New York and Brussels, and Victoria Miro Gallery, London. Commissioned by the Nasher Museum of Art at Duke University, Durham, NC)

Und wo soll es hingehen? Drexciya steht in Simon Rittmeiers gleichnamigem Film auch für einen Sehnsuchtsort, ein "schwarzes Atlantis", zu dem in einer nicht näher spezifizierten Zukunft die Europäer zu fliehen versuchen. Ein Schlepper kann sich nach dem Untergang seines Schiffes mit Mühe an die afrikanische Küste retten, wo ihm drei futuristisch gekleidete Schwarze, ausgestattet mit modernster Technologie, eher widerstrebend helfen. Nach einem langen Marsch durch die Wüste erreicht er schließlich die legendäre Stadt, doch es bleibt offen, ob sie die Verheißungen erfüllen kann.

Auch für den Besuch der Ausstellung ist Ausdauer erforderlich: Allein die Längen der verschiedenen Filme summieren sich auf mehrere Stunden. Wem das zu viel auf einmal ist, der kann an der Kasse eine Plakette bekommen, um an einem anderen Tag wiederzukommen, ohne noch einmal Eintritt zahlen zu müssen. Die Ausstellung läuft noch bis 22. April 2018. (jk)