Missing Link: KI in der Wettervorhersage – die stille Revolution

Seite 2: Studie: KI in vielem überlegen

Inhaltsverzeichnis

Eine Studie untersuchte die Qualität von GraphCast am Beispiel von Daten des Europäischen Zentrums für Mittelfristvorhersage (ECMWF). Das Ergebnis: In den meisten Fällen war GraphCast dem besten Modell des ECMWF überlegen. In 90 Prozent der Fälle wurden zudem Wind, Temperatur und Luftdruck in verschiedenen Höhen in einer 10-Tagesvorhersage genauer vorhergesagt. Aber es zeigten sich eben auch Schwächen der KI, wie der Diplom-Meteorologe Christian Herold in einem Blogpost im November 2023 darlegte. Sein Fazit: KI könne eher als zusätzliches, sehr gutes Handwerkszeug betrachtet werden.

So sieht es auch Roland Potthast. KI komme heute schon in Bildverarbeitungsalgorithmen zum Einsatz, um Wolken zu beobachten und zu emulieren, wie sich weiterentwickeln könnten. Über die verschiedenen Vorhersagestufen wie etwa Nowcasting für das unmittelbare Wetter sowie Mittel- und Langfrist hinaus, sehe der DWD aber auch Chancen und Möglichkeiten in allen Bereichen der Wertschöpfungskette. Ein Beispiel dafür ist ein Chatbot, der interessierten Bürgern künftig qualifizierte Auskünfte auf Fragen zum Wetter geben könnte.

Je mehr der Kollege Computer übernimmt und den Reigen der Aktivitäten erweitert, umso mehr muss der Mensch aber auch genau hinschauen, ob er das richtig macht. Auf Vorhersagen und Warnmeldungen des DWD verlassen sich unter anderem Feuerwehren, das Technische Hilfswerk und die Luftfahrt. Extremwetterlagen traten in den vergangenen Jahren gehäuft auf. Die Wettervorhersage bekommt damit noch mehr Gewicht. So rasant die Entwicklungen rund um die KI auch unterwegs sind: "Das System braucht viel Qualitätssicherung", sagt der Entwicklungschef. Bis zur operationellen Nutzung neuer Funktionen vergehen deshalb oft Jahre.

Das ECMWF hat sich vorgenommen, bis zum Jahr 2031 maschinelles Lernen "vollständig in numerische Wettervorhersagen und Klimadienste" zu integrieren. EUMETSAT gibt noch einen weiteren Punkt zu bedenken, der sogar eine Erfordernis von KI-Lösungen deutlich macht: Mit den Meteosat-Satelliten der dritten Generation fallen 50 Mal mehr Daten an als bei der Vorgängergeneration. Um dieses hohe Datenvolumen zu verarbeiten, seien fortschrittlichere Verarbeitungstechniken notwendig, heißt es in einer Veröffentlichung aus dem Juli 2022.

Anders als manches Unternehmen in der Privatwirtschaft, das vom KI-Hype im Jahr 2023 überholt wurde, plagen den DWD laut Potthast keine Sorgen, dass genügend Know-how für die Erforschung und den Einsatz von KI und ML versammelt sind. Immer schon hätten beim Wetterdienst Physiker, Mathematiker und Meteorologen interdisziplinär zusammengearbeitet. Zudem arbeite die Bundesanstalt mit etlichen Forschungsinstituten zusammen. Aber: "Wir brauchen weitere Experten", sagt der Entwicklungschef. Der DWD befinde sich dazu in Gesprächen mit dem zuständigen Bundesministerium für Digitales und Verkehr.

Während Angehörige anderer Branchen fürchten, dass die KI sie perspektivisch ersetzen könnte, sind sich Meteorologen relativ sicher, dass der Faktor Mensch künftig weiterhin eine große Rolle spielen wird. Denn so sehr die bisherigen Ergebnisse von KI-Lösungen die Experten faszinieren: Der Mensch in seiner Interaktion mit der KI wird auf unabsehbare Zeit ein wesentlicher Faktor bleiben. So sicher wie dass morgen die Sonne aufgeht.

(mki)